Tagesordnung



(Predigt am 20.01.2019 zu Römer 12, 9-21)

Ihr Lieben,
am Donnerstag hatten wir Kirchengemeinderatssitzung. Einige von euch haben vielleicht sogar die Tagesordnung dazu gesehen, denn die hing eine Woche lang in unserem Schaukasten aus, weil der erste Teil der Sitzung öffentlich war.

Für diejenigen, die keinen Blick in den Schaukasten geworfen haben, ist hier noch einmal die Tagesordnung der letzten Sitzung unseres Kirchengemeinderates (KGR):

Öffentlicher Teil
1.   Begrüßung und Andacht
2.   Feststellung der Beschlussfähigkeit und Wahrung der Ladungsfrist
3.   Feststellung der endgültigen Tagesordnung  
4.   Bericht der Pastorin

Nichtöffentlicher Teil
5.   Genehmigung des Protokolls der Sitzung vom 14.12.2018
6.   Friedhof
a.   Defizitausgleich durch die Kommune
7.   Bauangelegenheiten:
a.         Kirche: Sicherheitsüberprüfung, aktueller Stand
b.        Pastorat: Bescheid vom KKD über Teilfinanzierung der Innensanierung
8.   Gottesdienst:
a.   Festlegen der Uhrzeit für den Gottesdienst am Reformationstag
9.   Kirchenmusik:
a.   Rücklagenbildung
b.   Übertrag nicht verbrauchter Mittel
10.Leitbildworkshop: 
a.   Vorgeschlagener Termin 15.+16.03.2019
11.Vertrag Personalgestellung
12.Dankeskarten an Ehrenamtliche
13.Dank an Snakketafel für das Übersetzen der Weihnachtsgeschichte: In welcher Form?
14.Votivleuchter Kirche
a.   Standort
b.   Modell & Kostenrahmen
c.   Einwerbung von Spenden
15.Abendmahlspraxis
16.Dienstjubiläen
17.Kirchweihfest
18.Küster- und Lektorenplan
19.Besuche Ehe- und Geburtstagsjubiläen
20.Ein- und Austritte: 2 Eintritte
21.Themen für die nächsten Sitzungen
22.Verschiedenes 
23.Termin(e)  nächste Sitzung(en)
24.Ende/Uhrzeit

       
Das ist eine ziemlich typische Tagesordnung für unsere Sitzungen.

Paulus hat auch eine Tagesordnung zusammengestellt, und zwar für die Kirchengemeinde in Rom. Ich habe die Tagesordnungspunkte, die Paulus da aufführt, zusammengefasst und etwas anders aufgeteilt. So würde Paulus‘ Tagesordnung dann aussehen:

TOP 1 Ehrliche Liebe. 
TOP 2 Gegenseitige Wertschätzung
TOP 3 Christliche Lebensführung mit Begeisterung
TOP 4 Hoffnung:
      a. Hoffnung haben
      b. Dabei auch im Leiden standhaft bleiben
      c. beten
TOP 5 Hilfeleistung
TOP 6 Gastfreundschaft
TOP 7 Feindesliebe:
      a. Die Feinde segnen
      b. Auch den Feinden Gutes tun.
TOP 8 Mitgefühl
TOP 9 Zielsetzung Einigkeit
TOP 10 Eigene Fähigkeiten:
      a. Nicht überheblich werden, 
      b. Auf die Unbedeutenden einlassen.
      c. nicht auf die eigene Klugheit verlassen
TOP 11 Leben in Frieden
TOP 12 Gut und Böse
      a. Vom Bösen distanzieren und am Gutem festhalten.
      b. Gutes tun, auch wenn wir selbst Böses erfahren.
      c. keine Rache üben 
      d. Das Böse durch das Gute Besiegen

Das erste, was auffällt ist, dass Paulus wesentlich weniger Tagesordnungspunkte hat. Auch inhaltlich klingt das bei Paulus ganz anders als bei uns am Donnerstag. Ein Unterschied wie Tag und Nacht, oder?

Eigentlich sind diese beiden Tagesordnungen aber gar nicht so verschieden, denn die paulinische Tagesordnung ist die Grundlage für die Tagesordnungen, die wir zu den Kirchengemeinderatssitzungen aufstellen.

Ich will euch das mal an ein paar Tagesordnungspunkten zeigen:

TOP 6 Friedhof: Wenn es um den Friedhof geht, auch um dessen Finanzen, dann versuchen wir, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, mit den Weinenden zu weinen, wie Paulus es formuliert. Wir schaffen die Voraussetzungen, damit wir würdig von unseren Verstorbenen Abschied nehmen und ihrer gedenken können. Zum Tagesordnungspunkt „Mitgefühl“ (TOP 8 bei Paulus), wie ich ihn genannt habe, würden übrigens alle Arten von Amtshandlungen passen: Taufen, Trauungen, Beerdigungen, Konfirmationen, das feiern von Dienstjubiläen, Amtseinführungen und so weiter.

TOP 9Kirchenmusik: Die Kirchenmusik ist Ausdruck unserer Gastfreundlichkeit. Wir möchten den Menschen, die uns hier besuchen, etwas Gutes tun und Musik tut meistens gut.
TOP 12 und 13, bei denen es um den Dank geht, haben mit der von Paulus unter TOP 2 erwähnten gegenseitigen Wertschätzung zu tun.

Auch die übrigen Tagesordnungspunkte unserer Kirchengemeinderatssitzung haben ihre Grundlage in der Tagesordnung, die Paulus erstellt hat. Wobei ich anmerken muss, dass im Grunde nicht Paulus diese Tagesordnung erstellt, sondern Gott. Paulus hat nur die Einladungen verschickt.

Unsere Tagesordnung ist lediglich dazu da, Gottes Tagesordnung praktisch umzusetzen – mit unsere Fähigkeiten, Begabungen und dem, was uns als Kirchengemeinde ausmacht. Das betrifft auch den unbeliebten Punkt Finanzen (der tatsächlich auf dieser Tagesordnung fehlte, weil es dazu nichts Aktuelles zu bearbeiten gab). Die Finanzen versetzen uns nämlich in die Lage, als Kirchengemeinde all diese Angebote zu machen, die dafür sorgen, 
dass denen geholfen werden kann, die in Not sind, 
dass wir ein friedliches Miteinander leben, 
dass wir mit Spaß und Begeisterung dabei sind, 
oder dass es hier Menschen gibt, die für andere da sein können, um mit ihnen zu weinen oder zu lachen.

Wir dürfen die göttliche Tagesordnung nur nicht aus dem Blick verlieren, denn dann befassen wir uns mit den Finanzen nur um der Finanzen willen und nicht mehr damit, anderen etwas Gutes zu tun. Vielleicht sollten wir uns, damit das nicht passiert, vor jeder KGR Sitzung vergegenwärtigen, was die eigentliche Tagesordnung ist und warum wir das tun, was wir tun. Warum wir die Beschlüsse fassen, die wir fassen. Vielleicht sollten wir uns vor jeder Sitzung vergegenwärtigen, wie die eigentliche Tagesordnung aussieht, auf der unsere jeweilige Tagesordnung aufbaut.
Außerdem denke ich, dass das etwas ist, das wir nicht nur einmal im Monat und vor jeder KGR Sitzung tun sollten. Das Ding heißt schließlich nicht MONATSordnung sondern TAGESordnung.

Eine Tagesordnung wird eigentlich definiert als eine Liste von Themen, die während eines Gesprächs behandelt werden sollen. Die Liste soll das Gespräch gliedern. Das kann natürlich einmal im Monat stattfinden. Oder einmal im Jahr. Oder zu einem anderen festgesetzten Terminen.

Wenn ich das Wort „Tagesordnung“ aber wörtlich nehme, dann würde das heißen, dass das eine Liste von Themen ist, die an einem Tag behandelt werden sollen und die den Tag ordnen. Tagesordnungspunkte wären damit täglich umzusetzen. Wobei ich zugeben muss, dass das schon ein sehr hoher Anspruch ist, wenn wir dabei die Tagesordnung von Paulus im Hinterkopf haben. Ich glaube, wenn wir realistisch sind, dann werden wir einsehen müssen, dass wir das alles nicht an einem Tag zu hundert Prozent umsetzen können. 

Aber es ist machbar, wenn wir uns pro Tag auf einen Tagesordnungspunkt konzentrieren. Das ist durchaus zu schaffen. Außerdem wird des den Tag besonders machen, wenn ich mir morgens schon vornehme, die Augen offen zu halten nach Menschen, die in Not sind und ihnen zu helfen. Mein Tag wird ganz anders verlaufen, wenn ich mir morgens schon überlege, wen ich eigentlich gar nicht mag, wer mich gerade mal wieder hochgradig geärgert hat, und dieser Person heute einmal etwas Gutes zu tun, vielleicht eine kleine Aufmerksamkeit zukommen zu lassen oder ein nettes Wort. Mein Tag wird heller sein, wenn ich mir vornehme, bei dem, was böse ist, nicht mitzumachen oder jeder bösen Tat, die ich wahrnehme eine eigene gute Tat entgegen zu setzen. An einem anderen Tag kann ich versuchen, die Menschen, die mir begegnen, mehr wert zu schätzen, als ich es sonst schon tue. Ich kann mir vornehmen, mich nicht zu streiten. Das funktioniert übrigens sehr gut. Hab‘ ich schon ausprobiert. 
Ich kann also jeden Tag unter ein bestimmtes Motto stellen. Ich kann dem Tag einen Impuls geben. Und er wird damit garantiert besser!

Wenn wir unsere Tage so leben, dann werden das Tage, die mit Sinn erfüllt sind. Das werden Tage, an denen wir uns weniger ärgern, an denen wir weniger frustriert sind, an denen wir uns mehr freuen, an denen wir selber ausgeglichener und gelassener sind.

Und wenn wir alle das tun, ihr also auch, dann bleibt es auch nicht mehr nur am Kirchengemeinderat und der Pastorin hängen, diese Tagesordnung abzuarbeiten. Es sind dann alle mit dabei und genau so soll es ja auch sein. Das beugt der Überforderung einiger Weniger vor und außerdem sind wir alle die Kirche, nicht nur der Kirchengemeinderat und die Pastorin.

Um das festzunageln, würde ich heute morgen gerne mit euch einen Beschluss fassen.

Die Beschlussvorlage dazu sieht wie folgt aus:
Die heute hier versammelte Gottesdienstgemeinde beschließt, die von Paulus vorgelegte Tagesordnung anzunehmen und nach besten Kräften umzusetzen.

Wer dafür ist, den bitte ich ums Handzeichen.
Gegenstimmen?
Enthaltungen?

Der Beschluss ergeht einstimmig.*



*Den Beschluss haben wir tatsächlich im Gottesdienst gefasst und er war wirklich einstimmig!

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