Wir dürfen viel erwarten




(Predigt am 1. Advent   zu Matthäus 21, 1-11)

Ihr Lieben,

es gibt eine Internetseite mit dem Titel „Instahelp - Onlineberatung“. Da werden Sie geholfen - auch für ein stressfreies Verleben der Vorweihnachtszeit.
Folgendes gibt es da zu lesen:

„Die Vorweihnachtszeit hat es nicht leicht, denn oft ist sie mit Erwartungen überfrachtet. Sie soll märchenhaft schön werden und die Werbung pflanzt uns die passenden Bilder in den Kopf. Das Zusammensein mit lieben Menschen, gutes Essen, entspanntes Nichtstun, stimmungsvolle Dekoration, wunderbare Geschenke und über all dem liegt der Glanz von Kerzen und Lichterketten, der alles in harmonisches Licht taucht. Märchenhaft schön – aber eben leider auch ein Märchen.

Denn dem gegenüber steht nämlich der alljährliche Vorweihnachtswahnsinn, der zu proppevollen Terminkalendern führt. Weihnachtsfeiern, Einkaufsirrsinn sowie Weihnachtsbäckerei und Bastelwerkstatt. Nicht zu vergessen das i-Tüpfelchen: Ein mehrgängiges Weihnachtsmenü für die ganze Familie. Und natürlich möchte man es allen so schön wie möglich machen und auch ein bisschen gelobt werden für das, was man da auf sich genommen hat. Nur aus Liebe, natürlich. Zumindest ging es mir so. Und so wurde meine Vorweihnachtszeit nicht zur schönsten Zeit des Jahres, sondern zur anstrengendsten. Weil ich alles mitgenommen habe, was nach Stress schreit und mir selbst noch welchen draufgepackt habe.“

Nun folgt auf dieser Internetseite noch ein Tipp, wie sich die Vorweihnachtszeit stressfrei gestalten lässt. Den liefere ich euch jetzt aber noch nicht. Kommt später.

Meistens wird die Vorweihnachtszeit also deshalb stressig, weil wir zu hohe Erwartungen haben. Meistens wird auch Weihnachten stressig, weil wir zu hohe Erwartungen haben.

Was erwarten wir vom Advent? Was erwarten wir von Weihnachten?

Er-warten hat erstmal mit warten zu tun. Wir warten auf etwas. Wenn ich etwas er-warte, dann warte ich auf etwas Bestimmtes. Bei mir ist es im Fall von Advent und Weihnachten, dass es schön wird, dass es besinnlich wird, dass sich so ein Weihnachtsfeeling im Bauch einstellt.

Aber ich erwarte noch mehr von der Adventszeit: Nämlich dass sie mich auf Weihnachten vorbereitet. Langsames Annähern an Weihnachten, sowohl innerlich als auch äußerlich. Jeden Tag wird es ein bisschen heller, strahlender, schöner, bis dann an Heiligabend alles glänzt und strahlt. 

So habe ich mir tatsächlich den Lebkuchen bis Totensonntag verkniffen. Wie gesagt: LANGSAMES Annähern. Ich habe auch die Weihnachtsdeko erst nach dem Totensonntag rausgeholt. Damit ich mich mehr über diese Dinge freuen kann, so wie zum Beispiel endlich das erste Lebkuchenherz essen zu dürfen. Wenn ich schon im September anfange, die in mich reinzustopfen, dann sind sie am ersten Advent nichts Besonderes mehr. 

Ich kann mich im Moment total über die beleuchteten Sterne in unseren Fenstern freuen. Hätte ich die Sterne schon im Oktober in die Fenster gestellt, würde ich mich, glaube ich, jetzt nicht so sehr über ihr Licht freuen. Wie gesagt: Ich erwarte eine besinnliche Adventszeit, die mich langsam auf Weihnachten vorbereitet.

Nächste Frage: Was erwarte ich von Weihnachten? Das kann ich euch leicht beantworten. Ich erwarte Frieden auf Erden! Nicht mehr und nicht weniger. Ich möchte nicht nur ein schönes Fest mit Familie und Menschen, die mir nahestehen. Das wäre mir zu wenig. Ich will wirklich Frieden auf Erden! 

Erwarte ich da etwa zu viel? Habe ich falsche Erwartungen?

Und da sind wir auch schon bei den Menschen damals, die den Messias erwartet haben. Sein Kommen war ja schon lange angekündigt. Schon Jesaja wusste, dass er kommen würde, auch wenn es dann noch mehrere hundert Jahre gedauert hat.
Die Menschen, die damals vor 2000 Jahren auf den Messias, den „Gesalbten“ gewartet haben, hatten auch falsche Erwartungen. Sie haben auf jemanden gewartet, der sie von Unterdrückung befreit und wieder zu einer starken politischen Macht werden lässt. Was im Grunde erstmal gar nicht so verkehrt ist. Denn Könige wurden damals bei Amtsantritt tatsächlich gesalbt um deutlich zu machen, dass sie von Gott rechtmäßig eingesetzte Herrscher der Israeliten waren. Kein Wunder also, dass sie zunächst einen politischen König gewartet haben.

Die Menschen haben also auf die Geburt dieses mächtigen Königs gewartet und darauf, dass der das versprochene Heil wahrwerden lässt. Welche Enttäuschung, als die Frau eines unbedeutenden Zimmermanns diesen angeblichen König in einer Höhle zwischen Viehzeugs zur Welt bringt. Welche Enttäuschung, als dieser angebliche König als erwachsener Mann in Jerusalem einzieht. Auf einem Esel! Schlimmer geht es ja kaum! In einer Sänfte begleitet von Streitwagen und Soldaten, wäre doch viel angemessener gewesen.

Falsche Erwartungen!
Aber da waren trotzdem welche, die keine falschen Erwartungen hatten. Es gab Menschen, die genau wussten, wen sie da vor sich hatten: Ein kleines Kind in einem schmutzigen Stall, aber dennoch der mächtige Held. Ein einfacher Zimmermann auf einem Esel, aber dennoch der Friedefürst. Sie haben in Jesus Christus den wahren König erkannt, der eine ganz andere macht hat als eine politische. Er hat die Macht der Liebe und er hat die Macht des Friedens. Deshalb kamen sie zum Stall in Bethlehem. Deshalb jubelten sie ihm zu in Jerusalem. Und riefen Hosianna: Hilf doch! Weil sie wussten, dass er wirklich helfen kann. Jesus spricht nicht nur vom Frieden. Jesus bringt nicht nur den Frieden. Sie wussten, dass er der Friede IST. 

Deshalb haben auch wir heute alles Recht der Welt, an Weihnachten den Frieden auf Erden zu erwarten. Und wir selber können langsam darauf hinarbeiten, denn Frieden auf Erden fängt bekanntlich bei uns selber an. Wenn wir selber es schaffen, friedlich zu bleiben, wo es Streit gibt oder wo uns sogar Hass begegnet, dann zeigt sich da schon die unglaubliche Macht, die unser Friedefürst hat.

Frieden auf Erden fängt bei mir selber an. Das heißt, ich kann mir jeden Tag im Advent vornehmen, Frieden im Herzen zu haben. Macht euch gegenseitig Adventskalender: Hinter jedem Türchen oder in jedem Beutelchen steckt ein Zettel, auf dem steht „Heute will ich Frieden im Herzen haben.“  Oder ihr sucht euch jeden Tag einen Menschen, auf den ihr zugeht, die handausstreckt und sagt: „Friede sei mit dir.“ Bis Weihnachten 24 Mal Frieden im Herzen haben, wenn wir durch den Tag gehen, ist schon toll. Das ist, wie ich finde, eine ganz wunderbare Vorbereitung auf Weihnachten. Und an Weihnachten selbst sind unsere Herzen ganz voll von Frieden. Zumindest ist mehr drin als vorher.

Und vielleicht gibt es dann ein kleines bisschen weniger Streit über Geschenke, den schiefen Tannenbaum, darüber, wo denn gefeiert werden soll, wieviel Plätzchen noch gebacken werden müssen, zu welchen Weihnachtsfeiern man denn unbedingt zu erscheinen hat, und so weiter. Ich bin davon überzeugt, dass ein bisschen Frieden im Herzen viel für eine stressfreie Vorweihnachtszeit tun kann. 

Der Tipp auf der Internetseite für eine stressfreie Vorweihnachtszeit lautet übrigens: Prioritäten setzen! Nicht alles tun wollen! 
Unsere Priorität als Christinnen und Christen muss der Frieden sein, wie ich finde.

Und wir können das!

Unsere Herzen mit Frieden füllen zu können, ist, glaube ich, keine falsche Erwartung, keine überzogene Erwartung. Und wenn es doch mal nicht so gut klappt, dann dürfen auch wir zu Gott sagen: Hilf doch! Und er wird helfen!

Ja, wir dürfen viel erwarten: Vom Advent und von Weihnachten.

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