Neid und Missgunst



(Predigt vom 26.08.2018 zu 1. Mose 4, 1-16a)


Ihr Lieben,

Giotto di Bondone hat zwischen 1303 und 1304 ein Fresko geschaffen, das eine der sieben Todsünden darstellt: Den Neid. Dieses Fresko findet sich in der Scrovegnikapelle in Padua.

 

Das Fresko zeigt ein Wesen (Person möchte ich es nicht nennen, denn es sieht mir nicht nach einem Menschen aus), das in einer Hand einen Geldbeutel hält. Aus dem Mund des Wesens windet sich eine Schlange. Diese Schlange wendet sich gegen das Wesen, aus dem sie sich hervorwindet - entweder um es zu beißen oder um ihm Gift in die Augen zu spritzen. Das Wesen  steht inmitten von Flammen. 

 

Für mich sagt dieses Fresko folgende Dinge aus:

Neid macht uns unmenschlich.

Neid vergiftet uns.

Neid macht uns blind.

Neid verzehrt uns wie ein Feuer.

Neid führt am Ende zu unserem Tod (weshalb er eine Todsünde ist).

Das gilt ganz besonders wenn Neid gepaart ist mit Missgunst.

 

Zwischen Neid und Missgunst besteht durchaus ein Unterschied: Ich kann einen Menschen einfach nur um etwas beneiden. Dann hätte ich dieses Etwas zwar selbst auch gerne, kann es dem / der anderen aber auch von Herzen gönnen. Einen tollen Urlaub zum Beispiel, einen liebevollen Ehepartner, oder ein schönes Geschenk. 


Kommt aber die Missgunst zum Neid dazu, dann wird es richtig böse, richtig giftig. Denn dann will ich nicht, dass der / die andere etwas hat, das ich selbst nicht habe. 

Wenn ich kein schönes Haus habe, dann würde ich ich meinen neuen Nachbarn vielleicht wünschen, dass ihr Haus abbrennt, bevor sie einziehen können. 

Wenn ich zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen bin, dann würde ich mir vielleicht wünschen, dass meine Mitbewerberin einen Unfall hat und nicht zum Bewerbungsgespräch erscheinen kann.

 

Wenn ich ganz ehrlich bin, dann gab es schon Situationen, in denen ich nicht nur neidisch war, sondern auch einer anderen Person etwas nicht gegönnt habe. Aufmerksamkeit zum Beispiel. Ich erinnere mich noch an ein Theaterstück, das wir in der Grundschule aufgeführt haben: Der Hase und der Igel. In diesem Stück hat ein Mädchen mitgespielt, das einfach nur niedlich war und deshalb schon bei den Proben immer ganz viel Aufmerksamkeit und Unterstützung bekam. Ich, die sich viel mehr anstrengen musste, die viel mehr Text zu lernen hatte, bekam nicht so viel Aufmerksamkeit und Hilfe. Ich habe mir wirklich gewünscht, dass dieses Mädchen krank wird und bei der Aufführung nicht mitmachen kann.

 

Heute bin ich immer noch hochgradig neidisch auf diverse Dinge, die andere haben und ich nicht. Nehmen wir zum Beispiel die Musikerinnen und Musiker, die in den Gottesdiensten aktiv sind: Oft bekommen sie Applaus. Die Pastorin, die aber mindestens genauso viel Arbeit in einen Gottesdienst steckt, wird nicht beklatscht. Ja, ich nehme das wahr, und wenn ich ehrlich bin, dann piekt es mich manchmal auch.

 Zum Glück missgönne ich unseren Musiker*innen aber nicht den Applaus. Ich habe mir heute morgen NICHT gewünscht, dass sich die Flötist*innen und der Gitarist vor dem Gottesdienst den Hals brechen, nur damit sie auch keinenApplaus bekommen.  Im Gegenteil, ich freue mich, dass sie hier sind und dass ddie wunderbare Musik, die sie zum Gottesdienst beitragen, gewürdigt wird!

Ich wünsche mir jedenfalls, dass mich nie wieder in meinem Leben ein solcher Neid packt, dass ich einem anderen Menschen etwas missgönne.

 

Bei anderen Menschen gibt es andere Dinge, die sie neidisch werden lassen: Das gute Aussehen, der berufliche Erfolg, Viele Likes auf Facebook, viele Follower auf Instagram, tolle Klamotten, viel Geld, und, und, und ...

Wenn wir ehrlich sind, dann sind wir alle irgendwann mal neidisch. Sogar hochgradig neidisch. Meistens wenn es um Aufmerksamkeit und Anerkennung geht. 


Wenn zusätzlich zum Neid auch noch die Missgunst mit im Spiel ist, dann kann es zu solch furchtbaren Situationen kommen, wie zu der zwischen Kain und Abel. Dann gibt es unter Umständen nicht nur seelische Verletzungen.


Hier muss ich thematisch nochmal kurz abbiegenund etwas klarstellen:

Die Geschichte von Kain und Abel wurde nicht geschrieben, um die Menschen vom Neidischsein abzuhalten. 

Sie ist eine konstruierte Geschichte, die das damalige Leben beschreibt: Die Konkurrenz zwischen Viehzucht und Ackerbau zum Beispiel. Hirten und Bauern waren oft scharf auf dasselbe Stück Land, mit dem sie ihren Lebensunterhalt sichern wollten. 

Die Geschichte versucht zusätzlich zu erklären, wie es zu einem Rechtsystem gekommen ist. Sobald Menschen in einer Gemeinschaft zusammenleben, brauchen sie Regeln, zum Beispiel die, dass man sich nicht gegenseitig umbringt und dass ein Mord rechtliche Konsequenzen haben muss. 

Und dann spielt das Thema Willkür noch eine Rolle in dieser Geschcihte. Gott hat Kain ja offensichtlich total ungerecht behandelt. Völlig ohne Grund lehnt er sein Opfer ab und verweigert ihm den Segen. Kain war aber doch genauso fleißig wie sein Bruder, genauso gottesfürchtig, genauso tüchtig wie sein Bruder. Mit dieser Geschichte  haben die Menschen damals zu erklären versucht, warum einige mit einer großen Schafherde gesegnet waren, die sie mit reichlich Fleisch und Milch versorgte, während andere Missernten hinnehmen mussten und hungerten. Man hat diese offensichtlich unverechte Verteilung von Segen Gottes Willkür zugeschrieben, mit der wir Menschen uns wohl oder übel abfinden müssen.


Die Geschichte von Kain und Abel beschreibt also die Lebenswirklichkeit der Menschen vor um und bei 3000 Jahren. Sie beschreibt, wie sie die Welt. erlebt haben und wie sie sich erklärt haben, was um sie herum passiert.

 

 Eine Geschichte, die sich gegen den Neid ausspricht,  ist sie erstmal also nicht. Aber der Neid und die die Folgen davon sind ja doch ein gewichtiges Thema hier.  In dieser Geschichte steckt auch die Aussage: Du gönnst dem anderen nicht, was er / sie hat? Lass das nach, sonst endet das böse!

 

ABER: Neid alleine ist im Grunde gar nichts Schlimmes. Im Gegenteil. Er kann Gutes bewirken. Wenn wir neidisch sind auf das, was andere haben, dann kann uns das motivieren. Dann kann das unseren Ehrgeiz wecken. Und das hat den Menschen früher dabei geholfen, zu überleben. Heute kann es uns helfen, mit unserem Leben klarzukommen. Solange der Neid uns nicht blind macht für Liebe und Güte und unsere Herzen vergiftet. Solange der Neid nicht mit der Missgunst ein Team bildet.

 

Wäre die Missgunst bei Kain nicht mit im Spiel gewesen, dann hätte die Sache richtig gut ausgehen können. Dann hätte Kain vielleicht seinen kleinen Bruder um Rat gefragt. Oder hätte mit ihm eine Vereinbarung getroffen: Abel versorgt Kain mit Fleisch und Milch bis Kains Ernteerträge besser werden und der legt sich ordentlich ins Zeug um dann im Gegenzug seinem Bruder etwas von dem Angebauten abgeben zu können. 

Oder aber der Neid auf seinen Bruder veranlasst Kain, eine Scheune zu bauen, Getreide einzulagern und so Zeiten des Mangels gut zu überstehen.

Wie gesagt: Neid kann durchaus etwas Positives sein.

 

Nun haben wir noch einen weiteren Aspekt in der Geschichte von Kain und Abel. Gott kommt in dieser Geschichte schließlich auch vor.

 

Auch in dieser Hinsicht können wir etwas lernen:

Gott ist manchmal echt nicht zu verstehen und tut Dinge, die uns absolut nicht gefallen, die nicht nachvollziehbar sind, mit denen wir aber einfach leben müssen. Dazu ist Gott ein gerechter Gott, der durchaus dafür sorgt, dass unser Fehlverhalten Konsequenzen hat, und dass wir mit diesen Konsequenzen leben müssen. Eigentlich sollte ich hier lieber sagen leben DÜRFEN! Gott hätte ja durchaus die Todesstrafe verhängen können für Kains Mord an Abel. Tut er aber nicht. Gott lässt Kain am Leben. Das heißt zwar, dass Kain mit seiner Tat leben muss, dass er die Schuldgefühlen und die Ablehnung, die ihm andere entgegenbringen, aushalten muss. Aber er bekommt auch eine zweite Chance. Er bekommt die Chance, aus seinem Fehler zu lernen und einen besseren Weg in seinem Leben einzuschlagen. Gott ist also nicht nur ein unverständlicher und willkürlicher Gott, sondern in seiner Gerechtigkeit auch ein gnädiger und ein liebender Gott.

 

Für mich stecken damit (mindestens) vier wichtige Botschaften in der Geschichte von Kain und Abel:

 

1. Wenn Menschen zusammenleben, brauchen sie Regeln.

2. Neid ist gut, solange er mich motiviert und ehrgeiziger macht.

3. Vorsicht vor Missgunst, denn die vergiftet uns und macht uns blind!

4. Gott ist ein gerechter Gott, der dafür sorgt, dass Fehlverhalten Konsequenzen hat, der aber auch Gnade walten lässt, der mir immer wieder seine Liebe zeigt, egal was ich tue und der mich am Leben lässt!

 

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