Nahrung für ein neues Leben



Predigt am 30.06.2019 zu Jesaja 55, 1-5

Ihr Lieben,
Letzten Montag nervte ich meinen Mann wie üblich mit der Frage: Was machen wir denn heute Abend in der Feuerwehr? Normalerweise bekomme ich darauf keine Antwort. Ist ja nur fair, denn alle anderen, die nicht mit dem Zugführer verheiratet sind, wissen auch nicht vorher, was beim Übungsdienst auf sie zukommt. Dieses Mal bekam ich aber doch eine Antwort: „Wir machen erst Übungsdienst und dann gibt es Bratwurst.“

Oh, wie klasse, dachte ich. Dann müssen wir heute nicht kochen! Das heißt: 
Wir müssen uns nicht überlegen, was es zu essen geben soll. Wir müssen auch nicht mehr nicht einkaufen gehen. Wir bekommen ein sattes Abendessen - und das auch noch völlig umsonst. Wir müssen nicht einmal etwas dafür tun. Es heißt nämlich nicht: Nur wer mitgeholfen hat, die Bühne für das Hafenfest aufzubauen, darf dabei sein. Alle dürfen dabei sein, wenn gegrillt wird, und keiner muss etwas dafür bezahlen. 

Das ist wie im Jesaja Text: Da ist auch davon die Rede, dass es etwas ganz umsonst zu Essen und zu trinken gibt. Nun geht es bei Jesaja allerdings nicht um das Essen und Trinken im wörtlichen Sinn. Mit dem Essen und Trinken, das nichts kostet, ist die Verheißung von Leben gemeint. Passt ja aber auch irgendwie, denn wenn die Menschen leben wollen, müssen sie essen und trinken. Bei Jesaja ist aber die nicht nur das Leben an sich gemeint, sondern ein neues Leben. Die Menschen werden ein neues Leben haben.

Dem Volk Israel tat eine solche Verheißung damals richtig gut, nachdem, was es hat durmachen müssen. Die Israeliten waren ja aus ihrem Land vertrieben worden und in Gefangenschaft geraten. Das sollte sich aber ändern. 
Umsonst essen und trinken steht hier also auch für Befreiung. Nur wer frei ist, kann wirklich leben.

Bei uns gibt es auch viele Dinge, von denen wir uns, glaube ich, gerne befreien würden: Hass, Ignoranz, Intoleranz, Ablehnung, Vernachlässigung, Einsamkeit, Trauer oder Hilflosigkeit. Es gibt tatsächlich die Möglichkeit, sich davon zu befreien - zum Beispiel durch einen Grillabend bei der Feuerwehr, denn da wird ja nicht nur gegessen und getrunken.
Da werden Freundschaften geschlossen. Das wird sich gegenseitig geholfen. Da wird getröstet. Da werden die Menschen so genommen wie sie sind, mit allen Ecken und Kanten. Da wird gelacht. Da werden die wieder aufgebaut, die gerade auf dem Tiefpunkt sind. Und das alles kostet nix. Das passiert einfach so. Zumindest erlebe ich es so.

Wenn wir also Grillabende veranstalten, dann helfen wir dabei mit, dass Jesajas Worte wahr werden, was schon ziemlich cool ist.

Ich kann allerdings nicht verhindern, dass ich auch über die wörtliche Bedeutung von „essen und trinken umsonst“ nachdenke. Ja, ich weiß, dass das nicht so gemeint ist. Ich weiß sehr wohl, dass es sich bei diesem Text um so etwas wie weisheitliche Literatur handelt. 
Trotzdem frage ich mich, wie hungernde Menschen einen solchen Text wohl lesen oder hören würden. Was würde einer Mutter in Äthiopien dabei durch den Kopf gehen, die gerade ihr Kind mit Hungerbauch im Arm hat und nicht weiß, was sie diesem Kind zu essen geben soll. Für uns ist es leicht, die Worte aus dem Buch Jesaja im übertragenen Sinn zu hören, denn wir sind ja satt. Wir haben genug zu essen und wir haben Zugang zu sauberem Wasser. Die meisten von uns können es sich leisten, für Essen und Trinken zu bezahlen. 
Es gibt aber viele Menschen, die das nicht können. Fragen sie sich: „Wo ist denn nun die kostenlose Nahrung, die uns da versprochen wird?“
Diese Frage kann ich natürlich nicht beantworten. Aber ich weiß, dass für arme Menschen trotz des wörtlichen Hungers auch ein neues Leben möglich ist. 

Bleiben wir mal bei dem Land Äthiopien. Dieses Land, das zu den ärmsten der Welt gehört, ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass es nicht immer nur auf materielle Dinge ankommt, beziehungsweise, dass es nicht nur auf materielle Dinge ankommen darf, wenn es um das Leben geht. Äthiopien hat nämlich ein Weltraumobservatorium und vor 15 Jahren wurde die Äthiopische Weltraumforschungsgesellschaft gegründet.
Ja, dieses Land leistet sich den Luxus, im wahrsten Sinne des Wortes nach den Sternen zu greifen, anstatt das dafür benötigte Geld für die Ärmsten der Armen auszugeben. Ich finde, dass darin unglaublich viel Hoffnung liegt! Weil damit nicht nur versucht wird, den Horizont zu erweitern, sondern weil den Menschen in Äthiopien der Weg geebnet wird für Bildung und Wissenschaft. Auch das ist Leben. 

Uns ist also neues Leben verheißen. Und wenn es darum geht, dass diese Verheißung auch wirklich wahr wird, dann haben Helgoländer Feuerwehr und Äthiopisches Weltraumobservatorium eins gemeinsam: Die Menschen tun etwas dafür. Vielleicht nicht bewusst, aber sie tun etwas für neue Möglichkeiten, neue Perspektiven, neue Erfahrungen, und am Ende ein neues Leben. Wir können das auch. Wir müssen nicht gleich ein Weltraumobservatorium bauen, aber eine Grillwurst kriegen wir schon gebraten. Oder wir sind einfach nur da für, die die uns brauchen. Im Grunde reicht schon die richtige Einstellung, denn der Rest kommt dann von ganz alleine.

In meinem letzten Urlaub habe ich im Autoradio immer wieder ein Lied gehört, das genau diese Einstellung wiedergibt.

Ich finde, da haben ein paar Musiker und Musikerinnen es wirklich begriffen und geben im Grunde dieselbe Botschaft an uns weiter, die auch der Verfasser des Jesajatextes an uns weitergibt: Für das, was wirklich wichtig ist, für das, was dich wirklich leben lässt, musst du nichts bezahlen. Aber du kannst auch selber etwas dafür tun.

Das Lied heißt „Little Help“ und ist von The Boss Hoss aufgenommen worden (mit Mimi und Josy, den beiden Gewinnerinnen der Letzen „The Voice-Kids“ Sendung). In diesem Lied geht es um Menschen, die Hunger haben: Seelischen Hunger. Sie hungern nach Aufmerksamkeit, nach Annahme, nach Liebe und verkaufen sich, bei dem Versuch, satt zu werden.

Dies ist im Groben die deutsche Übersetzung eines Auszuges aus dem Liedtext:

Willst die ganze Hingabe haben, denn sie trägt dich nach oben
Willst von Allem das Meiste um dein Verlangen zu befriedigen
Willst die meiste Bewunderung, das größte Stück
Die meisten Likes, sieh dich an, du bist wie ein Öffentlicher Ausverkauf
Willst die volle Aufmerksamkeit, um deinen Narzissmus zu stillen
Willst das ganze Scheinwerferlicht, um uns zu zeigen was du in deiner Küche anstellst
Willst das Ganze 7 Tage in der Woche und 24 Stunden am Tag 
für das Rampenlicht, für das du dein Privatleben aufgibst

Refrain

(…)

Willst den Ruhm eines VIP und dafür zahlst du den Preis.
Aber es ist nur Ruhm in einem Rahmen bis dein Akku stirbt.
Willst das Maximum an Klicks haben und du chattest und jagst.
Aber wenn ich mit dir rede, kannst du mir nicht mal ins Gesicht sehen.
Ohne Dein Gerät weißt du nicht, wie du denken sollst.
Überprüfe deine Instafreunde, weil du ein beeinflusstes Ding bist.
Aber man bekommt nie das, was man sieht, wenn sie richtig cool posieren
Besorg dir ein Leben, du kleiner Narr.

Refrain:
Wenn du ein bisschen Liebe brauchst mein Freund
komm’ vorbei, ich werd’s verstehen.
Wenn du etwas Vertrauen benötigst, mein Liebes,
komm‘ vorbei, ich werde hier sein.
Und wenn du ein wenig Hilfe brauchst,
die niemals endet,
komm vorbei und nimm meine Hand.
Wenn du ein bisschen Liebe brauchst, 
werde ich dein Freund sein

Besorg‘ dir ein Leben, du kleiner Narr“ heißt es in dem Lied! Genau dieses Leben ist uns von Gott zugesagt, und wir bekommen es auch, weil es Menschen gibt, die sagen: Wenn du Hilfe brauchst, dann komm‘ vorbei und nimm meine Hand.

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