Aus der Dunkelheit ins Licht




(Predigt vom 17.03.2019 zu Johannes 3, 14-21)

Ihr Lieben,

Ende Januar war ich auf der dänischen Insel Rømø im Urlaub. Ich hatte da ein Ferienhäuschen gemietet zu dessen Einrichtung ein Ofen und eine Sauna gehörten. Auf beides lege ich viel Wert während meines Winterurlaubs, denn ich will mich ja schließlich entspannen. In der ersten Woche war ich noch alleine auf Rømø. Mein Mann konnte erst später nachkommen, was aber nicht so schlimm war, denn ich bin Einzelkind und wir Einzelkinder können uns gut alleine beschäftigen. Ich muss allerdings zugeben, dass mir ab und zu schon ein bisschen mulmig war, so ganz alleine da in meinem Ferienhaus. Etwas panisch wurde ich dann sogar, als ich eines Abends, es muss so gegen 20:00 Uhr gewesen sein, gemütlich in der Sauna saß und schwitzte. Und plötzlich ging das Licht aus!

Da saß ich nun, ohne Klamotten, total verschwitzt und wie gesagt: Panisch! Da war alle Entspannung von einer Sekunde auf die andere flöten gegangen. Was war denn nun los? 
Ich hatte ja schonmal erwähnt, dass ich mir gerne „Criminal Minds“ anschaue. Bevor ich in die Sauna ging, hatte ich drei Folgen der Serie gesehen und das war vermutlich der Grund, warum ich erstmal nicht auf das Naheliegendste kam: Dass einfach eine Sicherung rausgeknallt war. Ich hatte ja schon Vorstellungen von irgendwelchen Serienmördern, die alle Leitungen gekappt hatten und nun auf der Suche nach einer leichten Einstiegsmöglichkeit ums Haus schlichen. Ich traute mich jedenfalls erstmal nicht aus der Sauna. Aber es half ja nichts. Es war stockfinster und ich brauchte Licht. Dazu musste ich natürlich erstmal von der Saunabank runter und aus der Sauna raus, ohne dabei mit dem noch heißen Saunaofen zu kollidieren, den ich ja nicht sehen konnte.
Ich fühlte meinen Weg ganz vorsichtig aus der Sauna heraus, durchs halbe Ferienhaus und hin zu den Teelichtern. Die Streichhölzer dazu hatte ich auf dem Küchentresen liegengelassen. Vom Couchtisch tastete ich mich also weiter zum Küchentresen und zündete das Teelicht an. Und endlich, endlich, wurde es wieder etwas heller! Ich zündete noch weitere Kerzen an und machte mich auf die Suche nach dem Sicherungskasten. Was dauerte, denn ich kam erst ziemlich spät auf die Idee, dass der sich Schuppen auf der Rückseite des Hauses befinden könnte. Ich benötigte auch noch die Hilfe meines Mannes, den ich in meiner Verzweiflung angerufen hatte, um darauf zu kommen, dass einer der Schlüssel, die an der Pinnwand hingen, die Schuppentür öffnen würde. Bevor ich meinen Mann nervte, hatte ich natürlich die Notfallnummer der Ferienhausvermietung angerufen, weil ich davon ausging, dass die wussten, wo der Sicherungskasten war. Das Notfalltelefon war allerdings nur von 10:00 bis 19:00 Uhr besetzt und ich erreichte niemanden mehr. Deshalb der Anruf bei meinem Mann, der natürlichbauchbnicht wissen konne, wo sich der Sicherungskasten befand. Aber er konnte mir wenigstens denken helfen.
Am Ende fand ich dann auch den Sicherungskasten, juhu! Sicherung rein, und es wurde wieder hell und warm.

Und die Moral von der Geschicht: Sitze alleine im Dunkeln nicht! So ganz alleine im Stockdustern zu hocken ist sehr, sehr, sehr(!) unangenehm.

Es ist schon spannend, dass viele Menschen sich im Dunkeln fürchten. Ich bin da in der Regel ganz entspannt, aber je nach Situation eben auch nicht, wie wir gerade festgestellt haben.

Wir verbinden mit Dunkelheit viele negative Eigenschaften: Trauer, Depression, Tod, Gefahr und sogar das Böse. Das Licht dagegen steht oft für die Liebe, die Schönheit, das Gute und für Wärme.

Obwohl ich einwerfen muss, dass Dunkelheit nicht immer schlecht ist. Unseren Augen tut sie ab und zu ganz gut. 
Dunkelheit kann für Ruhe und Entspannung sorgen. Man schläft zum Beispiel auch besser ein, wenn es stockdunkel ist, weil Dunkelheit die Melatoninproduktion fördert. Melatonin ist das Schlafhormon.

Aber auch wenn die Dunkelheit uns ab und zu guttut, hat sie doch soneinige Nachteile. Tatsache ist, dass wir im Dunkeln nichts sehen. Wir nehmen unsere Umgebung nicht wahr. Wir können Gefahren nicht erkennen. Wir können andere Menschen nicht sehen. 

Im übertragenen Sinne bedeutet das, dass wir andere Menschen mit ihren Bedürfnissen und Nöten nicht sehen können. Und uns selber können wir auch nicht sehen. Versucht mal im Stockdunkeln in einen Spiegel zu schauen. Da ist einfach nichts zu sehen. Das heißt, im Dunkeln sehen wir weder unsere Fehler, noch das, was hässlich ist an uns und in uns. Wir sehen aber auch nicht, was es alles an guten und schönen Dingen gibt, die uns ausmachen. 

Wenn wir zu lange der Dunkelheit ausgesetzt sind, sind unsere Augen sogar geneigt, uns Trugbilder zu zeigen. Die Wissenschaft hat festegestellt, dass das Auge Halluzinationen produziert, wenn es über längere Zeit keine Signale von außen bekommt, was ja im Dunkeln der Fall ist. Und auch das können wir wieder übertragen auf unser Leben: In der Dunkelheit sehen wir die Wahrheit nicht und lassen uns möglicherweise von Trugbildern beeinflussen.

Der Evangelist Johannes sagt uns, dass wir ohne Gott in der Dunkelheit gefangen sind und es auch bleiben, wenn wir nicht bereit sind, an das das Licht zu glauben und es anzunehmen. Das Licht ist Jesus Christus. Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen eigenen Sohn in die Welt geschickt hat, damit wir die ganze Schuld, die wir auf uns laden, nicht mit dem Tod bezahlen müssen.


Ohne den Glauben an Gottes Liebe, ohne Christus ist unser Leben ein einziges Tasten durch unser Leben. Es ist ein einziges Kollidieren mit Dingen und Menschen, die wir nicht sehen. Es ist ein Leben voller Trugbilder und Halluzinationen, die uns alles Mögliche vorgaukeln. 
Zum Beispiel: Dass wir unbedingt gesund sein müssen, um glücklich zu sein. Dass wir im Beruf Erfolg haben müssen, um anerkannt zu werden. Dass wir unsere Karriere aufgeben müssen, um ein gutes Elternteil zu sein. Dass wir ein gewisses Maß an materiellem Besitz haben müssen, um zufrieden durch‘s Leben gehen zu können, dass wir uns immer anpassen müssen, um geliebt zu werden.

Die Wahrheit sieht anders aus: Abgeben statt horten, Hilfe statt Eigennutz, Frieden statt Rechthaberei, Liebe statt Ignoranz.
Das erkennen wir aber nur durch das Licht, das Gott in die Welt geschickt hat: Jesus Christus.

Damit unser leben so läuft, wie Gott es für uns vorgesehen hat, müssen wir raus aus der finsteren Ecke und rein ist Licht.

Wir müssen das natürlich auch wollen. Das erste, was wir brauchen, ist also, der Wille, aus der Dunkelheit herauszukommen und uns auf das Licht zuzubewegen. Es ist der Wille, Angst, Trug, Hass und Tod hinter uns zu lassen und uns auf die Zuversicht, die Wahrheit, die Liebe, und das Leben zuzubewegen. Und das ist nicht so leicht, denn wenn ich mich ins Licht bewege, dann zeige ich ja auch etwas von mir. Wenn ich im Dunkeln bleibe, dann kann ich mich gut verstecken. Dann sieht mich keiner und ich bin weniger verletzlich. Aber es hilft nichts. Es gibt für uns nur den einen Weg: Raus aus der Finsternis und rein ins Licht. 

Das nächste, was wir tun müssen, ist das Licht annehmen. Wir müssen die Liebe und das Leben annehmen. Und auch das ist nicht so einfach, wie es sich erstmal anhört.
Lasst mich euch dazu noch von einem weiteren Erlebnis erzählen, das ich vor vielen Jahren hatte:
Ich hatte mal eine Höhle besichtigt. Bei der Führung wurde uns erzählt, wenn das elektrische Licht ausfiele und wir den Weg nach draußen nicht mehr fänden, würden wir irgendwann erblinden. Nach ein paar Tagen in absoluter Dunkelheit ist die Blindheit reversibel, nach ein paar Wochen nicht mehr.
Ob das wirklich stimmt, ist wissenschaftlich nicht erwiesen. Schließlich kann man Menschen ja nicht testweise für Wochen oder sogar Jahre im Dunkeln einsperren. * Was aber durchaus stimmt, ist, dass unsere Augen sich nach einer langen Zeit der Dunkelheit erst wieder ans Licht gewöhnen müssen.

Genauso kann es uns, glaube ich, mit Gottes Liebe gehen. Wir müssen uns erst daran gewöhnen, dass Gott uns vorbehaltlos liebt und uns alle Schuld vergibt, ohne von uns eine Gegenleistung zu verlangen. Wir müssen uns erst daran gewöhnen, dass Jesus Christus die Strafe auf sich genommen hat, die wir verdient hätten. Aber Gott kann uns einfach nicht bestrafen, weil wir seine Kinder sind und er uns liebt. Das anzunehmen ist gar nicht so leicht.

Wir sind in unserer Welt schon so lange der Dunkelheit ausgesetzt gewesen durch all das Böse, das wir selbst verursachen oder das auf uns einprasselt, dass wir uns erst wieder an Liebe und Güte gewöhnen müssen. Wir können gar nicht glauben, dass Gott es so gut mit uns meint. Das ist jetzt keine Hypothese, es ist keine Vermutung. Ich spreche da aus Erfahrung:

Ich habe als Pastorin schon einige Male die Beichte angenommen. Ja, auch in der evangelischen Kirche kann man zum Pastor oder zur Pastorin gehen und beichten. Und Vergebung zugesprochen bekommen.
Ich habe es oft erlebt, dass die Menschen, denen ich Vergebung zugesprochen habe, damit überfordert waren, dass sie für diese Vergebung nichts tun mussten. Keinen Sozialdienst leisten, keine zwanzig Gottesdienstbesuche nachweisen, nichtmal fünf Vaterunser beten. Gott vergibt dir deine Schuld. Einfach so. 
Weil er dich liebhat. Meine Erfahrung ist die, dass manche Menschen sich tatsächlich erst daran gewöhnen müssen, dass Gottes Gnade ganz umsonst ist. Sie müssen sich nach langer Dunkelheit erst wieder an das Licht von Gottes bedingungsloser Liebe gewöhnen.

Vielleicht brauchte auch Nikodemus etwas Zeit, um sich an das Licht zu gewöhnen. Der Text ist ja Teil eines Gespräches zwischen Jesus und Nikodemus. Nikodemus kommt interessanterweise nachts zu Jesus und nicht am helllichten Tag. Will er nicht mit Jesus gesehen werden? Hat er etwas zu verbergen? Das könnte gut sein, denn Nikodemus ist Schriftgelehrter und Mitglied des Hohen Rates. Vielleicht will er deshalb tatsächlich nicht mit Jesus gesehen werden.

Immerhin hat er aber den Mut, sich überhaupt auf Jesus einzulassen und zu ihm zu gehen. Er hat den Mut, sich auf das Licht einzulassen. 
Ich wünsche uns allen diesen Mut, den Nikodemus aufgebracht hat, um den ersten Schritt zu tun - raus aus der Dunkelheit und rein ins Licht. Da hat nämlich nicht nur die ganze Welt was davon. Wir haben auch was davon: Viel Liebe, viel Wahrheit, viel Vergebung, viel Frieden.
Amen

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*Nach dem Gottesdienst wurde mir berichtet, dass es tatsächlich stimmt, dass die Augen dauerhaft erblinden, wenn sie zu lange der Dunkelheit ausgesetzt werden. Hinweise darauf hätten Pferde geliefert, die im Ruhgebiet lange Zeit unter Tage gearbeitet hatten und deren Seefähigkeit später nicht wieder hergestellt werden konnte.
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Verwendetes Material: Artikel „Stimmt’s ? Kann man erblinden, wenn man sich ein paar Tage in absoluter Dunkelheit aufhält?“ aus Die Zeit, 46/2018, S. 34

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