Neue Räume erobern

Bild von James Jaques Joseph Tissot: Die Bundeslade wird durch den Jordan getragen (gemeinfrei)


(Predigt vom 13.01.2019 zu Josua 3, 5-11.17)

Ihr Lieben,
wenn man eine Internet-Enzyklopädie über die Bundeslade befragt, dann bekommt man die Information, dass es keinen archäologischen Nachweis über ihre Existenz gibt. (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Bundeslade )

Wer allerdings den Film „Indiana Jones - Jäger des verlorenen Schatzes“ gesehen hat, weiß ganz genau, dass die Bundeslade sehr wohl existiert und sich derzeit in den Händen des US-Militärgeheimdienstes befindet, und zwar in einer großen Lagerhalle zusammen mit diversen anderen in Kisten verpackten Gegenständen.

(Von der Orgel gespielt, hörte sich das auch richtig klasse an!)

Bevor die Bundeslade in besagter Halle eingelagert werden kann, muss sie allerdings erstmal gefunden werden. Das soll der Archäologe Dr. Jones übernehmen. Und zwar muss er die Lade finden, bevor die Nazis es tun. Eine Armee, der die Bundeslade vorangetragen wird, soll nämlich unbesiegbar sein, heißt es. Deshalb dürfen die Nazis die Bundeslade unter keinen Umständen in die Finger kriegen. 

Was man der Bundeslade in diesem Film nachsagt, geht zurück auf biblische Erzählungen, wie die aus dem Buch Josua, die wir vorhin gehört haben.

Aus Studienzeiten schwirrt mir noch der Fachbegriff „kriegerische Landnahme“ im Kopf rum. Das war es, was die Israeliten vorhatten. Sie wollten das von Gott versprochene gelobte Land in Besitz nehmen. Und das nicht friedlich! Auf dem Versprechen, das Gott laut Bibel den Israeliten gab, beruhen übrigens zum Teil auch die Probleme, die es im Nahen Osten immer noch gibt. Israel beharrt darauf, dass das von Palästinensern besiedelte Land ihnen gehört, weil es ihnen von Gott gegeben wurde. Natürlich gibt es auch noch andere politische Bedingungen und Hintergründe, die zu dem immer noch großen Unfrieden zwischen Israelis und Palästinensern beitragen. 

Dieses politische Fiasko ist eine Sache, die hier in dieser Predigt und mit diesem Text einfach nicht zu lösen ist. Auch die kriegerische Landnahme durch die Israeliten unter der Führung von Josua damals ist nicht zu lösen. Sie kann kein gutes Beispiel für irgendwas sein, weil Krieg immer Leid verursacht und weil Krieg immer falsch ist. 

Aber kommen wir nochmal zur Bundeslade. Einige von euch werden sich vielleicht schon die ganze fragen: Was ist eigentlich diese Bundeslade?

Bei der Bundeslade handelt es sich um eine Holzkiste, in der die beiden Steintafeln mit den 10 Geboten aufbewahrt werden, die Mose von Gott erhalten hatte. Natürlich handelte es sich bei der Bundeslade nicht um eine einfache Holzkiste. Die Lade bestand aus Akazienholz, das mit Gold überzogen war. Sie war etwa 130 x 80 x 80 cm groß und konnte mit zwei Tragebalken bewegt werden. Auf dem Deckel befanden sich zwei Cherubim. Ein Cherub ist ein übernatürliches geflügelte Wesen, eine Art Engel. Diese Cherubim hatten ihre Flügel über der Bundeslade ausgebreitet. Der Deckel der Bundeslade wurde übrigens auch als Sühneplatte bezeichnet.

Die Bundeslade sollte nun dem Volk Israel bei seiner kriegerischen Landnahme helfen. Wie wir aus dem Buch Josua erfahren, sorgt sie zunächst dafür, dass das Wasser des Jordanflusses zurückweicht, damit die Israeliten trockenen Fußes und sicher ans andere Ufer gelangen. Das ist eine ganz ähnliche Szene wie die, in der Moses die Israeliten durch das Schilfmeer führt.

In Kapitel 4 des Josuabuches erfahren wir, dass die Priester sich mit der Bundeslade an die Spitze des Zuges der Israeliten stellen und dass es dann in der Ebene von Jericho zum Kampf kommt. Darauf beruht vermutlich die Vorstellung, dass ein Heer, das die Bundeslade vor sich herträgt, unbesiegbar ist.

Bundeslade und kriegerische Eroberung eines Landes passen für mich nicht zusammen! Einerseits wird dem Heer der Israeliten die Bundeslade vorangetragen als Zeichen dafür, dass Gott bei ihnen ist. Andererseits enthält diese Bundeslade die 10 Gebote, von denen eines sagt: Du sollst nicht töten!

Und das Ding heißt ja nicht umsonst BUNDESlade! Mit den 10 Geboten beinhaltet die Lade den Bund zwischen Gott und seinem Volk. Dieser Bund sieht so aus: Gott kümmert sich um seine Kinder, also das Volk Israel, und leitet und beschützt sie. Im Gegenzug halten sich die Israeliten an die 10 Gebote. Zu denen, wie gesagt, auch das Gebot gehört: Du sollst nicht töten. Sie töten aber, um das von Gott versprochenen gelobte Land einnehmen zu können, in dem sie sich niederlassen wollen. Da drin steckt ein unauflöslicher Widerspruch.

Wenn man übrigens Theologen dazu befragt, kann man erfahren, dass diese Geschichten im Grunde nur beschreiben, wie die Menschen damals von einem Nomadenvolk zu einer sesshaften Gesellschaft geworden sind. Wenn viele Menschen sesshaft werden und in Gruppen zusammenleben (in Dörfern oder Städten), dann braucht dieses Zusammenleben Regeln: Die 10 Gebote. So hat man sich damals vorgestellt, wie die Sesshaftwerdung abgelaufen sein könnte. Das nur als kleine Anmerkung am Rande.

Kommen wir zurück zur Landnahme: Wenn wir das „kriegerische“ Element aus der Landnahme streichen und wenn wir von der politischen Ebene auf eine geistige Ebene wechseln, dann lässt sich mit der Geschichte doch so einiges anfangen.
Im Grunde befinden wir uns ja mit dem Aufbruch in ein neues Jahr am Beginn einer Landnahme. Wir nehmen, hoffentlich ganz friedlich und nicht kriegerisch, ein unbekanntes Land ein, nämlich das Land, das wir in 2019 betreten.

Es ist eine schöne Vorstellung, dass das neue Jahr das gelobte Land sein könnte. So abwegig ist der Gedanke nicht, wie ich finde, denn ein neues Jahr bringt viele neue Möglichkeiten. Wir haben die Chance, die Dinge, die nicht so gut gelaufen sind, im Jahr 2018 zu lassen und im Jahr 2019 neu anzufangen. Dinge, die gut gelaufen sind können wir natürlich mit hineinnehmen in das neue Jahr. Wir können Menschen begegnen, die uns zu neuen Einsichten verhelfen, wenn wir denn offen sind für das, was sie uns mitteilen. Wir können altbekannte und bewährte Räume betreten, die uns Sicherheit geben, aber wir haben ebenso die Chance, neue Räume einzunehmen und dahin zu gehen, wo wir vorher noch nie waren. Diese Räume können alles Mögliche sein: tatsächliche Räume in einem Haus, ein Wohnzimmer vielleicht, in dem ich noch nie zu Besuch war oder ein Land, in das ich noch nie gereist bin. Es können aber auch Freiräume sein oder Gedankenräume. Geschützte Räume im Umgang der Menschen miteinander fallen mir da ein oder auch Räume in meinem Inneren, in meinem Herzen und in meiner Seele.

Wenn wir allerdings neue Räume betreten, dann birgt das natürlich auch immer ein gewisses Risiko, weil wir nicht wissen, was uns erwartet. Aber gleichzeitig haben wir damit auch die Möglichkeit, neue und ganz wunderbare Erfahrungen zu machen.

Wir betreten dieses neue Jahr und diese neuen Räume mit Regeln im Gepäck, so wie die Israeliten zur Zeit Josuas ihr gelobtes Land mit den 10 Geboten betreten haben. Diese Regeln sind wichtig, damit die neuen Räume, die wir betreten auch wirklich zu einem gelobten Land werden und nicht zu einem Kriegsschauplatz. 

Und wir betreten diese neuen Räume nicht alleine. Gott ist bei uns. Wir haben zwar keine Bundeslade aus goldüberzogenem Akazienholz, die wir vor uns hertragen können und die uns deutlich macht: Gott ist bei uns. Aber wir können andere Symbole der Liebe und des Friedens vor uns hertragen, die uns daran erinnern, dass Gott mitgeht, wenn wir uns auf ein neues Jahr einlassen und wenn wir neue Räume betreten.

Die Bundeslade existiert nicht mehr oder hat vielleicht nie existiert, aber der Bund, den Gott mit den Menschen geschlossen hat, existiert. Er ist sogar erweitert worden, weil wir Menschen einfach menschlich sind und damit gar nicht in der Lage, Gottes Gebote hundertprozentig zu befolgen. Die Menschen sind immer wieder daran gescheitert und werden auch weiterhin daran scheitern. Deshalb gibt es den neuen Bund in Jesus Christus, durch den Gnade und Vergebung mit dazukommen und durch den Gott uns wissen lässt, dass sie uns immer noch uneingeschränkt liebt. Würde die Bundeslade also existieren, dann wäre zu den Tafeln mit den 10 geboten noch das Kreuz Christi dazugekommen. (was dann die Lade gesprengt hätte, denn 130 x 80 x 80 cm reichen dafür nicht aus.)

Im Grunde haben wir alle unsere eigene kleine unsichtbare Bundeslade, die uns helfen soll, uns in ein neues Jahr zu wagen und neue Räume einzunehmen. Friedlich einzunehmen! 
Diese Bundeslade wird uns nicht unverwundbar machen. Sie macht uns zwar unbesiegbar, was den Tod betrifft, weil uns von Gott ja das ewige Leben versprochen ist, aber wir können trotzdem an Körper und Seele verwundet werden. Sie wird auch nicht alle Hindernisse einfach verschwinden lassen. Aber sie wird uns helfen, die Herausforderungen gut meistern, die auf uns zukommen.

Das ist wie in der Bibelerzählung: Das Wasser des Jordan verschwindet nicht, als die Israeliten mit der Bundeslade auftauchen, aber der Jordan wird für die Israeliten überwindbar. 
Das ist, wie ich finde, ein schönes Bild, für das, was wir im kommenden Jahr vor uns haben. Wenn wir Gottes Gebote vor uns hertragen und wenn wir Gottes Liebe vor uns hertragen, dann lässt sich vieles überwinden, das unseren Weg durch das neue Jahr blockiert.

Vielleicht findet ihr ja einen Gegenstand, der für euch in diesem Jahr zur Bundeslade werden kann. Ein Gegenstand, der symbolisiert, dass ihr von Gott geliebt seid, dass ihr selber Liebe in euch tragt und diese gerne weitergeben möchtet, dass ihr in Frieden kommt und Frieden schaffen wollt und dass ihr bereit seid, die schönen neuen Räume, die ihr für euch erobert habt, mit anderen zu teilen damit auch sie etwas von der Freude abbekommen, die es macht, wenn man im gelobten Land wohnt.

Auf ins gelobte Land!

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