Dienen statt reden



Predigt am 20.10.2019  zu Jakobus 2, 14-26  

Ihr Lieben,
neulich bin ich über eine ganz tolle Aktion der Berliner Stadtmission gestolpert: Ein Obdachlosenball!

Auf welt.de findet man dazu folgenden Artikel:

Und dann packt Inge die Frischhaltedose aus
Ingeborg Wohlgemuth ist jeden Abend hier - außer Sonntag und Montag, da ist die City Station geschlossen. Aber dieser Samstagabend ist anders. Die City Station im Westen von Berlin ist in neinen Ballsaal verwandelt worden. Der Bezirksbürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf, Reinhard Neumann, hat mit einem Grußwort den Abend für etwa 150 Gäste eröffnet.: Heute, sagte er, wolle man gemeinsam das Leben feiern.

Zur City Station findet man folgende Information:
Die City-Station ist ein alkoholfreies Restaurant ganz in der Nähe des Ku'damms. Seit 1975 bieten wir hier Gastlichkeit und preiswertes Essen. Menschen mit und ohne Wohnung können bei uns soziale Beratung, Seelsorge und gutes Essen erhalten. Es kann ausgeruht, gegessen, geredet, gespielt oder gelesen werden. Außerdem gibt ein Kleiderangebot, ein kleines Waschcenter und die Möglichkeit zu duschen.

Drei Sozialarbeiter/Innen und Diakon/Innen und viele ehrenamtliche Mitarbeitende begleiten die Menschen bei persönlichen und seelsorgerischen Problemen. Wenn es nötig ist, vermitteln wir weiter an die soziale Wohnhilfe und andere Fachberatungsstellen. Regelmäßig finden Gespräche zu Glaubens- und Lebensfragen statt, kulturelle und sportliche Aktivitäten. Wir möchten, dass unsere Gäste eigene Fähigkeiten wiederentdecken und sich den Herausforderungen des Lebens stellen.

Für mich das gelebter christlicher Glaube. Das ist überhaupt das, was die Diakonie tut: Unseren christlichen Glauben praktisch umsetzen. Der Begriff kommt von dem griechischen Wort διακονία, das „Dienst“ bedeutet. Der Diakonie geht es in erster Linie um den Dienst am Menschen. Ich finde, dass das genau das umsetzt, was der Verfasser des Jakobusbriefes fordert:

Ein Bruder oder eine Schwester hat keine Kleider. Ja, er hat nicht einmal das tägliche Brot zu essen. Einer von euch könnte nun zu ihnen sagen:
"Friede sei mit euch, ihr sollt es warm haben und satt sein!"
Was nützt das, wenn ihr ihnen nicht gleichzeitig gebt, was sie zum Leben brauchen?“ 
Die Theorie ist nichts wert ohne die praktische Umsetzung.

Für uns heißt das: Wir müssen begreifen und annehmen, dass wir Dienerinnen und Diener sind. Ich finde, dass diese Perspektive eine Menge verändert. Ich bin mir sicher, dass es die Art und Weise verändert, wie wir mit anderen Menschen umgehen. Es verändert auch die Art und Weise, wie wir leben. Es macht uns hoffentlich demütiger. Es macht uns von Besserwissern und Besserwisserinnen zu wirklichen Christinnen und Christen.

Kleine Anmerkung am Rande: Die praktische Umsetzung unseres Glaubens sollte sich nicht nur auf den Dienst am Menschen beschränken. Gottes Schöpfung wertzuschätzen gehört für mich ebenfalls dazu. Wenn wir also achtsam mit unserer Umwelt umgehen, dann ist das genauso Ausdruck unseres christlichen Glaubens.

Der Jabobusbrief fordert uns also zum Handeln auf. Die Kirche kommt dem unter anderem nach durch die Arbeit der Diakonie. Wir können dem nachkommen durch aktive Nächstenliebe, für die es viele Möglichkeiten gibt. Da wird zum Beispiel jemand ausgelacht (in der Schule oder am Arbeitsplatz) vielleicht weil er oder sie etwas Bestimmtes anhat oder etwas Bestimmtes gesagt hat. Unser Job ist es dann, dazwischen zu gehen und deutlich zu machen, dass das ein Verhalten ist, das verletzt und dass das deshalb nicht in Ordnung ist.

Wenn wir uns in unserer direkten Umgebung umsehen, dann werden wir viele Möglichkeiten entdecken, wie wir der Forderung des Jakobusbriefes nachkommen können und wie wir zu Dienerinnen und Dienern werden können.

Aber: Das Dienen ist nicht dazu da, um uns die Fahrkarte in den Himmel zu sichern. So funktioniert das nicht. Den Platz im Himmel können wir uns nämlich nicht verdienen, völlig egal, ob wir dafür Geld bezahlen oder ganz viel Gutes tun. Das hat schon Martin Luther erkannt. Vielleicht ist das auch der Grund, dass man ihm nachsagt, er hätte für den Jakobusbrief nicht viel übriggehabt, der ja genau das fordert: dass wir gute Taten vollbringen, wenn wir es mit unserem Glauben ernst meinen.

Luther hat ja festgestellt, dass wir uns die Vergebung für unsere Verfehlungen nicht erkaufen oder erarbeiten können. Die kommt ganz allein aus der Gnade Gottes. Wir bekommen diese Vergebung und damit das ewige Leben von geschenkt, weil er uns so liebhat.
Trotzdem wäre es falsch, sich zurückzulehnen und gar nichts zu tun. Da gebe ich dem Jakobusbrief recht: Ein Glaube, der nicht in die Tat umgesetzt wird, ist nutzlos!

Ich finde auch nicht, dass sich Luthers „sola gratia“ („allein aus Gnade“) und gute Taten ausschließen. Ich denke, es geht hier nur um die richtige Reihenfolge und beziehungsweise um den Grund für unseren Dienst am Nächsten. Ist der Grund der, dass wir nur dienen, weil wir in den Himmel wollen, sprich ewiges Leben haben, dann läuft das was schief.

Dienen wir, weil wir es einfach richtig finden und weil wir es vielleicht sogar auch gerne tun, dann passt das.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden der Berliner Stadtmission ihre Arbeit tun, um sich damit das ewige Leben zu verdienen. Ich glaube, sie tun es einfach. Weil es gut ist. Weil es richtig ist. Und weil es vielleicht sogar Spaß macht. Ich bin mir sicher, dass der Auslöser dafür der christliche Glaube ist.

Und so funktioniert das überall, wo Christinnen und Christen Gutes tun.
Ich denke, dass zuerst der Glaube da ist, dass wir von Gott geliebt sind und dass Gott es gut mit uns meint. Daraus ergibt sich automatisch der Wunsch, diesen Glauben auch zu leben. Praktische Nächstenliebe inklusive.

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich helfe nicht, weil ich muss. Wenn ich helfe, dann tue ich das, weil ich es möchte und weil es mir sogar Spaß macht. Und ich bin fest davon überzeugt, dass daran mein Glaube an einen liebenden Gott schuld ist. Ich bin nicht Pastorin geworden, damit mir mein Platz im Himmel sicher ist. Auch Feuerwehrfrau bin deshalb nicht geworden. Ich habe den Beruf der Pastorin ergriffen, weil ich gerne von der Liebe Gottes etwas weitergeben möchte, gerade an die, die nicht so viel davon zu spüren bekommen, weil das Leben es nicht gut mit ihnen meint. 
Ich bin ehrenamtliche Feuerwehrfrau geworden, weil ich denen helfen möchte, die in Not sind - zum Beispiel weil ihr Haus brennt.
Das sind Dinge die ich gerne tue und nicht weil ich denke, dass Gott sie von mir erwartet.

Ich habe das Thema Feuerwehr noch einmal angeschnitten, weil wir das ja letzten Sonntag im Zusammenhang mit der Rahab Geschichte hatten und weil die Geschichte im Jakobustext von heute aufgegriffen wird. Letzten Sonntag ging es um Vertrauen. 

Und jetzt übertragen wir das Ganze mal auf das Thema von heute: 
Rahab hat den Kundschaftern auch nicht geholfen, weil sie musste oder weil es von ihr erwartet wurde. Rahab hat es einfach getan, weil sie Vertrauen hatte und weil sie wusste, dass es das richtige ist. Das Vertrauen in den Gott der Israeliten war zuerst da. Und daraus ergab sich ganz automatisch ihre Hilfsbereitschaft. Dasselbe trifft übrigens auch auf die beiden Kundschafter zu. Sowohl Rahab als auch die Kundschafter sind ein wunderbares Beispiel für gelebten Glauben, für praktische Nächstenliebe, für den Dienst am Menschen.

Und diesem Beispiel sollen wir nicht folgen, wir werden es als Christinnen und Christen ganz automatisch tun. Umkehrschluss: Wenn wir es nicht tun, dann stimmt was mit dem Glauben nicht.
Ich stimme also dem Verfasser des Jakobusbriefes voll und ganz zu, der schreibt: Ein Glaube, der nicht in die Tat umgesetzt wird, ist nutzlos!
Die Berliner Stadtmission hat das übrigens in ihrem Leitbild. Der letzte Satz des Leitbildes heißt: „Der christliche Glaube ermutigt uns, über Grenzen hinaus zu denken und zu handeln.“ Und mit dem Obdachlosenball ist das total klasse umgesetzt.                               Amen

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