Vom Ballast befreit



Predigt am 09.04.2020 zu 2. Mose, 12, 1-14


Ihr Lieben,

die Welt erkrankt an Corona und die Leute laufen los und hamstern Klopapier und Nudeln.
Warum, weiß eigentlich keiner so genau. Ich hatte irgendwo im Internet als Erklärung gelesen, dass irgendjemand den Anfang gemacht hat und alle anderen haben es nachgemacht. Nennen wir diesen Jemand mal Patient 0. Patient 0 war also vielleicht der Meinung, eine Quarantäne nicht ohne Unmengen von Klopapier und Nudeln überleben zu können und fing das Hamstern an. Alle anderen haben sich davon anstecken lassen. Obwohl das Ganze total sinnbefreit ist.

Vor allem, weil es ja wirklich nicht an Nachschub mangelte. Es bestand ja zu keinem Zeitpunkt die Gefahr, dass es plötzlich kein Klopapier mehr gibt oder dass die Lebensmittel ausgehen. Nur die sinnlose Hamsterei hat dann mancherorts dazu geführt, dass es diese Dinge tatsächlich nicht mehr zu kaufen gab.

Ich finde, diese Hamsterei ist ein ganz passendes Thema für den Gründonnerstag. Da geht es zwar nicht um das Aufsuchen eines stillen Örtchens und die damit verbundene Körperhygiene, aber es geht ums Essen. Und es geht darum, was dieses Essen eigentlich bedeutet.

Wir Menschen neigen ja offensichtlich dazu, Lebensmittel zu hamstern, wenn unsichere Zeiten auf uns zukommen, oder wir sogar schon mittendrin stecken. Wer weiß was, passiert. Vielleicht gibt es nicht so schnell wieder was zu essen und dann sind wir versorgt, wenn wir gehamstert haben. Jedenfalls für eine Weile.

Es gibt aber Situationen, in denen es gar nicht so schlau ist, Unmengen von Lebensmitteln anzusammeln. Auch wenn die Zeiten noch so unsicher sind. Wenn Menschen auf Reisen gehen, dann sind zu viele Lebensmittel ein unnötiger Ballast. Und wenn es schnell gehen muss, dann sind Unmengen an Lebensmitteln noch hinderlicher.

Deshalb sollten die Israelitinnen und Israeliten auch nur das Nötigste mitnehmen auf ihre Reise. Diese Reise war nicht nur eine Reise, sondern eine Flucht. Die Israeliten wollten weg aus der Sklaverei in Ägypten und sich irgendwo in Freiheit niederlassen. Gott hatte den Pharao überzeugt, dass es besser wäre, das Volk Israel ziehen zu lassen. Aber die Gefahr war groß, dass er seine Meinung wieder ändern würde. Das hatte er ja vorher schon mehrfach getan.
Deshalb musste der Aufbruch der Israeliten schnell vonstatten gehen. Unmengen von Nudeln und Klopapier hätten die Israeliten nur behindert und womöglich dafür gesorgt, dass die Truppen des Pharaos sie eingeholt hätten. Aber mal im Ernst: Zu viel Gepäck hätte die Israeliten wirklich nur aufgehalten.

An diesen hastigen Aufbruch in Ägypten erinnert das Passahfest, das heute noch von Jüdinnen und Juden auf der ganzen Welt gefeiert wird. Das Passahfest erinnert an die Befreiung des Volkes Israel aus der Sklaverei durch Gott und steht dafür, dass sie auch heute noch Gott als ihren Retter ansehen. Die Instruktionen, wie das Passahfest gefeiert werden soll, haben wir gerade aus dem Bibeltext gehört: Von dem gebratenen Lamm darf nichts übrig bleiben. Und wenn es doch Reste gibt, so dürfen diese nicht mitgenommen, sondern müssen verbrannt werden. Was eigentlich schade ist, denn so übriggebliebenes Lammfleisch würde sich gut als Reiseproviant eignen. 
Selbst an die Eile damals wird damit erinnert. Es soll zum Passahfest ungesäuerte Brote geben, denn damals, kurz vor der Flucht, war gar keine Zeit zum Säuern des Brotteigs. 
Die Botschaft der Flucht aus Ägypten und auch die Botschaft des Passahfestes ist also: Wer in die Freiheit will, sollte sich nicht unnötigen Ballast ans Bein binden.

Auch Jesus hat das Passahfest gefeiert. Ein allerletztes Mal zusammen mit seinen Jüngern, bevor er verhaftet und hingerichtet wurde. Allerdings hat er sich nicht ganz an die Instruktionen gehalten. Er hat das Ritual nämlich noch ein bisschen erweitert, indem er Brot und Wein herumreichte mit den Worten: „Nehmt, dies ist mein Leib!“ Und: „Dies ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird.“

Aus dem Passahmal ist also unser Abendmahl entstanden. Und auch hierbei geht es wieder um einen Aufbruch in die Freiheit. 
Mit dem Abendmahl, das eins unserer Sakramente ist, also ein Heilsmittel, werden wir von allem befreit, was uns von Gott, vom Leben und von der Liebe trennt. Ich erkläre ein Sakrament immer damit, dass es das heilt, was krank oder verletzt ist. Es ist ein Mittel, das heil macht, was zwischen uns und Gott kaputtgegangen ist. Zum Heilmachen gehört auch, dass Gott uns von unnötigem Ballast befreit.

Egoismus ist zum Beispiel etwas, das diese Beziehung zwischen uns und Gott kaputtmacht. Egoismus, der uns nur an uns selber denken und Nudeln und Klopapier hamstern lässt. Egoismus ist unnötiger Ballast, der uns in unserem Leben nur behindert. Er hindert uns zum Beispiel daran, schnell aufzubrechen, und anderen zu helfen.

Ja, ich bin, wie die Jüdinnen und Juden, fest davon überzeugt, dass Gott uns befreit. Gott befreit uns von der Angst, in einer Corona Krise nicht ausreichend versorgt zu sein. Gott befreit uns von dem Egoismus, der aus dieser Angst entsteht. Gott befreit uns von Depression, Trauer und dem Gefühl von Hilflosigkeit. Gott befreit uns auch von Hass und Aggression. Das Passahmahl ist Ausdruck dieser Befreiung. Und das Abendmahl ist es auch. 

Wenn ihr euch heute Abend also zum Abendbrot zusammensetzt, dann denkt vielleicht noch einmal an diese Befreiung und sprecht, wie Jesus, ein Dankgebet. Oder eine Segensbitte, so wie diese hier:

Gott segne unser Brot.

So wie das Korn
alleine wächst in Regen und Sonne,
lass auch uns wachsen in deiner Liebe

So wie das Korn zu Mehl gemahlen wird,
um Brot zu werden,
lass auch uns Brot werden für andere.

Segne uns mit dem verbindenden Wasser;
es fügt das Mehl zu einem Leib.
Dass auch wir zu einem Ganzen werden.

Segne uns mit dem Duft des Backens;
er erfüllt uns mit Hunger nach dem Brot.
Dass auch wir die Welt mit deinem Friedensduft
erfüllen.

Segne uns im Brechen des Brotes;
es teilt sich aus um Hunger zu stillen.
Dass auch wir zu teilenden Menschen werden.

Segne uns mit dem Brot des Lebens,
Jesus Christus der sich hingibt,
dass wir das Leben in Fülle haben.
Amen

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