Leine festhalten!



(Kleiner Hinweis zum Bild: Hierbei handelt es sich um eine Arbeitsleine der Feuerwehr. Diese Arbeitsleine war einmal eine Feuerwehrleine und damit eine Rettungsleine. Sie wurde aber irgendwann aufgrund von Mängeln, die beim Gebrauch entstanden sind, aussortiert, weil die Sicherheit mit einer beschädigten Leine nicht mehr gewährleistet ist.)



Predigt am 13.10.201b  zu  Josua 2, 1-21

Ihr Lieben,

Rahab rettet zwei Kundschaftern mit einem Seil das Leben. Mit diesem Seil soll am Ende auch ihr Leben und das ihrer Familie gerettet werden. So erzählt es die Geschichte im Josuabuch, die wir vorhin gehört haben

Das, was mir dazu sofort einfiel, sind die Leinen, die wir bei der Feuerwehr benutzen und vor allem, wofür wir sie benutzen. Ich möchte euch heute mal ein bisschen von der Atemschutzausbildung erzählen, die ich gerade mache, denn das, was wir da lernen, hat mit Rettung zu tun, aber auch mit Vertrauen. Und mit Leinen. Also mit den Dingen, um die es auch in der Bibelgeschichte geht.

Am Dienstag haben wir geübt, eine vermisste Person zu finden. Das Übungszenario sah so aus: Ein Feuer gibt es nicht, aber es sind unbekannte Gase oder Dämpfe ausgetreten. Die Sicht ist gleich null. In irgendeinem der Räume liegt die vermisste Person, die wir finden und retten sollten. 

Wir hatten Atemschutzgeräte auf, weil niemand weiß, ob die Gase oder Dämpfe giftig sind. Um die Sichtverhältnisse zu simulieren, bekamen wir unsere Masken abgeklebt. Wir konnten so gerade noch hell und dunkel unterscheiden, aber sehen konnten wir nichts mehr.

Was jetzt überlebensnotwenig ist, ist die Leine! Die wird draußen festgemacht, bevor sich der Rettungstrupp ins Gebäude begibt und wird auf dem ganzen Weg mitgeführt. (Ein Trupp bei der Feuerwehr besteht übrigens aus mindestens zwei Personen.) Die Leine sorgt dafür, dass die Feuerwehrleute wieder zurückfinden. 
Auf dem Boden kriechend und tastend arbeiteten wir uns durch das Gebäude, immer darauf achtend, uns nicht zu verlieren und vor allem in Kontakt mit der Leine zu bleiben. Als Hilfe zum Absuchen der Räumlichkeiten benutzten wir eine Axt, die sozusagen als Verlängerung des eigenen Arms diente. 

Irgendwann bekamen wir die per Funk die Nachricht, dass die vermisste Person (in diesem Fall eine 70 Kilo schwere Stoffpuppe, gefüllt mit Sand, oder Erbsen, oder ähnlichem) von einem anderen Trupp, der sich vorher auf den Weg gemacht hatte, bereits gefunden worden war. Wir konnten zurückkommen. Und soll ich euch was sagen: Ohne die Leine hätten wir den Rückweg wirklich nicht gefunden. Keine Chance! 

Ich kannte das Gebäude nicht und hatte nach kurzer Zeit ohnehin jegliche Orientierung verloren. Ich wusste überhaupt nicht mehr, wo wir wann durch welche Türen gekommen waren, geschweigen denn, wo es zum Ausgang ging. Aber wir hatten ja die Leine, an der entlang wir uns zurück zum Ausgang bewegen konnten.

In einem echten Feuerwehreinsatz kann solch eine Leine den Feuerwehrleuten das Leben retten. Und nicht nur denen. Auch das Leben der Person oder Personen, die gerettet werden sollen, hängt an dieser Leine. Ein Schlauch erfüllt übrigens dieselbe Funktion. Wenn es brennt, haben die Feuerwehleute einen Schlauch dabei, der ihnen hilft, den Rückweg zu finden.

Eine Leine (oder ein Schlauch) reicht aber nicht aus, um jemanden retten zu können. Was auch ganz wichtig ist bei einem Rettungseinsatz, ist Vertrauen. Die Feuerwehrleute müssen darauf vertrauen können, dass der Partner oder die Partnerin hilft, wenn es nötig ist und dass der Partner oder die Partnerin einen nicht alleine lässt. Es sind schon Feuerwehleute gestorben, weil sie den Kontakt zum Schlauch und oder den Kontakt zum Partner / zur Partnerin verloren haben und alleine nicht mehr aus einem brennenden Gebäude herausgefunden haben.

Genau dasselbe habe ich aus Bibelgeschichte über Rahab und die Kundschafter herausgelesen: dass nicht nur ein Seil wichtig ist, wenn es um Rettung geht, sondern ganz besonders das Vertrauen. Die Kundschafter müssen darauf vertrauen können, dass Rahab ihnen hilft und sie nicht verrät, obwohl sie keine Israelitin ist. Eigentlich hätte Rahab keinen Grund, den Kundschaftern zu helfen, denn schließlich werden ihre Erkundigungen dazu führen, dass die Israeliten im Land und in der Stadt Jericho einfallen, in der Rahab wohnt. Rahab gehört im Grunde zu den Feinden. Da muss das Vertrauen in diese Frau schon sehr groß sein.
Aber auch Rahab braucht großes Vertrauen. Sie muss den Kundschaftern vertrauen können, dass die Wort halten und dafür sorgen, dass sie und ihre Familie gerettet werden, wenn die Israeliten die Stadt Jericho einnehmen.  

An dieser Stelle möchte ich kurz einschieben, dass diese Bibelgeschichte niemals eine Rechtfertigung für eine gewaltsame Eroberung von Land sein kann! Ja, die Israeliten verstehen sich, laut Bibel, als Gottes erwähltes Volk. Und ja: Gott hat, laut Bibel, seinem Volk Land versprochen, auf dem sie sich niederlassen können. Aber dass Gott eine gewaltsame Eroberung nicht nur billigt, sondern sogar fördert, passt hinten und vorne nicht mit meinem Gottesbild zusammen. Ich glaube an einen Gott, der alle Menschen gleichermaßen liebt und nicht wollen kann, dass bestimmte Völker Schaden erleiden. Es ist wichtig zu sehen, dass die Erzählungen im Josuabuch lediglich beschreiben, wie es aus Sicht der Menschen damals dazu gekommen ist, dass sie sesshaft wurden. So haben sie sich den Übergang vom Nomadentum zur Sesshaftigkeit vorgestellt.

Aber zurück zur Geschichte: Wir haben festgestellt, dass eine Rettungsleine durchaus hilfreich sein kann. Und wir haben festgestellt, dass gegenseitiges Vertrauen ganz wichtig ist.

Da spielt aber noch eine dritte Komponente eine Rolle: Das Vertrauen zu Gott ist nämlich auch ganz wichtig. Rahab ist keine Israelitin, aber trotzdem hat sie Vertrauen zu dem Gott der Israeliten. Ohne dieses Vertrauen wäre keine Rettung möglich. Weder für Rahab noch für die Kundschafter, denn ohne dieses Vertrauen hätte Rahab die Kundschafter gar nicht erst ins Haus gelassen, da bin ich mir sicher. Ich glaube sogar, dass das gegenseitige Vertrauen der Menschen ohne das Vertrauen in eine leitende, lenkende und sogar liebende Kraft gar nicht möglich wäre.

Bei der Feuerwehr ist das auch so. Da muss ich nicht nur Vertrauen zu meinem Partner oder meiner Partnerin haben. Da muss ich zu allererst einmal Vertrauen in den Einsatzleiter oder der Einsatzleiterin haben. Die Einsatzleitung hat schließlich den Überblick über die ganze Situation und kann einen Sicherheitstrupp hinterherschicken, wenn der erste Trupp in Gefahr gerät und alleine nicht mehr zurückkommen kann. So ein Sicherheitstrupp nutzt übrigens dieselbe Leine, mit der der erste Trupp losgelaufen ist. So können sie die Feuerwehrleute in Not nämlich finden.

In unserem Leben hat Gott die Einsatzleitung. Gott ist die leitende und lenkende Kraft und zusätzlich spielt Gottes Liebe für uns Menschen natürlich auch eine große Rolle. Gott hat den Überblick und schickt im Notfall den Sicherheitstrupp los, um uns zu suchen und zurückzubringen, wenn wir den Weg zurück selber nicht mehr finden und in Gefahr sind. Und ich muss darauf vertrauen, dass Gott auch wirklich weiß, was los ist und wo ich zu finden bin.

Die Frage ist jetzt, wo dieses Vertrauen herkommt. Und auch da habe ich bei der Feuerwehr viel gelernt. Ich habe gelernt, dass man Vertrauen nicht auswendig lernen kann, wie zum Beispiel die Handgriffe beim Anlegen einer Atemschutzausrüstung. Unsere Ausbilder können uns zwar zeigen, wie wir, ohne etwas zu sehen, einen Raum absuchen. Aber sie können uns nicht zeigen, wie Vertrauen geht. Zumindest nicht in der Theorie. In der Praxis schon. 

Das Vertrauen kommt nämlich, wenn ich mich immer wieder auf entsprechende Situationen einlasse und positive Erfahrungen mache. Wenn ich immer wieder erfahre, dass meine Kameradin mir hilft und mich im Einsatz nicht alleine lässt, dann baut sich Vertrauen auf. Wenn ich immer wieder erfahre, dass mein Einsatzleiter einen Trupp losschickt, um mich zu suchen, wenn die Funkverbindung abgerissen ist, dann baut sich Vertrauen auf.

Genauso ist das in unseren Beziehungen zu anderen Menschen und in unserer Beziehung zu Gott. Wir müssen uns auf Situationen einlassen, die vielleicht erstmal schwierig und anstrengend sind, die aber am Ende eine Menge Vertrauen schaffen. Und dieses Vertrauen ist, wie wir ja nun aus der Bibelgeschichte und aus der Feuerwehrgeschichte wissen, lebensrettend.

So, und was ist nun mit der Leine? Dass die Feuerwehr sie dringend braucht, wissen wir ja jetzt. Aber man kann die Feuerwehrleine auch gut im übertragenen Sinn sehen. Die Leine steht für unsere Verbindung zu Gott. Und die darf nie abreißen. Wir dürfen nie den Kontakt verlieren, denn sonst finden wir unseren Weg nicht zurück zu Gott, wenn wir auf Abwege geraten oder in Not sind. Es passiert ja schonmal, dass wir in Glaubensdingen anfangen zu zweifeln. Oder wir entfernen uns von Gott, weil wir als Menschen scheitern. Und wenn dann den Kontakt verloren haben, kann Gott uns keinen Sicherheitstrupp hinterherschicken, der uns wieder zu ihm zurückbringt. Denn der findet uns dann gar nicht. Also: immer schön die Leine festhalten!

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