Tischgemeinschaft


Predigt am 29.02.2020 zu Psalm 23, 5


Ihr Lieben,

ich möchte euch heute von einem Freitagnachmittag erzählen, an dem wir mit den Seniorinnen und Senioren im sogenannten Klausenclub zusammengesessen haben. Der Klausenclub heißt so, weil unsere Seniorinnen und Senioren sich in den Wintermonaten einmal wöchentlich in der Klause unseres Gemeindehauses zu Kaffee und Kuchen und ein bisschen Programm zusammenfinden. So auch am 24. Januar. Ich habe, wie fast immer, das Treffen des Klausenclubs mit einer kleinen Andacht begonnen. Zu diesem Zweck habe ich mich eines Buches bedient, das zu jedem Tag im Jahr ein paar Texte und Gedanken enthält. Es heißt „Evangelischer Lebensbegleiter“.

Am 24. Januar ging es darin um folgende Themen:
- Wie schön, wenn alle miteinander um einen Tisch sitzen.
- Man müsste mal wieder reinen Tisch machen.
- Es wird Zeit, dass wir uns mal gemeinsam an einen Tisch setzen.
Dazu gab es diesen Vers aus Psalm 23: Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.

Das führte am Ende dazu, dass wir zusammen den 23. Psalm aufsagten. Vielen ist er noch in Erinnerung. Außerdem hatte der Psalm ja auch während der Evakuierungszeit große Bedeutung für die Helgoländerinnen und Helgoländer, die ihre geliebte Insel hatten verlassen müssen. Dieser Psalm 23 hielt sie zusammen.
Wir sagten also den 23. Psalm auf und dann haben wir gemeinsam am schön gedeckten Tisch gesessen, Kaffee getrunken und Kuchen gegessen. 

Wie schön, wenn alle miteinander um einen Tisch sitzen!

Nach dem Kaffeetrinken holte ich meine Talkbox raus. Diese Talkbox ist eine Metallbox mit ganz vielen Karten zu verschiedenen Themenbereichen. Auf den Karten stehen Fragen, oder angefangene Sätze, die vervollständigt werden sollen, oder es gibt einen Begriff als Impuls, zu dem einem alles Mögliche einfallen kann oder man wird aufgefordert zu sagen, ob etwas zutrifft oder nicht. Auf diese Weise entstehen ganz tolle Gespräche. Es gibt inzwischen mehrere Ausgaben dieser Talkbox und ich hatte die mitgebracht, die unter dem Thema „Lebensgeschichten“ steht.

Da gab es dann Karten, die sich unter anderem mit folgenden Dingen beschäftigten: Woher kommt ein Teil deiner Verwandtschaft? Was bedeutet dein Familienname? Meine erste große Liebe ... . Mein erster Kuss ... .

Ihr könnt euch vorstellen, dass an diesem Nachmittag ganz viele Geschichten erzählt wurden: über Verwandtschaft, die schon immer auf Helgoland war, über schottische oder dänische Wurzeln, über Frauen, die nach Helgoland kamen, um hier Arbeit zu finden und die nicht nur Arbeit sondern auch die Liebe und den Mann fürs Leben fanden, und über Männer, die ihre Frauen vom Festland rübergeholt hatten. Natürlich gab es dabei auch ganz viele Geschichten über die Zeit auf dem Festland während der Evakuierung und über Rückkehr und Wiederaufbau. Das waren unglaublich bunte Lebensgeschichten voller Drama, Romantik, Traurigkeit, Humor und Freude. Einige der Anwesenden hatten diese Dinge noch selbst erlebt, andere erzählten von Eltern und Großeltern. Es war unglaublich schön, diese Geschichten zu hören, denn ich finde wir können so viel aus diesen Lebensgeschichten lernen. Deshalb sollten wir solche Geschichten öfter erzählen und hören, damit wir lernen, unsere Vergangenheit und bewältigen.

Soviel zum Thema: Man müsste mal wieder reinen Tisch machen!

Bewältigen reicht aber nicht, finde ich. Denn wir haben die Verantwortung, Krieg, Terror und Gewalt gar nicht erst zuzulassen. Wir haben die Verantwortung für einen respektvollen, wertschätzenden Umgang miteinander. Wir haben die Verantwortung, anderen Menschen mit Würde und Achtung zu begegnen und Konflikte friedlich zu lösen. 

Übrigens ist das etwas, das auch mein Andachtsbuch am 24. Januar als Idee des Tages vorschlägt.

Zu Thema „Einen reich gedeckten Tisch haben“ heißt es:
Nimm dir heute Zeit, den Tisch besonders liebevoll zu decken. Wenn du magst, lade jemanden aus deiner Familie oder Freunde ein. Wenn du allein sein willst, gönne dir die Muße, deine Mahlzeit bewusst zu genießen.

Zum Thema „Reinen Tisch machen“ steht da:
Überlege dir, welches Problem dich belastet. Suche nach Lösungen, wie es gelingen kann, einen Streit zu beenden oder unbequeme Wahrheiten anzusprechen.

Und zum Thema „Sich an einen Tisch setzen“ kann man folgendes lesen: Vielleicht gibt es eine Angelegenheit, die dringend geklärt werden müsste in der Familie oder im Freundeskreis. Überlege dir einen passenden Zeitpunkt und Ort und vereinbare einen Termin mit den Beteiligten.

Das sind wunderbare Ideen. Allerdings wird das nicht unbedingt leicht zu bewältigen sein. Und da ist es gut, dass Gott uns seine Unterstützung zusagt: Gott bereitet uns einen Tisch, sogar im Angesicht unserer Feinde. 
Gott lässt uns also nicht allein, wenn wir es schwer haben, sondern will uns gerade dann die Kraft geben, die wir so dringend brauchen.

Er salbt sogar unser Haupt mit Öl, was bedeutet, dass wir in Gottes Augen hochgeachtet sind. Gesalbt wurden damals, in der Entstehungszeit des Psalms, Könige und Priester. Und Gott schenkt uns voll ein, stillt also unseren Durst nach Leben. Das hat Gott damals getan, während der Evakuierungszeit und während des Wiederaufbaus, als die Helgoländerinnen und Helgoländer es wirklich schwer hatten. Das tut Gott aber auch heute noch für uns.

Und wir dürfen auch immer wieder zurückkommen, wenn wir uns abgewendet haben, weil dir Meinung waren, dass andere Tischer reicher gedeckt sind. Ich kann mich nämlich auch an fremde Tische setzen, an denen ich nichts zu suchen habe, und wahllos alles in mich hineinstopfen, was da zu finden ist. Das nennt man dann Gier. Und Gier war schon der Auslöser für so manchen Krieg: Gier nach Macht, Gier nach Wohlstand, Gier nach Anerkennung, Gier nach Ruhm, um nur ein paar zu nennen. Wie gesagt: Wir haben nicht an jedem Tisch etwas zu suchen. Aber wenn wir dann merken, dass wir eigentlich an den Tisch gehören, den Gott für uns bereitet, dann wird da immer ein Platz für uns frei sein. Nicht nach dem Motto: Weggegangen, Platz vergangen. Sondern: Reserviert für … . Unser Platz bleibt!

An diesem Nachmittag mit unseren Senioren und Seniorinnen habe ich schon einen Eindruck davon bekommen, wie es ist, wenn Gott mir einen Tisch bereitet, mich salbt und mir voll einschenkt. Ich habe eine Ahnung davon bekommen, wie es im Hause des Herrn sein muss. Das ist ein schöner Ort. Ein friedlicher Ort. Ein Ort voller Lebensgeschichten. Ein Ort, an dem ich willkommen und wertgeschätzt bin. Ein Ort, an dem ich versorgt bin. Und da möchte ich wirklich immer bleiben.
Um das Ganze rund zu machen, möchte ich jetzt mit dem Gebet schließen, das sich ebenfalls in meinem Andachtsbuch zu dem Tag findet, an dem wir in der Klause eine so schöne Tischgemeinschaft hatten.

Lasst uns also beten:

Herr, unser Gott,
wir danken dir, 
dass du uns aufgenommen hast
in dein Haus,
in die Gemeinschaft des Glaubens;
wir danken dir,
dass du uns den Tisch gedeckt hast
mit deinem Wort
und den Gaben deiner Liebe.
Wir bitten dich: Vergib uns, wo wir anderswo zu Hause waren
und an anderen Tischen gegessen haben.
Hilf uns, bei dir zu bleiben, wie du bei uns bleibst,
in guten und in schweren Zeiten,
in der Kraft deines Geistes.
Wir vertrauen auf Jesus deinen Sohn,
der uns gesagt und gezeigt hat,
wer du bist:
der gute Hirte,
heute und morgen und in Ewigkeit.
Amen

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Quellen: 
Evangelischer Lebensbegleiter, Gütersloher Verlagshaus, 4. Aufl. 2013, S. 62 f


Psalm 23, 5

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