Tür zu?

Predigt am 24.11.2019  zu Matthäus 25, 1-13

Ihr Lieben,

seid ihr schon einmal so spät dran gewesen, dass es endgültig zu spät war? Die Tür war zu und man hat euch nicht mehr reingelassen?

Ich habe schon ein paar solcher Erfahrungen in meinem Leben gemacht. Nicht immer stand ich buchstäblich vor verschlossenen Türen, aber zu spät dran war ich öfter. Mir ist zum Beispiel die Dünenfähre vor der Nase weggefahren, weil ich zu spät dran war. Und zu spät dran war ich, weil ich auf halbem Weg zum Fähranleger festgestellt hatte, dass ich nochmal zurück musste. Ich hatte das Portemonnaie vergessen! Sowas ist grundsätzlich kein Weltuntergang, denn spätestens eine Stunde später fährt die Dünenfähre ja wieder. Meistens fährt sie ja sogar halbstündlich. (Wenn man allerdings ein Flugzeug erreichen muss, dann ist das nicht so klasse, wenn man die Dünenfähre verpasst.)

Als ich fast meine mündliche Abiprüfung vermasselt hätte, weil ich zu spät dran war, wäre das durchaus ein Weltuntergang gewesen - jedenfalls für mich.

Ich hatte nicht mitbekommen, dass es vor der Prüfung eine 30minütige Vorbereitungszeit geben sollte. Der Vorbereitungsraum war der Kunstsaal. Da hätte ich hingemusst. Ich wartete allerdings vor dem Prüfungsraum, nicht vor dem Kunstsaal, wo ich meine Aufgabe bekommen hätte inklusive etwas Zeit, um mich auf die mündliche Prüfung vorzubereiten. Wie man sich vorstellen kann, gab es in der Schule schon ein bisschen Aufregung. Man hatte sogar schon bei meinen Eltern angerufen um nachzufragen, ob ich denn überhaupt zur Schule gekommen sei. Es löste sich am Ende alles in Wohlgefallen auf. Man fand mich noch einigermaßen rechtzeitig und ich hatte sogar noch 10 Minuten Vorbereitungszeit vor der Prüfung, die ich dann auch bestanden habe.

Es aber auch anders laufen können und am Ende  wäre vielleicht eine Tür für mich verschlossen gewesen sein können: Die Tür zum Studium nämlich.

Aber: Eine Abiprüfung kann man notfalls wiederholen. 

Unser Leben können wir allerdings nicht wiederholen.

Was ist, wenn es um die Tür zum ewigen Leben geht? Was ist, wenn wir schlecht vorbereitet und deshalb zu spät dran sind und die Tür ist zu? Ein für alle Mal?! Da ist es nicht wie im Kino, wo man auch später, wenn der Film schon angegangen hat, schnell noch reinschlüpfen kann.

Wenn die Tür zum ewigen Leben zu ist, dann bleibt sie auch zu. So jedenfalls kann man das Gleichnis verstehen, das uns da im Matthäusevangelium erzählt wird.

Eigentlich bezieht sich dieses Gleichnis auf das Wiederkommen Christi. Der ist ja nach seiner Auferstehung in den Himmel aufgefahren. Er wird aber irgendwann wiederkommen und sein Friedensreich aufrichten. Wer nicht vorbereitet ist, wer sich verspätet, der findet dann aber nur eine verschlossene Tür zu Gottes Reich vor.

Wenn wir aber vom Reich Gottes reden, dann reden wir auch von der Ewigkeit. Wir reden auch vom ewigen Leben, denn das ewige Leben ist Teil von Gottes Reich. Wenn also die Tür zu ist, dann haben wir auch keinen Zugang zum ewigen Leben mehr.

Was für eine furchtbare Vorstellung! Besonders an einem Tag wie heute, an dem wir an unsere Verstorbenen denken! Da kommt unweigerlich die Frage auf: Waren sie gut vorbereitet? Oder war ihnen die Tür zum ewigen Leben vielleicht schon verschlossen?

Und was ist mit uns? Was müssen wir tun, damit wir gut ausgerüstet sind für den Weg zum ewigen Leben?

Um das Bild mit den dummen und den klugen Brautjungfern aus dem Matthäusevangelium aufzugreifen: Wir brauchen Lampenöl! Was aber ist in unserem Leben das Lampenöl, das uns am Ende unsere Lampen anzünden lässt, um den Weg zum ewigen Leben zu finden? Und zwar bevor sich die Tür schließt?

Ist es die Taufe? Und das Abendmahl? Gute Taten sind es nicht, wie Martin Luther bereits festgestellt hat. Und wenn wir schon bei Luther sind, dann wissen wir: Geld ist es auch nicht. Wir können uns den Weg ins ewige Leben nicht erkaufen, weder mit guten Taten noch mit Geld. Aber es ist auch nicht die Armut, die uns die Tür ins ewige Leben öffnet. Man könnte das denken, denn schließlich hat Jesus mal zu einem reichen Mann gesagt, er müsse alle seine Reichtümer weggeben, um in den Himmel kommen zu können. Ja, die Armut, oder ein bescheidenes Leben können helfen, den Weg ins ewige Leben zu ebnen, aber nicht allein. Dabei kommt es auf die Motivation an. Was bringt mich dazu, meinen Besitz wegzugeben? Nur der Wunsch, in den Himmel zu kommen oder die Nächstenliebe?

Ich habe mal ein Buch geschenkt bekommen über Nahtoderfahrungen: „Blicke hinter den Horizont“ von Jörgen Bruhn. Das gibt uns ein paar ganz interessante Hinweise, was das Lampenöl sein könnte, das wir für unseren Weg ins ewige Leben brauchen.

Das erste, was ich ganz spannend fand, war die Tatsache, dass offensichtlich auch Atheist*innen ein Licht sehen und dass eine Nahtoderfahrung auch zum Glauben führen kann. 

Und dann haben Menschen, die solche Erlebnisse hatten, festgestellt, dass es nicht egal ist, wie wir unser Leben leben: Wir sollen Liebe verwirklichen und uns um Wissen kümmern.

(Vergleiche dazu: Jörgen Bruhn, Blicke hinter den Horizont, Alsterverlag, 3. überarbeitete Auflage, Hamburg 2013, S. 40 f)

In der Bibel heißt es dazu, dass wir Gott lieben sollen und unsere/n Nächste/n. 

Was ist jetzt aber, wenn ich das nicht schaffe? Ich persönlich kann gar nicht immer liebevoll sein. Manchmal bin ich stinksauer auf Gott. Manchmal habe ich Gott gar nicht lieb. Und meine Nächsten auch nicht. Manchmal kann ich andere Menschen auf Gedeih und Verderb nicht ausstehen. Oder ich bin egoistisch. Oder ignorant. Ich kann auch ganz wunderbar oberflächlich sein. Klar kann ich auch liebevoll sein. Aber: reicht das am Ende für den Weg ins ewige Leben?

Mit dem Wissen ist das ähnlich: Wenn es darum geht mir, Wissen anzueignen, bin ich eine ziemlich faule Socke. Freiwillig tue ich das selten. Oft eigne ich mir Wissen nur an, weil ich es muss. Auch hier wieder die Frage: Reicht das am Ende?

Die gute Nachricht ist: Ja, es reicht. Ja, ich bin genug, so wie ich bin.

Oder: Nein, die Tür wird nicht verschlossen sein. Für mich nicht und für die Menschen, von denen ich im Laufe meines Lebens habe Abschied nehmen müssen, auch nicht. Denn wir alle haben schon eine große Portion Lampenöl dabei: Gottes Liebe und Gottes Gnade.

Da ist sie ja wieder, die Liebe! Die ist nämlich nicht einseitig. Die Liebe geht ja nicht nur von uns aus, sondern erstmal kommt sie von Gott. Und weil Gott uns so sehr liebt, vergibt er uns. Er (oder sie) vergibt uns unser Scheitern. Gott vergibt uns, wenn wir es mal nicht schaffen, die Liebe zu leben. Gott vergibt uns auch, wenn wir es mal nicht schaffen, viel Wissen anzuhäufen.

Das ist die gute Nachricht, die ich euch heute mitgeben möchte: Wir werden genug Lampenöl haben und die Verstorbenen, an die wir heute denken, waren ebenfalls mit genug Lampenöl ausgestattet. Damit hatten sie Licht, um den Weg zum ewigen Leben zu finden. Damit hatten sie Licht, um die offene Tür zu finden!