24 Liebesbeweise



Predigt am 01.12.2019 zu Römer 13, 8-12

Ihr Lieben,

auch dieses Jahr hängt im Helgoländer Pastorat wieder ein Adventskalender. Ich habe, glaube ich, schonmal erzählt, dass mein Mann und ich uns einen Adventskalender teilen. Einer bekommt die geraden Zahlen, die andere die ungeraden. Es ist auch noch keiner von uns auf die Idee gekommen, den Adventskalender abzuschaffen. Auch wenn das Befüllen ja doch immer mit Arbeit verbunden ist und man gute Ideen braucht – die man manchmal nicht hat. Sich jedes Jahr wieder etwas Neues einfallen zu lassen, ist gar nicht so leicht.

Aber ich bin froh, dass es heutzutage durchaus gesellschaftsfähig ist, wenn auch Erwachsene einen Adventskalender haben. Adventskalender sind nicht nur für Kinder. Auch für uns ist es schön, wenn ein Adventskalender die Zeit bis Weihnachten verschönert.

Ich erinnere mich, dass ich sogar einen Adventskalender mit nach Papua Neuguinea bekam. Das war direkt nach meinem Studium und ich sollte ein knappes halbes Jahr dort verbringen, von September bis Anfang Februar. Es war schon ganz spannend, dass meine Mutter mir unbedingt einen Adventskalender mitgeben wollte. Ein Jahr vorher wollte ich wissen, ob ich wieder einen Adventskalender bekäme und sie hatte sie mich gefragt: „Bist du für sowas nicht schon zu alt?“ Und ich hatte mich damals gewundert: Kann man für sowas überhaupt zu alt sein?

Was Papua-Neuguinea anging, hatte ich allerdings Bedenken, denn ich konnte ja nicht viel Gepäck mitnehmen. Aber der Adventskalender, ein von meiner Mutter selbst genähter Wandbehang mit Stoffbeutelchen, wurde in den Koffer gepackt und ans andere Ende der Welt mitgenommen. Es war natürlich keine Schokolade darin. Die wäre so nah am Äquator geschmolzen. Dafür fand ich dann Kärtchen mit schönen Texten und ganz viele Anhänger für einen Adventstrauß. Mama hatte sich nämlich vorher informiert und wusste, dass es in Papua-Neuguinea Kiefern gab. Sie war also optimistisch, dass ich für den Advent ein paar Kiefernzweige auftreiben und diese dann nach und nach mit den Anhängern bestücken würde. Und soll ich euch was sagen: Genau das hatte ich getan. Und mich tierisch gefreut, denn in dieser ganzen Aktion steckte einfach ganz viel Liebe.

Adventskalender sind grundsätzlich Ausdruck der Liebe, wie ich finde. Wenn ich die Beutelchen für meinen Mann fülle, dann ist auch immer ganz viel Liebe mit drin. Ich ertappe mich dann dabei, wie ich versuche, die Dinge an ihn weiterzugeben, die mir als Kind mit meinem Adventskalender schon Freude gemacht haben. Mehr wird an dieser Stelle nicht verraten, denn wir wollen ihm ja nicht die Überraschung verderben.

In Adventskalendern steckt also ganz viel Liebe - oft jedenfalls. Es ist Liebe, die Eltern für ihre Kinder haben, es ist Liebe, die Partner füreinander haben oder Liebe unter Freunden. Abhängig davon, wer auch immer wem gerade einen Adventskalender schenkt.
Warum sollte man sich denn sonst so viel Mühe mit einem Adventskalender geben, wenn nicht als Zeichen der Zuneigung, der Nähe und der Verbundenheit?

Um Liebe geht es ja auch bei Christi Geburt. Weihnachten wird ja nicht umsonst als das Fest der Liebe bezeichnet. Dabei geht es nicht nur um die Liebe, die wir anderen Menschen entgegenbringen. Es geht zuerst mal um Gottes Liebe. Mit Jesus Christus hat Gottes Liebe menschliche Gestalt angenommen. Ich finde es schön, wenn wir uns darauf mit 24 kleinen Liebesbeweisen vorbereiten. 
Und deshalb kann man für einen Adventskalender auch nie zu alt sein. Für die Liebe ist man ja auch nie zu alt. So!

Besonders schön finde ich den Satz von Paulus „Denn wer seinen Mitmenschen liebt, hat das Gesetz schon erfüllt.“ Damit sind die zehn Gebote gemeint, die uns ja eigentlich das Leben ziemlich schwer machen. Immer dieses: Du sollst! Oder: Du sollst nicht! Dabei ist es doch ganz einfach: Liebe Gott und liebe deine/n Nächste/n. So lassen sich übrigens auch die zehn Gebote zusammenfassen, denn die ersten beiden beziehen sich auf Gott: „Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ Und: „Du sollst den Namen Gottes nicht missbrauchen.“ 
Wenn wir Gott also zeigen, dass er (oder sie) nicht einer (oder eine) von vielen ist und wenn wir Gottes Namen nicht in den Schmutz ziehen, dann zeigen wir damit Gott unsere Liebe. Das Befolgen der anderen Gebote ist Ausdruck der Nächstenliebe. Das hat uns Paulus ja vorhin auch schon mitgeteilt. Meine Konfirmandinnen und Konfirmanden freuen sich übrigens immer sehr, wenn ich ihnen sage, dass sie im Grunde nicht zehn Gebote auswendig lernen müssen, sondern nur zwei.

Wenn wir also unsere Liebe zeigen, dann ist das die perfekte Vorbereitung auf Weihnachten. Ich weiß aber auch aus eigener Erfahrung, dass das Liebhaben gerade in der Adventszeit besonders schwer sein kann. Wir sind nämlich einerseits tierisch harmoniesüchtig, alles soll stimmungsvoll und gemütlich sein. Aber die Realität sieht oft anders aus. Gerade im Advent gibt es eine Menge Stress, weil so viel für Weihnachten vorbereitet werden muss. Für mich selbst ist es schon immer eine große Herausforderung, das Haus adventlich zu schmücken. Eigentlich habe ich dafür zu wenig Zeit und bin dann am Ende so genervt, dass für Liebhaben gar kein Platz mehr ist. Und dann jagt eine Weihnachtsfeier die nächste, Plätzchenbacken mit der Jugendfeuer steht an, Weihnachtsgottesdienste müssen geplant, organisiert und vorbereitet werden, Geschenke gekauft, Sterne gebastelt, und was sonst noch. Da fällt das Liebhaben ganz schnell hinten runter.

Mein Rat, den ich mir übrigens auch selber geben muss: Vergesst nicht, euch selbst in der Adventszeit mit kleinen Aufmerksamkeiten zu bedenken! Mit Zeit, mit Pausen, mit Dingen, die euch guttun. Geht liebevoll mit euch selber um, denn dann könnt ihr auch liebevoll mit anderen umgehen. 
Wenn ich es hinbekomme, für mich selber zu sorgen, dann bin ich auch entspannt genug, dass ich für andere sorgen kann. Dann habe ich nicht nur die Zeit, sondern dann macht es auch Spaß, für jemand anderen einen Adventskalender zu bestücken. Oder jemanden in den Arm zu nehmen. Oder sich für jemand anderen Zeit zu nehmen.

Und das ist wichtig, denn das sind wir einander schuldig, sagt Paulus.
Jetzt können wir natürlich fragen: Wie kann ich jemandem Liebe schuldig sein? Liebe ist doch nicht etwas, das man einfordern kann, oder? Liebe passiert, oder sie passiert nicht. Man kann sie ja auch nicht mit einem Schalter an- und ausknipsen wie eine Lampe.

Wir können Liebe zwar nicht an- und ausknipsen, aber wir können uns trotzdem bemühen, liebevoll mit unseren Mitmenschen umzugehen. Jemandem Respekt und Wertschätzung entgegenzubringen, ist auch eine Form von liebevollem Handeln. Ich bin der Meinung, Paulus hat recht. Das sind wir einander wirklich schuldig. Es heißt zwar „Wenn jeder an sich selber denkt, dann ist an alle gedacht“, aber wenn wir auch an andere denken und uns ein bisschen Mühe geben mit dem Liebhaben, dann macht das Leben viel mehr Spaß. Uns allen.

Falls ihr also einen Adventskalender habt, dann erinnert euch bei jedem Öffnen eines Türchens, Beutelchens oder Päckchens daran, dass da nicht nur ein Bild, Text, Schokolade oder sonst eine Kleinigkeit drinsteckt, sondern auch eine große Portion Liebe. Und davon dürfen wir gerne etwas abgeben!

Übrigens: Heute ist erst der 1. Dezember. Es ist noch nicht zu spät für einen Adventskalender ...



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