Zeit zum Zuhören



(Predigt vom 03.03.2019 zu  Lukas 10, 38-42)

Ihr Lieben,

heute möchte ich euch heute mal erzählen, wie mein Tag so anfängt. 

Um 5:30 Uhr klingelt mein Wecker. Nach dem Aufstehen werden erstmal die Zähne geputzt. Das ist das absolut Erste, was passieren muss. Hat mir Mama so beigebracht. Dann ziehe ich mir Sportsachen an und gehe entweder laufen oder ich mache Yoga. Danach muss natürlich geduscht werden. Nach dem Duschen ziehe ich mich an. Als nächstes wird das ganz Haus gelüftet und das Bett gemacht. Wenn Frachttag ist, dann nehme ich meinem Mann die Hunderunde ab. Gegen viertel vor 8 gehe ich rüber zur Kirche, um da aufzuschließen, in der Kirche Kerzen und Schriften nachzufüllen und das Gedenkbuch umzublättern. Freitags kommt immer noch der Kuchen für die Seniorinnen und Senioren dazwischen. Meistens vergesse ich nämlich, das Gemeindehaus rechtzeitig aufzuschließen, damit der Bäcker den Kuchen für den Seniorenkreis in die Gemeindehausküche stellen kann. Der landet dann oft im Pastoratsflur. Bevor ich also zur Kirche marschiere, muss erst der Kuchen ins Gemeindehaus. Danach geht es dann in die Kirche.
Wenn ich in der Kirche alles erledigt habe, lese ich die täglichen Losungen, also die Bibeltexte für den Tag, und spreche mein Morgengebet. 

Und jetzt seid ihr dran: Findet den Fehler!

Nein, der Fehler ist nicht, dass ich bis dahin noch nicht gefrühstückt habe. Ich kann gleich nach dem Aufstehen oder gleich nach dem Sport sowieso noch nichts essen. Der Fehler ist, dass mein Tag mit ganz viel Betriebsamkeit, mit ganz viel Aktionismus anfängt. Um 5:30 geht es los mit der Betriebsamkeit und erst gegen 8:00 Uhr komme ich dazu, mich hinzusetzen und Gott zuzuhören.

Eigentlich müsste das aber das Allererste sein, das ich morgens mache. Okay, das Allerste nach dem Zähneputzen. Aber spätestens, wenn die Zähne geputzt sind, sollte ich mich hinsetzen, die Bibelverse für den Tag lesen, still werden und versuchen, das zu hören, was Gott mir zu sagen hat. Eigentlich. Un-eigentlich kann ich das nicht. Ich rede mir ein, dass ich den Kopf für die Bibelverse und das Gebet nicht frei habe, wenn ich die morgendlichen Aufgaben nicht schon vom Tisch habe.

In der kirchlichen Arbeit mit gemeindeleitenden Gremien ist es nicht viel anders. Erst müssen Rechnungen bezahlt, E-Mails beantwortet, ein Haushaltsplan erstellt, Termine gemacht, Bestellungen aufgegeben, Gottesdienste geplant, Vertretungen organisiert, Urlaubsanträge genehmigt und Besprechungen abgehalten werden, bevor wir dazu kommen, uns in Ruhe hinzusetzen und auf Gottes Wort zu hören.

Im letzten Jahr haben wir einen Versuch gemacht, einmal ganz bewusst zuzuhören, was Gott uns zu sagen hat, indem wir in unserer Kirchengemeinde einen Glaubenskurs veranstaltet haben. Aber auch dabei war es schwierig, das Tun nicht die Oberhand gewinnen zu lassen, sondern das Hören vor das Tun zu stellen. Ganz oft hat uns unser Alltag daran gehindert, die vorgesehenen Texte zu lesen, die Fragen dazu zu beantworten oder sogar an den Treffen teilzunehmen. Das alltägliche Leben stand uns oft dabei im Weg, Gott zuzuhören.

Marta ging es genauso. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie sich, genau wie Maria, einfach gerne zu Jesus gesetzt hätte, um zu hören, was er zu erzählen hat. Aber ihr Pflichtgefühl hält sie davon ab. Erst die ganzen Arbeiten erledigen, den Gast bewirten und dafür sorgen, dass es ihm an nichts fehlt. Dann hat sie den Kopf frei, um sich in Ruhe hinzusetzen und Jesus zuzuhören. Aber wird sie jemals fertig mit der Arbeit? Sie hat schließlich viel zu tun im Haushalt. Es muss nicht nur Essen gekocht, sondern vorher muss Mehl gemahlen, Wasser geholt und Milch gemolken werden. Als Frau ist sie ebenfalls dafür zuständig, dass das Haus sauber ist. Wenn gegessen wird, dann muss nachgefüllt werden. Anschließend sind das Abräumen und Abwaschen dran. Wann ist dann eigentlich Zeit, sich zu Jesus zu setzen?

Mir kommt das total bekannt vor. Auch ich setzte oft meine Prioritäten falsch und dann passiert es, dass wichtige Dinge nicht nur hinten an stehen, sondern ganz wegfallen, weil auf einmal gar keine Zeit mehr dafür ist. Mit dem Morgengebet ist mir das zum Glück noch nicht passiert, aber mit dem Zeitunglesen zum Beispiel. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen,  das morgens beim Frühstück tun. Meistens sitze ich dabei aber schon über der Terminplanung für den Tag und sage mir: Ach, den Zeitungsartikel kannst du auch noch in der Mittagspause lesen. Das fällt dann aber auch flach, weil wieder etwas dazwischen kommt. Oft genug fällt die Mittagspause sogar ganz aus, weil ich erst die Arbeit erledigt haben will. Der Zeitungsartikel wird dann auf den Abend verschoben, aber da bin ich dann vor dem Fernseher eingeschlafen und kann auch nicht mehr lesen.

Kennt ihr sowas auch?

Und heute kommt der Gottesdienst mit dieser Bibelgeschichte und ermahnt uns: Setze deine Prioritäten richtig!

Womit ich nicht sagen will, dass Marta es falsch macht. Marta macht es genauso richtig, wie Maria es macht. Oder: Marta macht es genauso falsch, wie Maria es macht. Denn sich nur hinsetzen und Jesus zuhören, funktioniert auch nicht. Irgendwann muss das Mehl ja gemahlen, das Wasser geholt, die Milch gemolken und das essen gekocht werden. 
Irgendwann müssen die Aufgaben, die uns gestellt werden ja erledigt werden. Nur nicht gerade, wenn Jesus zu Besuch ist. Das ist die Zeit, in der die Aufgaben einmal sein gelassen werden müssen.

Uns sind im Leben bestimmte Rollen zugewiesen. Die haben sich sehr verändert im Vergleich zu den Rollen in der Zeit, in der Jesus, Maria und Marta gelebt haben. Frauen sind nicht mehr automatisch nur für den Haushalt zuständig. Männer sind es genauso. Dafür werden wir heutzutage auf andere Rollen festgelegt. Und dabei ist es wichtig, dass wir auch mal ausbrechen aus diesen Rollen.

Zwei Rollen, die wir in unserem Leben spielen sind diese: Maria UND Marta (neben diversen anderen). Ja, wir sind beides. Was wichtig ist, dass wir eine Balance herstellen zwischen den beiden. Es ist wichtig, dass wir unsere Aufgaben erfüllen. Aber es ist genauso wichtig, dass wir uns hinsetzen und zuhören - besonders Gott.

Denn wenn wir uns nicht die Zeit nehmen, Gott zuzuhören, dann macht unser ganzes christliches Dasein keinen Sinn mehr. Dann wissen wir am Ende gar nicht mehr, wofür wir eigentlich die Termine machen, die Rechnungen bezahlen, an den Meetings teilnehmen, Gottesdienste planen und die E-mails beantworten. Dann wissen wir am Ende nicht mehr wofür wir eigentlich leben.

Deshalb ist gutes Zeitmanagement gefragt. Aber auch Spontanität. Denn manche Gelegenheiten ergeben sich einfach und man muss sie ausnutzen, denn so eine Gelegenheit könnte so schnell nicht wiederkommen. Carpe Diem! Maria weiß nicht, wann sie wieder die Chance hat, Jesus zuzuhören. Wer weiß, wann er das nächste Mal zu Besuch kommt, oder ob überhaupt. Aber jetzt ist er da und jetzt hat er die Zeit, und die Ruhe, um ihr vom Reich Gottes zu erzählen. Deshalb muss die Hausarbeit erstmal warten. Die kann auch später erledigt werden. Aber irgendwann muss auch die gemacht werden. Irgendwann müssen wir bestimmte Aufgaben in unserem Leben erfüllen, damit unser Leben funktioniert.

Ich glaube, es ist dabei schon sinnvoll, nicht erst alles abzuarbeiten, um dann die Zeit und die Ruhe für‘s Zuhören zu haben. Es muss umgekehrt passieren. Erst die Zuhörzeiten in den Tagesablauf einbauen oder in den Terminkalender eintragen, damit diese am Ende nicht ganz hintenrunterfallen.

Ich erinnere mich an einen Pastorenkollegen, der das so sehr gut hinbekommen hat. Er sich immer mal wieder Auszeiten in seinen Kalender eingetragen. Wenn solch ein Termin anstand, dann hat er seiner Gemeinde mitgeteilt: Heute bin ich nicht im Büro. Heute stehe ich nur im äußersten Notfall zur Verfügung. Heute verbringe ich den Tag mit Gott. Er ist dazu meistens mit seinem kleinen Wohnmobil an einen See gefahren, hat es sich dort nett gemacht, hat in der Bibel gelesen, hat gebetet, hat in der Stille einfach nur dagesessen, ist spazieren gegangen und hat versucht, offen zu sein für das, was Gott ihm mitzuteilen hat.

Ich für meinen Teil werde ebenfalls versuchen, den Zuhörzeiten mehr Gewicht und vor allem mehr Raum zu geben. Nein, ich werde dazu nicht im Schlafanzug und mit ungeputzten Zähnen zum Morgengebet in die Kirche tapern. Aber ich werde vielleicht auch nicht vorher erst joggen gehen und mich um den Kuchen für die Seniorinnen und Senioren kümmern.

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich brauche solch einen Wink immer mal wieder - nicht nur mit dem Zaunpfahl sondern gleich mit einem ganzen Lattenzaun, damit ich merke, wie ernst das ist. In diesem Fall habe ich es geschafft zuzuhören und werde alles geben, das Gehörte umzusetzen. Und ich hoffe, euch gelingt das auch.

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