Hohe Erwartungen

 


Predigt am 13.12.2020 zu Lukas 1, 67-79


Ihr Lieben,

hatten oder haben eure Eltern Pläne für euch? Hatten oder haben eure Eltern Vorstellungen, welchen Beruf ihr ergreift und wie eurer Leben aussehen soll?

 

Wenn ja: Seid ihr diesen Vorstellungen gerecht geworden? Könnt ihr euch vorstellen, dass ihr diesen Vorstellungen gerecht werdet?

 

Oder habt ihr einen ganz anderen Weg eingeschlagen? Gibt es Enttäuschungen? Oder Zustimmung und Einverständnis? Vielleicht sogar Stolz?

 

Ich frage deshalb, weil Zacharias ganz offensichtlich eine genaue Vorstellung von dem hat, was aus seinem Sohn Johannes einmal werden soll:

 

„(…) du, Kind, wirst ein Prophet des Höchsten genannt werden.

Du wirst dem Herrn vorangehen und die Wege für ihn bereit machen“, sagt Zacharias. Mit dem „Herrn“ ist Jesus gemeint, mit dem Maria inzwischen schon schwanger ist. Jesus ist „das Licht aus der Höhe, das denen leuchtet, die im Dunkel und im Schatten des Todes leben und unsere Füße auf den Weg des Friedens lenkt.“

Dem soll Johannes als Johannes der Täufer den Weg bereiten.

 

Das ist schon eine große Erwartung, die ein Vater da für seinen Sohn hat. Ein Sohn, der gerade erst auf die Welt gekommen ist wohlgemerkt, und den es im Augenblick nur interessiert, ausreichend zu essen und zu schlafen und garantiert nicht, sich um seine Karriere zu kümmern.

 

Jetzt stellt sich die Frage: Was hat das mit uns zu tun? 

Außer dass dies eine nette Geschichte ist, die schon ein bisschen in Richtung Weihnachten führt.

Und außer der Tatsache, dass auch wir vielleicht Eltern haben oder hatten, die uns mit hohen Erwartungen konfrontieren und die möglicherweise schon einen ganzen Lebensplan für uns ausgearbeitet haben.

 

Mein Vater zum Beispiel hätte gerne gesehen, wenn ich Ärztin oder Anwältin geworden wäre. Das sind ja auch tolle Berufe, die nicht nur meine Existenz gesichert hätten, sondern mit denen ich noch etwas richtig Gutes hätte bewirken können: Menschen gesund machen oder für Gerechtigkeit sorgen.

 

Damit wäre ich dann tatsächlich ein bisschen in die Fußstapfen von Johannes dem Täufer getreten, denn auch ich hätte auf diese Weise dem Licht den Weg bereitet. So‘n bisschen jedenfalls.

Aber: Mein Schulabschluss war zu schlecht. Der Abi-Durchschnitt hätte leider weder für ein Medizinstudium gereicht noch für Jura. Immerhin hat es für Theologie gereicht ;-)

 

Dann gibt es natürlich auch Eltern, die keine bestimmten Erwartungen an ihre Kinder haben. Aber sie haben trotzdem Einfluss. So kommt es durchaus vor, dass eine Tochter aus einem Pastorenhaushalt selbst Pastorin wird. Oder der Sohn eines Fleischers macht selbst eine Fleischerlehre, weil er das Handwerk durch den Vater schon kennengelernt hat.

 

Und manchmal, wenn die Eltern weder Erwartungen haben noch Einfluss ausüben, dann erledigt das die Gesellschaft, in der wir leben.

Die sagt uns nämlich ganz oft, wie wir zu sein haben und was wir zu leisten haben. Wir leben in einer Gesellschaft, die uns oft vermittelt, dass wir so, wie wir sind, nicht genug sind. Dass das, was wir tun, nicht genug ist.

 

Aber: Die Gesellschaft hat uns gar nichts zu sagen. Unsere Eltern haben uns natürlich schon etwas zu sagen, aber die Entscheidung, was wir aus unserem Leben machen, sollte trotzdem unsere eigene sein. 

 

Wer uns aber letzten Endes wirklich etwas zu sagen hat, ist Gott - unser drittes Elternteil. Und Gott stellt durchaus hohe Erwartungen an uns. So wie Zacharias an Johannes. Ich hatte ja schon erwähnt, dass ich als Ärztin oder als Anwältin durchaus in die Fußstapfen eines Johannes hätte treten können.

Als Pastorin sind die Voraussetzungen dafür natürlich auch ganz gut. Als Krankenpfleger, Polizistin und Geburtshelfer genauso. Ich könnte an dieser Stelle jetzt alle (für Gott!) systemrelevanten Berufe aufzählen, lasse das aber, weil ich davon ausgehe, dass ihr wisst, was ich sagen will.

 

Das bedeutet aber nicht, dass der Tierpfleger im Zoo oder die Verkäuferin in der Porzellanabteilung eines Kaufhauses raus sind aus der Nummer. Gott hat dieselben Erwartungen an jede und jeden von uns. Und ja: Die Erwartungen sind hoch, aber sie sind erfüllbar. Weil wir genug sind, so wie wir sind.

 

Gott möchte, dass wir dem Licht den Weg bereiten. Dass wir Jesus Christus den Weg bereiten, wie Johannes es getan hat. Und wir können das. Egal wer wir sind, egal wie unser Leben sich entwickelt hat.

 

Denn alles hängt davon ab, wie wir miteinander umgehen, wie ich mit anderen Menschen umgehe. Auch als Verkäuferin in der Porzellanabteilung kann ich dem Licht den Weg bereiten, wenn ich ein freundliches Wort und ein Lächeln für die Kundinnen und Kunden übrighabe. Auch als Tierpfleger im Zoo kann ich dem Licht den Weg bereiten, indem ich mich dafür einsetze, dass Tiere nicht gequält, sondern vernünftig behandelt werden. Als Bürokaufmann kann ich dem Licht den Weg bereiten, indem ich liebevoll mit meiner Frau oder meinem Mann umgehe. 

Als Taxifahrerin kann ich dem Licht den Weg bereiten, indem ich meinen Kindern beibringe, kritisch, aber trotzdem offen zu sein. Als Schüler oder Schülerin kann ich dem Licht den Weg bereiten, indem ich für andere einstehe. Als Kindergartenkind kann ich dem Licht den Weg bereiten, indem ich andere ohne Vorbehalte liebhabe.

 

Wir brauchen dafür nur das Bewusstsein, dass das, was wir sind und was wir tun, nicht nur genug, sondern sogar wichtig ist.

 

Ich bin neulich in meinem „Vertellis“ Tagebuch über ein schönes Zitat gestolpert: „Was ich heute mache, ist wichtig, denn ich gebe dafür einen Tag meines Lebens.“

 

Dieser Satz drückt so wunderbar aus, dass es völlig egal ist, ob ich Fensterputzer bin oder Bundeskanzlerin, oder Täufer oder Messias. Wichtig ist, dass das Licht in die Welt kommt! Und diesem Licht, das unsere Füße auf den Weg des Friedens lenkt, den Weg zu bereiten, dazu haben wir jeden Tag wieder Gelegenheit - 

egal, woher wir kommen, 

egal, wer wir sind, 

egal, was wir gelernt oder auch nicht gelernt haben.

 

Deshalb würde ich mich freuen, wenn ihr diese beiden Sätze mitnehmt:

 

Was ich heute mache, ist wichtig, denn ich gebe dafür einen Tag meines Lebens.

Was ich heute mache, ist wichtig, denn ich bereite damit den Weg für das Licht.

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