Es liegt in unserer Natur



Ansprache zur Jahreslosung 2019:
„Suche Frieden und jage ihm nach.“ (Psalm 34, 15)


Ihr Lieben, 

ich bin stolze Besitzerin einer Hundedame namens Jessie. Inzwischen ist unsere Jessie etwas in die Jahre gekommen und nicht mehr so schnell auf den Beinen wie vor ein paar Jahren noch. Sie ist eine Oti, wie man auf Helgoländisch sagen würde. Eine Oma also. In Menschenjahren wäre sie inzwischen über 90 und ist nur noch sehr langsam unterwegs.

Das war aber nicht immer so. Als wir sie damals vor vielen Jahren aus dem Tierheim geholt hatten, war sie noch keine drei Hundejahre alt und benahm sich, ihrem Alter entsprechend, wie ein Teenager. Sie war flippig, voller Bewegungsdrang, und jagte allem nach, was ihre Neugier weckte.

Als wir sie aus dem Tierheim abholten kannte sie immerhin schon die wichtigsten Kommandos: Sitz! Platz! Bei Fuß! Meistens hörte sie auch drauf. Aber nicht immer.

Diese Erfahrung machte ich, als sie mir einmal ausgebüchst war. Die Gartenpforte stand offen und schwups, war Jessie entwischt. Da hatte nämlich etwas ihre Neugier geweckt: der Kindergarten, der nur ein paar hundert Meter entfernt war. Es gegen Mittag und vor dem Kindergarten standen viele Kinder, die darauf warteten, von Mama, Papa oder einem anderen Familienmitglied abgeholt zu werden.
Jessie lief schnurstracks auf die Kinder zu. Die Erzieherinnen waren natürlich in heller Aufregung, weil sie nicht wussten, was dieser Hund da vorhatte. Ich war ebenfalls in heller Aufregung - aus demselben Grund. Ich versuchte es natürlich lautstark mit den entsprechenden Kommandos, aber sie hörte nicht. Also gehört hat sie mich sicherlich, aber wohl beschlossen, die Kommandos zu ignorieren.
Jessie hatte die Gruppe von Kindern erreicht und begann, diese laut bellend zu umkreisen. Ich versuchte nun mein Glück mit einem speziellen Pfiff, mit dem wir sie trainiert hatten. Bisher war sie immer sofort zu mir gekommen, wenn sie den Pfiff gehört hatte. Dieses Mal: keine Chance. Sie hörte einfach nicht. Plan A und Plan B funktionierten offensichtlich nicht. Also musste ein Plan C her: Ich hatte noch Leckerlies in der Tasche und versuchte nun, unseren Hund damit von den Kindern wegzulocken. Es funktionierte nicht.

Irgendwann war der Spuk allerdings vorbei. Dann nämlich, als die Kinder zu einem Haufen zusammengedrängt dastanden und sich keines mehr wegrührte. Da hörte Jessie auf, die Kinder zu umkreisen, stellte sich neben die Kinder, wedelte mit dem Schwanz und guckte uns an, als wollte sie sagen: Na, wie habe ich das gemacht?

Die Kinder waren bei der ganzen Aktion übrigens total entspannt geblieben. Sie schienen sogar ihren Spaß dabei zu haben. Im Gegensatz zu uns Erwachsenen.

Jessie hatte die Kinder solange bellend umkreist, bis die in einem ordentlichen Päckchen zusammenstanden. Das ist das, was Hütehunde tun! Unser Hund ist ein Schäferhundmischling. Die Betonung liegt auf SCHÄFERhund! 
Jessie hatte nur nach ihrer Natur gehandelt und es liegt in ihrer Natur, eine Herde zusammen zu treiben und dafür zu sorgen, dass kein Schaf aus der Herde verlorengeht. Es liegt in ihrer Natur, dafür zu sorgen, dass alle sicher sind. Nichts kann sie von diesem Ziel abbringen, keine Kommandos, keine Leckerlies, nichts. Im Grunde hatte unsere Jessie nur ihren Job gemacht.

In unserer Natur als Menschen im Allgemeinen und als Christinnen und Christen im Besonderen liegt es, für den Frieden zu sorgen. Dafür müssen wir ihm nachjagen, wie es in Psalm 34 heißt und dürfen uns von diesem Ziel nicht abbringen lassen. Nicht durch Kommandos, nicht durch pfiffe, nicht durch Leckerlies.

Beispiel: Ich hatte mal Streit mit jemandem aus unserer Kirchengemeinde. Wir haben sogar auf dem Friedhof gestanden und uns angebrüllt. Das war Kirchenkino für‘s Oberland. Ich habe mich danach ein Paar Tage richtig gegrämt. Sowas setzt mir zu, denn im Grunde will ich keinen Streit. Ich will den Frieden, das liegt in meiner Natur. Also habe ich mich überwunden und bin auf diesen Menschen zugegangen mit der Absicht, den Streit beizulegen. Es ist mir nicht leichtgefallen, weil ich nicht wissen konnte, wie die Person reagiert. Aber ich habe mich getraut. Ich habe sozusagen dem Frieden nachgejagt und es hat funktioniert. Wir waren am Ende beide erleichtert, dass wir nochmal miteinander reden und den Streit beilegen konnten. Seitdem kommen wir sehr gut miteinander klar. Wir zicken uns zwar ab und zu nochmal an, aber solch ein Streit ist nicht wieder vorgekommen.

Und wenn eine oder einer es schafft, sich einen Ruck zu geben und auf den anderen zuzugehen, dann lösen wir eine Kettenreaktion aus. Das Bild auf der Karte mit der Jahreslosung stellt das ganz eindrücklich dar. Da streckt sich eine Hand dem Mädchen entgegen, das eingeschnappt ist. Sie selber ist nun in der Lage ihre Hand nach dem Jungen auszustrecken, der weint und seine Tränen aufzufangen. Getröstet kann dieser nun seine Hand nach dem Mädchen ausstrecken, das etwas überheblich zu sein scheint. Sie wiederum ist nun in der Lage, sich dem Jungen zuzuwenden, der verängstig wirkt. Das ist das, was wir auslösen, wenn wir dem Frieden nachjagen und uns unter keinen Umständen von dieser Fährte abbringen lassen.

Es ist unser Job, dem Frieden nachzujagen, so wie es der Job eines Schäferhundes ist, eine Herde zusammenzutreiben. Es liegt in unserer Natur, Frieden zu stiften. 

Unser guter Vorsatz für dieses neue Jahr und für alle neuen Jahre, die noch kommen muss also lauten: Ich will dem Frieden nachjagen und nichts soll mich davon abbringen. 

Ich hatte es am ersten Advent schon gesagt, ich hatte es an Heiligabend gesagt und ich sage es jetzt wieder: Der Frieden auf Erden fängt bei uns selber an. Also müssen wir alles geben und ihm nachjagen. 

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