Die Liebe ist das Brot des Lebens




Predigt am 04.08.2019 zu Johannes 6, 30-35

Ihr Lieben,

ein Artikel aus der "Zeit" vom Dezember 2012 berichtet über die Zustände in rumänischen Waisenhäusern. Hier ein paar Auszüge aus dem Zeitungsartikel:

„Gespenstisch war die Stille in den Sälen", erinnert sich Nelson an seinen ersten Besuch. Die Kinder lagen auf dem Rücken und starrten an die Decke. "Aber warum sollten die Kinder auch schreien? Es hat sie ohnehin niemand beachtet. Wir dagegen mussten oft den Raum verlassen, damit die Kinder uns nicht weinen sahen.

Nachdem man einige Kinder in Pflegefamilien untergebracht hatte, konnte folgendes festgestellt werden:

• Die Folgen der schlechten Betreuung fallen schon in ihrer körperlichen Entwicklung auf. Obwohl die Kinder im Heim genug zu essen bekamen, waren sie deutlich kleiner als ihre Altersgenossen. Erst in der Pflegefamilie begannen sie zu wachsen und holten den physischen Rückstand auf.
• Intelligenztests ergaben für die institutionalisierten Kinder einen durchschnittlichen Wert von 73 – am Rande geistiger Behinderung. Die Kinder der Kontrollgruppe hatten einen durchschnittlichen IQ von 103. Nach einer gewissen Zeit in den Pflegefamilien machte der IQ der Heimkinder einen Sprung um etwa zehn Punkte.

Die Sprache der Heimkinder war stark beeinträchtigt. Eine Reihe psychiatrischer Probleme wurde festgestellt. Die Kinder würden später als Erwachsene in der Welt nicht zurechtkommen.

Man war außerdem zu der Ansicht gekommen,
„... dass Vernachlässigung bei sehr jungen Kindern nicht nur emotionale und psychische Störungen nach sich zieht, sondern tief in die Biologie eingreift.“(Quelle: Die Zeit 13. Dezember 2012, https://www.zeit.de/2012/51/Isolation-Kinder-Waisenhaus-Rumaenien)

An dem Beispiel dieser Kinderheime können wir sehen, dass es für uns Menschen nicht reicht, wenn wir körperlich satt werden. Die Kinder in den Heimen hatten zu essen bekommen, sie hatten einen Schlafplatz, konnten sich waschen oder wurden gewaschen. Aber sie bekamen keine Zuwendung. Niemand nahm sie in den Arm. Niemand spielte mit ihnen. Niemand lachte mit ihnen. Deshalb diese massiven Störungen.

Die Kinder hatten zwar Brot zu essen bekommen, aber sie hatten kein Brot des Lebens bekommen.

Was wir Menschen alle brauchen, ist das Brot des Lebens. Das Brot des Lebens ist die Liebe. Für mich ist das eine ganz einfache Rechnung: Die Bibel sagt, Gott ist die Liebe. Christus ist Gott in Menschengestalt. Und wenn Christus sagt, er ist das Brot des Lebens, dann ist das Brot des Lebens die Liebe. Und genau das brauchen wir. Wenn wir es nicht bekommen, verkümmern wir.

Die gute Nachricht ist, dass wir nicht auf das Brot des Lebens verzichten müssen. Es ist genug für uns alle da, denn Christus ist für uns alle da. Im Überfluss. Gott ist in Jesus Christus Mensch geworden und das ist seine / ihre Art und Weise, mit der Gott uns in den Arm nimmt, und uns wissen lässt: „Du bist mein geliebtes Kind und ich bin immer für dich da.“ Weil ich das so sehen kann, ist Gott für mich wohl auch immer so etwas wie ein drittes Elternteil gewesen. Ich kann Gott zwar nicht sehen, aber tief in mir drin weiß ich, dass ich von Gott geliebt und angenommen bin, so wie ich bin. 

Brot ist ein Grundnahrungsmittel und Brot ist zumindest für uns hier leicht zugänglich. Dasselbe gilt für die Liebe Gottes. Die ist ebenfalls ein Grundnahrungsmittel für uns Menschen und sie ist ebenso leicht zugänglich. Zumindest, wenn wir uns nicht benehmen wie der Suppenkasper, der ständig sagte: „Ich esse meine Suppe nicht!“ Das einzige, was uns das Brot des Lebens unzugänglich macht, sind wir selber, wenn wir sagen: „Ich esse mein Brot nicht!“

Dieses Brot des Lebens wird natürlich noch für viel mehr Menschen zugänglich, wenn wir bereit sind zu teilen und von dem Brot des Lebens etwas abzugeben. Wir können von der Liebe etwas abgeben. Genauso hat es Jesus ja auch gemacht und wenn wir seinem Beispiel folgen, dann bekommen noch mehr Menschen etwas ab vom Brot des Lebens. Was dringend nötig ist, wie wir an dem Beispiel der Kinderheime in Rumänien sehen.

Heute taufen wir ein Kind in diesem Gottesdienst. Die Taufe ist die Aufnahme in die Kirche und damit in eine große christliche Familie. Taufe bedeutet im Grunde, dass hier ein Mensch mit dem Brot des Lebens gefüttert wird, denn Gott sagt dem Täufling zu: Ich habe dich lieb und nehme dich an! Und wir Menschen sagen dem Täufling ebenfalls zu: Wir haben dich lieb und nehmen dich an.

Für mich bekommt das Brot des Lebens und die Liebe, die darin steckt, Ausdruck in den Fürbitten, die die Patin für unseren Täufling formuliert hat. Diese Fürbitten haben ihren Ursprung in der Liebe Gottes. Diese Liebe wird weitergegeben an einen Menschen, der dann seinerseits die Liebe weitergeben kann an andere:

- Herr, wir bitten Dich, schenke unserem Täuflingneben einem klaren Verstand ein großes Herz. Lass sein Herz offen und stark sein, anderen Liebe zu schenken und ihnen mit Liebe zu begegnen; sich selber zu lieben und daraus Kraft und Mut zu schöpfen. Bestärke ihn täglich aufs Neue mit dem Herzen zu sehen und nicht nur mit den Augen, mit dem Herzen zu lieben und nicht nur mit Worten. Wir bitten Dich, enttäusche sein Vertrauen in sein Herz nicht. Lass ihn unbeschadet und behüte ihn. 

- Lieber Gott wir bitten Dich, 
dass unser Täufling voller Zuversicht, Mut und Energie durchs Leben schreitet. Bitte lasse ihn das Schöne in der Welt sehen - in den kleinen und großen Dingen deiner Schöpfung. Lasse sein Herz von Freude erfüllt sein und versetze Ihn in die Lage diese Freude mit seinen Mitmenschen zu teilen. Herr, schenke unserem Täufling Menschen die ihn mit Liebe umgeben und gebe Ihm Hoffnung und Stärke wenn er traurig und erschöpft ist.

- Herr, schenke unserem Täufling Menschen, die ihn mögen und ihm Mut machen, ihn bestätigen und inspirieren, die ihm Vorbild sein können und sein Leben bereichern, die ihn mit Ehrlichkeit und konstruktiver Kritik auf den richtigen Weg bringen.
Wir bitten Dich, dass unser Täufling keine Angst haben muss, von lieben Menschen verlassen zu werden. Gib ihm Mut, Vertrauen und ein gutes Herz, um auf andere zuzugehen und Offenheit für alles Neue. Lasse sein Herz vor Freude überströmen und diese Freude weiterschenken.

Übrigens wäre es schon gut, wenn wir nicht nur gute Wünsche für unseren Täufling haben, sondern selber dazu beitragen, dass diese Wünsche für ihn, für andere Kinder und für andere Menschen ganz allgemein auch in Erfüllung gehen.

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