Verschwendung? Ja gerne!


Predigt am 05.04.2020 zu Markus 14, 1-9


Ihr Lieben,

erinnert ihr euch noch an das Lutherjahr? Das war 2017. Da wurde in unserer Landeskirche ganz groß gefeiert, dass Martin Luther 500 Jahre vorher die Reformation losgetreten hatte. 

Als Teil der Feierlichkeiten segelte das Nordkirchenschiff, die Artemis, von Kirchenkreis zu Kirchenkreis. Ja, es ist tatsächlich so: Jeder unserer Kirchenkreise hat einen Hafen. 
Ich muss zugeben, dass ich damals nicht so wirklich begeistert von dieser Aktion war und ihr sogar recht kritisch gegenüberstand. Ich dachte mir, dass das ja ein ziemlich großer Aufwand sei und auch eine Menge Geld kostete. Ich war der Ansicht, dass die Kirche lieber ein Schiff ins Mittelmeer hätte schicken sollen, um dort in Seenot geratene Flüchtlinge aufzufischen, anstatt für viel Geld und mit viel Aufwand diese Segeltour samt aller Feierlichkeiten stattfinden zu lassen. Das Lutherjahr hat viele Kirchengemeinden ein Menge Geld gekostet. Und das nur, um zu sagen: Seht her, vor 500 Jahren hat Martin Luther die Reformation der Kirche angezettelt. Das dafür verwendete Geld und die dafür aufgebrachte Energie hätte man ja auch in die Flüchtlingshilfe stecken können.

Ihr seht: Ich bin auch eine von denen, die sofort losmeckern kann, wenn irgendwo was „verschwendet“ wird, das eigentlich besser den Armen und Bedürftigen zukommen sollte. Ich verhalte mich gerne wie diejenigen, die im Haus von Simon dem Aussätzigen zusammengekommen sind und die die Frau kritisieren, die Jesus da mit sauteurem Öl salbt. Lieber das Öl verkaufen und mit dem Geld die Armen versorgen, finden sie.
Kleine Anmerkung am Rande: Interessanterweise wird nicht gesagt, wer genau die Meckerer sind. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich um die Jünger von Jesus handelt, die ja ziemlich oft nicht verstehen, worum es wirklich geht. In diesem Fall verstehen sie nicht, dass das Salben der Frau schon eine vorweggenommene Totensalbung ist, weil Jesus ja sterben wird. Was diese Frau tut, so sagt es Jesus ja selbst, ist Teil des Bestattungsritus. Die Jünger haben es vermutlich nicht als Totensalbung gesehen, sondern einfach als eine Form, Jesus Ehre und Wertschätzung entgegen zu bringen. Jesus aber gibt dem eine ganz andere Bedeutung, weil er ja weiß, dass sein Tod kurz bevorsteht.

Von dieser „versteckten“ Bedeutung mal abgesehen kann ich die Meckerer gut verstehen. Auch ich wäre eher dafür, das teure Salböl zu verkaufen und das Geld den Armen zu geben. Vor allem, wenn wir uns mal anschauen, was Jesus vorher schon alles von sich gegeben hat. In Kapitel 10 des Markusevangeliums wird berichtet, dass Jesus zu einem reichen Mann, der ins Himmelreich will, sagt: Verkaufe alles, was du hast, und gib das Geld den Armen. (Markus 10, 21)
Und jetzt auf einmal ist es eine so schlechte Idee, das teure Salböl zu verkaufen und das Geld den Armen zu geben? Weiß der eigentlich, was er will? Wäre ich zusammen mit Jesus im Haus von Simon dem Aussätzigen gewesen und hätte das mitgekriegt: Also ich wäre total verwirrt gewesen.

So, ich habe mich jetzt also ge-outet: Ich gehöre zu den Meckerern, wenn es um Verschwendung geht. Aber nicht immer! 
Da schlagen eigentlich zwei Herzen in meiner Brust, um das mal so zu formulieren. Ich kann auch gut die Position von Jesus einnehmen, der die Verschwendung ziemlich klasse findet und ein bisschen angenervt ist von der Meckerei der anderen.

Mich nervt solche Meckerei auch bisweilen. Da tut jemand einem anderen Menschen etwas Gutes und dann gibt es welche, die daraufhin erstmal rumnölen müssen. Nehmt die Balkonklatscher zum Beispiel:
Menschen stehen derzeit abends auf ihren Balkonen (oder woanders) und klatschen für diejenigen, die sich in der Corona Krise voll reinhängen: Ärztinnen und Krankenpfleger zum Beispiel. 
Und dann sind da auch gleich diejenigen, die was zu meckern haben: Wissen die nichts Besseres mit ihrer Zeit anzufangen? Und außerdem brauchen Krankenpflegerinnen und -pfleger keinen Applaus, sondern bessere Bezahlung!
Ich denke dann immer: Ach haltet doch mal die Klappe und freut euch einfach, dass solcher Einsatz von den Menschen wertgeschätzt wird!

Ihr seht: Es schlagen tatsächlich zwei Herzen in meiner Brust. Manchmal bin ich ein Meckerer und manchmal bin ich auch Jesus. 😉

Schön ist es am Ende natürlich, wenn beides geht: Wenn wir verschwenderisch sein dürfen UND gleichzeitig den Armen und Bedürftigen helfen.

Denn so wichtig es auch ist, den Bedürftigen zu helfen, Verschwendung darf ebenfalls gerne sein. Hier wird ja nicht sinnlos verschwendet.
Was die Frau da mit ihrer Salbung tut, ist im Grunde nicht das Verschwenden von Salböl, sondern sie verschwendet ganz viel Liebe. Sie salbt Jesus doch nur, weil sie ihm ganz viel Liebe entgegenbringt. 

Nichts anderes war die Aktion unserer Landeskirche mit dem Nordkirchenschiff: Diese Kirche ist voll von Menschen, die ihren Glauben lieben, die ihre Nächsten lieben, die ihren Gott lieben und die die Gemeinschaft lieben. Die Segeltour des Nordkirchenschiffs hat genau das zum Ausdruck gebracht. Und wenn es um Liebe geht, dann darf man ruhig auch mal verschwenderisch sein, finde ich.
So, und was ist jetzt mit den Bedürftigen? Was ist mit den Flüchtlingen im Mittelmeer, die immer wieder in Seenot geraten?
Das Schöne an der ganzen Sache ist, dass hier tatsächlich beides geht und auch gemacht wird: Die Kirche lebt verschwenderisch UND sie hilft den Bedürftigen. Es soll ja inzwischen ein Seennottrettungsschiff entsendet werden, um den Flüchtlingen zu helfen und die EKD sammelt zu diesem Zweck schon fleißig Spenden. In der Corona Krise ist die Aktion nur ein bisschen in den Hintergrund getreten.

Beides hat also seine Berechtigung: Das Verschwenden und auch das helfen. Übrigens richten sich auch beide, die salbende Frau UND die knauserigen Jünger, nach der jüdischen Tradition. Die Pflicht der Jüdinnen und Juden vor dem Passahfest war es, den Armen Geld zu geben. Die Pflicht der Jüdinnen und Juden war es aber ebenfalls, gute Werke zu tun. Und das konnte ganz unterschiedlich aussehen: Gefangene freikaufen, an einer Hochzeitsfeier teilnehmen oder einen Verstorbenen bestatten. Wie gesagt: Beides ist gefordert nach der jüdischen Tradition. Nur dass die Jünger sich um die Armen kümmern und die Frau sich um die Bestattung - wenn auch etwas verfrüht, denn Jesus lebt ja noch.

Es darf also beides sein und es muss sogar beides sein: Verschwendung und Hilfe.

Worauf es am Ende ankommt, ist vielleicht einfach nur zu erkennen, was wann dran ist. Es gibt da diesen schönen Bibelvers aus dem Buch des Predigers Salomo (Kapitel 3, Vers 1), der da lautet: Alles hat seine Zeit.

Demnach hat das Verschwenden von Liebe seine Zeit, aber das Helfen von Bedürftigen hat auch seine Zeit. Wir haben nun die schwere Aufgabe, rauszufinden, wann es Zeit für Verschwendung ist und wann die Hilfe dran ist. 
Ich glaube, dieser Bibeltext aus dem Markusevangelium ist nicht nur eine Ankündigung, dass Jesus sterben muss. Er sagt uns auch: Helft den bedürftigen, aber vergesst darüber nicht, auch mit den Zeichen eurer Liebe verschwenderisch zu sein. Wir müssen, wie gesagt, nur rausfinden, was wann dran ist. das ist unsere Aufgabe.

Okay, und eigentlich haben wir noch eine schwere Aufgabe. Die zweite schwere Aufgabe ist, nicht immer gleich loszumeckern, wenn irgendwo irgendjemandem etwas Gutes getan wird.

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