Let‘s talk about sex!


(Predigt vom 22.07.2018 zu 1. Kor. 6, 9-14.18-20)


Ihr Lieben,


das erste, was mir zu dem Predigttext einfiel, war ein Lied der amerikanischen Hiphop Band Salt ’n‘ Pepa aus dem Jahr 1991:

(Die Pastorin singt)


Let's talk about sex, baby
Let's talk about you and me
Let's talk about all the good things
And the bad things that may be
Let's talk about sex
Let's talk about sex
Let's talk about sex
Let's talk about sex

 

Lasst uns also über Sex reden.


Paulus hat das ja auch schon gemacht, wie wir vorhin gehört haben, als ich seine Zeilen an die Gemeinde in Korinth vorgelesen habe.

Er spricht da von verbotenen sexuellen Beziehungen, Ehebruch, von Männern, die sich wie Frauen verhalten, Männern, die mit Männern schlafen. In seinen Augen tun sie Unrecht, genau wie Diebe, Habgierige und Säufer, Lügner und Räuber. Seiner Meinung nach werden sie alle keinen Anteil am Reich Gottes haben. Wer aber ins Reich Gottes will, muss reingewaschen werden von diesen Sünden.

 

Unser Leib ist nicht für verbotene sexuelle Beziehungen da, sondern für den Herrn. Hütet euch vor verbotenen sexuellen Beziehungen, sagt Paulus.

 

Ich möchte jetzt auch mal über Sex sprechen. Und über Gott. Und damit als allererstes etwas klarstellen, das mir sehr wichtig ist:

Es gibt Homosexuelle, Bisexuelle, Transsexuelle, Crossdresser, und die Menschen die als „queer“ bezeichnet werden (also diejenigen, die sonst in irgendeiner Form von der Norm abweichen).*

 Sie alle sind weder krank, noch haben sie eine falsche Entscheidung getroffen, noch sind sie mehr oder weniger sündig als der heterosexuelle Rest! Sie tun kein Unrecht! Sie haben genauso große oder kleine Chancen, ins Reich Gottes zu kommen, wie der heterosexuelle Rest! Gott liebt diese 

ganze bunte Mischung aus uns Menschen, mit allem, was dabei ist und genau so wie wir sind: Homos, Heteros, Transen, Bisexuelle, Crossdresser, und alles, was sonst noch seltsam, suspekt, sonderbar oder eigenartig ist!!!

 

Und wenn wir hier schon über Sex reden, dann möchte ich unbedingt noch loswerden, dass es oft gar nicht um das Thema Sex, also die körperliche Liebe, geht. Erstmal geht es nämlich um die Beziehung zwischen den Menschen. Und das Gefühl, das da vorherrscht: Zuneigung, Liebe. Dass das dann irgendwann mit Sex endet, wenn Menschen sich lieben, ist ganz oft ja nur die Folge. Und macht total viel Sinn, denn was gibt es schöneres, als sich auch körperlich nahe zu sein, wenn man sich seelisch schon so nahe ist?!

 

Paulus schreibt doch selbst: Unser Leib ist für den Herrn da. Und ich frage: Was gibt es dann Schöneres, als Gott mit unseren Körpern zu zeigen, wieviel Liebe in uns Menschen steckt?! Was gibt es schöneres, als Gott zu zeigen, zu wieviel Gefühl diese Körper fähig sind, mit denen Gott uns ausgestattet hat?!

 

So, kommen wir nun aber nochmal zu Paulus. Auch wenn ich in einigen Dingen überhaupt nicht seiner Meinung bin, muss ich ihn an dieser Stelle bei aller Kritik auch verteidigen.


Versucht euch mal vorzustellen, wie es Menschen aus einem arabischen, afrikanischen oder asiatischen Land hier bei uns in Deutschland geht, die ganz andere Wertvorstellungen, ganz andere Moralvorstellungen haben als wir. Stellt euch mal solch eine Familie vor, wie sie an der Bushaltestelle steht (natürlich auf dem Festland, auf Helgoland gibt’s keine Bushaltestellen) und sieht wie neben ihnen ein Pärchen wild miteinander rumknutscht. Die kriegen die Krise! Ist ja auch kein Wunder, denn da wo sie herkommen, macht man sowas einfach nicht. Unsereiner würde vermutlich einfach lächelnd daran vorbeigehen und sich darüber freuen, dass sich da zwei so liebhaben. Für Menschen, die aus einem ganzen anderen Kulturkreis kommen, ist das eine echte Anfechtung.

 

Genauso müsst ihr euch das mit Paulus vorstellen. Paulus war Jude und lebte innerhalb der strengen jüdischen Vorschriften. Er war die Freizügigkeit, die er in Korinth vorfand, nicht gewohnt und er war entsprechend irritiert. Das erklärt, dass er so reagiert, wie er reagiert. Das erklärt, warum er, aus meiner Sicht heute, überreagiert. 


Ihr merkt, ich bin nicht so ganz d‘acord, mit dem, was Paulus schreibt. Aber es gibt etwas, bei dem ich ihm hundertprozentig Recht gebe. Das ist diese Aussage: 

»Ich darf alles!« –

Aber das heißt nicht, dass auch alles gut für mich ist.

»Ich darf alles!« –

Aber das bedeutet nicht, dass ich mich von irgendetwas beherrschen

lasse.

 

Paulus warnt hier vor einem falschen Freiheitsdenken. Er warnt vor Maßlosigkeit. Und damit hat er Recht!

 

Nehmen wir das Beispiel Ehebruch: 

Auch wenn heute niemand mehr wegen Ehebruch ins Gefängnis wandert, und ich sozusagen die Freiheit habe, meinen Ehepartner ungestraft zu betrügen, heißt das nicht, dass es auch gut für mich ist. Wenn ich das tue,  ist das entweder ein Zeichen dafür, dass etwas in der Ehe absolut nicht in Ordnung ist und dann müssen entsprechende Maßnahmen ergriffen werden: Paartherapie oder Trennung. Oder es ist ein Zeichen von Maßlosigkeit und dann fällt es mir irgendwann auf die Füße und macht mich im besten Fall furchtbar unglücklich. Im schlimmsten Fall macht es mein ganzes Leben kaputt.

 

Ja, wir haben viele Freiheiten - so wie die Menschen in Korinth damals. Aber es ist wichtig, dass wir auch verantwortungsvoll mit diesen Freiheiten umgehen.

 

Mein Papa hat mir mal gesagt: Deine Freiheit hört da auf, wo sie anfängt, die Freiheit eines anderen Menschen einzuschränken. (Vermutlich stammt dieser Satz im Original von einer ganz wichtigen Persönlichkeit - also einer anderen, als meinem Papa - die ich aber leider nicht ausfindig machen konnte. Deshalb habe ich an dieser Stelle meinen Papa zitiert.)

 

Meine Freiheit ist also nicht unbegrenzt. Ich kann meine Freiheit nicht maßlos ausnutzen, sonst verliere ich am Ende alles.

 

Ich habe mir mal aus einem Griechenlandurlaub einen sogenannten Pythagoras-Becher mitgebracht. Pythagoras wollte mit diesem Weinbecher den Menschen beibringen, Maß zu halten. Man kann den Becher bis zu einer gewissen Höhe mit Wein füllen. Wird man aber zu gierig und gießt zu viel Wein ein, dann entleert sich der Becher vollständig. **

 




Wir alle wissen, was passiert, wenn Menschen zu viel Alkohol trinken: Im besten Fall haben sie am nächsten Tag Kopfweh. Im schlimmsten Fall sind sie so betrunken, dass Dinge passieren, die großes Leid verursachen: schwere Autounfälle zum Beispiel. Möglicherweise geraten Menschen in eine Abhängigkeit. Sie lassen sich vom Alkohol beherrschen, wie Paulus es ausdrücken würde. Wenn sie in die Suchtfalle geraten, dann verlieren sie unter Umständen alles: Ihre Familie, ihre Freunde, ihren Arbeitsplatz, ihre Wohnung, ihre Würde. (Wobei ich nicht denke, dass ein Mensch wirklich seine Würde verlieren kann, das geschieht nur in den Augen anderer.)

 

Wir hier in Deutschland haben die Freiheit, Alkohol zu trinken – wenn wir denn ein gewisses Alter erreicht haben und kein Fahrzeug führen müssen jedenfalls. Das ist nicht überall so. Im Jemen zum Beispiel ist der Konsum von Alkohol verboten und wird streng bestraft. Aber auch wenn wir hier diese Freiheit haben, ist es doch nur gut, wenn wir maßvoll damit umgehen. Das gleiche gilt für sexuelle Beziehungen. Gerade hier ist es wichtig, zu beherzigen, dass meine Freiheit da aufhört, wo sie anfängt, die einer anderen Person einzuschränken. Gerade hier ist es wichtig, ein gesundes Maß beizubehalten, denn es kann so viel kaputtgehen, wenn wir maßlos sind. Das gilt für Sex, das gilt für Alkohol, das gilt auch für Gefühle. Es gilt im Grunde für alles im Leben.

 

Klar dürfen wir auch mal über die Stränge schlagen. Mal! Wir sind nunmal Menschen und damit nicht perfekt. Wir scheitern und wir dürfen scheitern, denn wir haben immer noch Gottes Gnade und Vergebung. Aber wir dürfen nicht ständig über die Stränge schlagen. Wir dürfen nicht so sehr über die Stränge schlagen, dass wir Leid verursachen und uns selbst womöglich in Schwierigkeiten bringen.

 

Und genau an dieser Stelle können wir Gott um Hilfe bitten. Gott ist immer bereit, dafür zu sorgen, dass uns ein Licht aufgeht. Gott ist immer bereit, uns merken zu lassen, was das richtige Maß ist und wo unsere Freiheit ihre Grenzen hat. Gott bringt Licht ins Dunkel des Pythagoras-Bechers und hilft uns dabei zu erkennen, wo die Obergrenze ist. Gott hilft uns, zu erkennen, was gut für uns ist und was gut für die anderen ist. Mit Gottes Hilfe  entwickeln wir, glaube ich, ein ganz gutes Gespür dafür, wo die Grenzen sind. 

 

Wenn wir das raushaben, dann können wir unsere Freiheiten auch wirklich genießen. Dann können wir den Sex richtig genießen. Ja, Sex ist schön und Sex dürfen wir genießen. Wenn er maßvoll und verantwortungsbewusst geschieht und wenn er Ausdruck der inneren Verbundenheit von uns Menschen ist. Wenn wir das leben, dann ist die Liebe ist doppelt schön!

 

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Anmerkungen:

*An dieser Stelle habe ich zu den einzelnen Begriffen noch erklärt, wer da wie und mit wem in Beziehung steht, lasse das aber hier weg, weil sich das ganz leicht googeln lässt.

 

**Ich habe den Becher nach der Predigt aufs Taufbecken gestellt, damit die Gottesdienstbesucher*innen ihn nach dem Gottesdienst ausprobieren konnten. Das Angebot wurde  fleißig und mit großem Interesse genutzt. 

 

***Verwendetes Material: 

- Salt ’n‘ Pepa: „Let’s talk About Sex“, Liedtext

- Werkstatt für Liturgie und Predigt, Heft Juli + August, S. 205f: Schilderung der Erlebnisse eines Syrers und seiner Familie in Deutschland

 


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