Happy Reformation Day!



Gedanken zum Reformationstag von Pastor i.R. Rainer Ehlers:

In diesem Jahr hat der Norden Deutschlands einen neuen gesetzlichen Feiertag:
den 31.10., den Reformationstag.!
Ich empfand es lange schon ungerecht, dass in den anderen Bundesländern mehr
Feiertage waren - Allerheiligen und Fronleichnam sind zwei katholische Feiertage,
die in den südlichen, den mehrheitlich katholischen Bundesländern gefeiert werden
- mal abgesehen von dem Karneval.!
Immer die Katholiken. Dagegen haben wir Protestanten es schwer, weil wir einfach
nicht den Ruf haben, feiern zu können - und der Buß- und Bettag war ein
preussischer Feiertag, also ein protestantischer - und der wurde ersatzlos
gestrichen, um die Pflegeversicherung zu finanzieren… Bei den katholischen
Feiertagen einen zu streichen, fand nirgendwo eine Mehrheit…!
Also ein Feiertag mehr bei uns - das ist gut!!
Aber musste es denn der Reformationstag sein?!
Die PR im letzten Jahr war sicher mit beteiligt: 500 Jahre Reformation.!
Und die kulturgeschichtliche, geisteswissenschaftliche und historische Bedeutung
der Reformation ist unumstritten.!
Ich zähle nur einige der epochalen Veränderungen auf:!
Dem machtgierigen und herrschsüchtigen Papsttum wurden Grenzen aufgezeigt,
die Menschen waren jetzt vor allem ihrem Gewissen gegenüber verantwortlich und
nicht mehr einer das Gewissen unterdrückenden Kirche und einem
angstmachenden Gott, !
die Bibel wurde übersetzt, so dass jede und jeder sich selbst Gedanken machen
konnte, !
der einzelne Mensch wurde aufgewertet, weil ihm eine Würde zugesprochen
wurde, die er bisher nicht hatte.!
Also eine richtige Zeitenwende wurde eingeleitet durch das Werk Martin Luthers,
das mit dem Thesenanschlag an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg begann.!
Ein Datum, auf das sich immer wieder neu zu besinnen durchaus wertvoll ist.!
Aber es ist eben auch so, dass immer weniger das Christliche unseren Alltag und
unsere Welt bestimmen. Die Mehrheit hier weiss nicht, warum wir Weihnachten,
Karfreitag und Ostern feiern - ganz abgesehen von Pfingsten. Das kann man
bedauern, man muss es sogar - aber das ist eine Entwicklung, die wir auch
akzeptieren müssen.!
Da hätte ein anderes Datum vielleicht mehr gepasst: Z.B. der 23. Mai als der Tag,
an dem unser Grundgesetz in Kraft trat.!
Auch dieses Grundgesetz würde es übrigens so nicht geben, wenn es keine
Reformation gegeben hätte - aber dieses Grundgesetz zu feiern, in dem die Würde
des Menschen an oberster Stelle steht, hätte aus meiner Sicht mehr Sinn gemacht
- weil für es auch viel mehr geworben wird und weil es immer wieder eingeklagt
werden muss.!
Aber dann fiel mir ein: Nach der Vereinigung von BRD und DDR ist fast alles, was
in der alten DDR galt, einfach über Bord geworfen wurde und alle Gesetze und
Gebräuche des Westerns sind den Menschen im Osten einfach übergestülpt
worden. Gnadenlos.!
Mir fallen eigentlich nur wenige Dinge ein, die sich aus dem Osten kommend, im
Westen durchgesetzt haben: Rotkäppchen-Sekt, Gurken aus dem Spreewald, Senf
aus Bautzen, der Lesben - und Schwulenverband Deutschlands, der Ende der 80er
Jahre in Leipzig gegründet wurde und inzwischen die Interessen aller Lesben und
Schwulen in Deutschland vertritt.!
Und jetzt auch der Reformationstag als Feiertag. Denn den haben sich 1990 die
neuen Bundesländer als Feiertag sichern lassen.!
Das hat mich nicht nur versöhnt, sondern lässt mich ihn auch fröhlich feiern!


Gedanken zum Reformationstag von Pastorin Pamela Hansen:

Ich finde es grundsätzlich gut, dass wir einen zusätzlichen Feiertag haben, dass dieser Feiertag nicht nur ein kirchlich begründeter Feiertag ist, sondern dazu ein evangelischer, weil die Katholiken doch schon so viele Feiertage haben. Dazu finde ich es ebenfalls gut, dass es sich um den Reformationstag handelt. Ich persönlich würde kirchlichen Feiertagen immer den Vorzug geben, obwohl es natürlich auch andere gute Dinge zu feiern gibt, wie zum Beispiel den 23. Mai, an dem unser Grundgesetz in Kraft trat. Im Artikel 1 Absatz 1 unseres Grundgesetzes stehen nämlich so wichtige Sachen wie: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Was mich dazu bringt, dass es ganz oft christliche Werte sind, die der Regelung unseres Zusammenlebens zugrunde liegen. Und dann darf es auch gerne lieber ein kirchlicher Feiertag sein anstatt eines politischen. Besonders, wenn wir im Hinterkopf haben, dass der Gottesbezug es nicht in die Präambel der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein geschafft hat. Es fehlte nur eine Stimme zur erforderlichen Zweidrittelmehrheit. Deshalb fand ich schon immer: Der Reformationstag muss offizieller Feiertag werden!

Man kann nun dagegen halten, dass dieser Tag nicht klug gewählt ist, weil er mit Halloween konkurriert. Wobei Halloween seinem Ursprung nach ja auch christlich ist. Halloween kommt von „All Hallows Eve“, dem Abend vor Allerheiligen. An Allerheiligen wird der verstorbenen gedacht und man hat geglaubt, dass am Vorabend von Allerheiligen der Schleier zwischen der Totenwelt und der Welt der lebenden besonders dünn wird. Unsere geliebten Verstorbenen sind uns dann ein bisschen näher. Viele wissen das nur nicht mehr.

Viele wissen ebenfalls nicht, wo der Reformationstag seinen Ursprung hat.

Es gibt wirklich wenige Menschen, die überhaupt noch verstehen, was es mit dem Reformationstag auf sich hat. Aber einen Tag nicht zu feiern, nur weil viele nichts damit anfangen können, halte ich für den falschen Weg. Ich denke, es liegt da an uns, dieses Wissen zu verbreiten und dafür zu sorgen, dass die Menschen wieder etwas damit anfangen können. Und ich denke, dass solch ein Feiertag genau dabei hilft. Manche werden sicherlich fragen: Warum ist heute eigentlich Feiertag? Was feiern wir denn?
Wir feiern, dass Gott uns bedingungslos liebt. Wir feiern, dass Gott uns gegenüber Gnade vor Recht ergehen lässt. Wir feiern, dass Gott uns verzeiht und nicht die Todesstrafe verhängt. Wir feiern, dass wir alle einen direkten Draht zu Gott haben, dass wir damit alle Priesterinnen und Priester sind.

Übrigens hat der Radiosender NDR 1 den Feiertag zum Anlass genommen, um zu erklären, was es damit eigentlich auf sich hat. Das heißt: Die Radiohörer*innen bekommen Informationen rund um den Reformationstag geliefert, WEIL er jetzt offizieller Feiertag ist. Ich finde das gut!

Aber wir waren bei der Frage, was wir eigentlich feiern. Neben dem bereits genannten feiern wir auch Reformation. 

Der Reformationstag ist damit ein Gedenktag: Wir denken daran, wie wichtig Reformation ist - in der Kirche und in unserem Leben. Dinge, Meinungen und Systeme  müssen immer mal wieder reformiert werden, damit sie nicht stagnieren. Stillstand führt irgendwann unweigerlich zu Tod: Zum Tod der Kirche, zum Tod der Menschen, zum Tod der Demokratie, zum Tod der Lebendigkeit, und unter Umständen sogar zum Tod der Menschenwürde.
Reformation ist etwas Tolles. Das Wort stammt von dem lateinischen Wort „reformare“ ab, das bedeutet: Umgestalten, umbilden, verwandeln. Es kann auch mit verbessernübersetzt werden.

Ich finde, dass unsere Kirchen heute (alle!) dringend eine Reform brauchen. Unseren Kirchen tut es gut, in regelmäßigen Abständen umgestaltet, verwandelt und verbessert zu werden, denn erstens verändern wir Menschen uns ja auch, und damit verändert sich die Gesellschaft. Unsere Gesellschaft braucht eine Reform, weil sie, wie ich finde, wieder zu einer Gesellschaft werden muss, die mehr auf christlichen Werten aufbaut (Nächstenliebe oder Gastfreundschaft zum Beispiel).

Dazu braucht natürlich auch die Kirche eine Reform (oder Reformation?): Zu viele Dinge innerhalb der Kirche funktionieren gar nicht mehr oder nur noch schlecht, sind unmenschlich und sogar unchristlich geworden. So wie damals zu Luthers Zeiten, nur in anderen Bereichen. Eine reformierte Kirche kann dann Einfluss auf die Gesellschaft nehmen und dafür sorgen, dass es mehr solcher guten Dinge gibt wie den Artikel 1 Absatz 1 unseres Grundgesetzes. Und reformierte Kirchen können wieder eine Kirche werden. Was schön wäre, denn schließlich sind wir ja eineFamilie.


An all das kann uns nun der Reformationstag jedes Jahr wieder erinnern. Und deshalb ist es gut, ihn zu feiern.

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