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Predigt am 07.06.2020 zu 4. Mose 6, 22-27


Ihr Lieben,

ich möchte mit euch zu Beginn eine kleine Fragerunde veranstalten:

Wenn ihr meine Mutter fragt, 
wer diese Frau ist, die da am Sonntagmorgen ganz in weiß in der Kirche steht und mit den Leuten Gottesdienst feiert, was würde sie antworten?

Ganz klar: Meine Mutter würde sagen „Das ist meine Tochter“.

Wenn ihr meinen Mann auf der Insel trefft und ihn fragt: "Wer ist eigentlich die Frau, die da frühmorgens übers Oberland joggt?" Was würde er euch sagen?

Von ihm bekämet ihr zu hören: „Das ist meine Frau.“

Wenn ihr nun auch noch meinen Konfirmanden und Konfirmandinnen über den Weg lauft, könnt ihr die ebenfalls fragen: "Wer ist eigentlich diese Frau, die euch gerade damit beauftragt hat, Steine mit Schöpfungsmotiven zu bemalen und an der Steinschlange am Klippenrandweg anzulegen?"

Und sie würden antworten: „Das ist unsere Pastorin.“

Ich bin also Tochter, Ehefrau und Pastorin. Und trotzdem bin ich nur eine Person. 
Ich bin sogar noch viel mehr als nur Tochter, Ehefrau und Pastorin: Ich bin zum Beispiel auch Freundin, Kollegin, Feuerwehrfrau, Cousine, Weggefährtin, und Ratsuchende, um nur ein paar weitere zu nennen. Und trotzdem bin ich nur eine Person. Wer oder was ich für mein jeweiliges Gegenüber bin, hängt von der Beziehung ab, in der ich zu dieser Person stehe. Ich kann übrigens auch für eine Person mehrere Dinge sein: Wenn ich mit einer Kameradin zusammen in den Feuerweheinsatz gehe, dann bin ich Feuerwehrfrau. Wenn ich sie und ihren Mann kirchlich traue, dann bin ich auch ihre Pastorin.

Nichts anderes ist das mit Gott. Je nachdem, wie Gott mit uns in Beziehung tritt, erleben wir Gott als Vater, der alles geschaffen hat, als Mensch in Jesus Christus oder als Geistkraft, die uns tröstet und leitet. Oder alles zusammen. Gott ist Vater, Sohn und Heiliger Geist, wenn wir mal bei dieser klassischen Sichtweise bleiben. Trotzdem ist Gott nur ein Gott.

Kleine Anmerkung am Rande: Einige von euch kennen es schon, dass ich die Dreieinigkeit auf diese Weise beschreibe, denn ich krame die Fragerunde immer wieder gerne am Trinitatissonntag raus, um euch deutlich zu machen, wie wir etwas so Unverständliches wie die Trinität besser verstehen können. Ich finde dieses kleine Frage-und Antwortspielchen können wir gar nicht oft genug spielen, um uns bewusst zu machen, dass Gott ein Gott der Beziehung ist.

Und da bin ich auch schon bei einem weiteren Aspekt: Nämlich, dass ich glaube, Gott lässt sich gar nicht auf eine DREI-Einigkeit beschränken. Ich bin fest davon überzeugt, dass Gott sehr viel mehr ist. So wie ich nicht nur Tochter, Ehefrau und Pastorin bin, sondern auch Cousine, Feuerwehrfrau und Ratsuchende, so ist auch Gott nicht nur Vater sondern auch Mutter, nicht nur Jesus Christus sondern auch Freundin, nicht nur Geistkraft sondern auch Weggefährte.
Ich bin fest davon überzeugt, dass wir es bei Gott nicht nur mit einer Dreieinigkeit, sondern mit einer Vieleinigkeit zu tun haben.

Besonders deshalb, weil Gott ein segnender Gott ist. Gott nimmt nicht einfach nur mit uns Kontakt auf. Gott nimmt segnend Kontakt auf! Unter anderem immer dann, wenn ein Priester oder eine Pastorin den Menschen Segensworte zuspricht, wie die, die da im 4. Buch Mose stehen und wie wir sie am Schluss eines Gottesdienstes zu hören bekommen. Das ist der sogenannte Aaronitische Segen. 
Aaron war der Bruder von Mose und Erzvater des künftigen Priestergeschlechts. Gott hat Mose gesagt, er soll an Aaron den Auftrag erteilen, das Volk in Zukunft mit diesen Worten zu segnen. Deshalb heißt der Segen Aaronitischer Segen. Dieser Segen ist der älteste, der uns durch die Bibel überliefert ist.

Ein Segen ist mehr als nur Worte, die uns zugesprochen werden. Die Ausgabe der Elberfelder Bibelübersetzung, die ich für heute verwendet habe, liefert ein paar Kommentare zu den Bibelversen[i]. Als Erstes wird darauf hingewiesen, dass der Segen ein Wirkwort ist. Also ein Wort, das Wirkung hat. Und wenn Gott etwas bei uns oder in uns bewirken will, dann steht Gott mit uns in irgendeiner Form in Beziehung. 
Die Segenworte aus dem 4. Buch Mose geben uns einen Hinweis darauf, welcher Art die Beziehung zwischen Gott und uns ist: Gott will unser Leben bereichern, fördern und tragen. Gott ist fürsorglich. Gott bietet uns seinen oder ihren Schutz an. Gott ist uns freundlich und gnädig zugewandt. Gott ist nicht zornig. Und: Gott will Frieden für uns, also ein Leben, das gelingt, ein Miteinander der Menschen, das gelingt und durch nichts behindert wird. So beschreiben es die Kommentare der Elberfelder Bibel.

Für mich klingt das sehr nach einem Elternteil: einem Vater, oder einer Mutter. Aber auch ein bisschen nach dem König oder der Königin eines Volkes, der / die nur das Beste für sein / ihr Volk will. Ein guter König oder eine gute Königin ist ja dafür verantwortlich, dass es dem Volk gutgeht und dass es beschützt ist. So wirkt auch Gott auf unser Leben ein.

Ihr habt vermutlich schon gemerkt, dass ich mich nicht nur auf die männliche Form beschränke, wenn ich von Gott rede. Das hat ebenfalls damit zu tun, dass Gott eine Gottheit der Beziehung ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass Gott auch eine weibliche Seite hat, je nachdem auf welche Weise Gott mit uns in Beziehung tritt und mit wem. 

Und dann hat Gott bestimmt auch eine Seite, die weder männlich, noch weiblich ist, sondern beides, oder etwas dazwischen. Denn Gott tritt ja nicht nur mit Männern in Beziehung oder mit Frauen, sondern auch mit Transgender Personen, mit Kindern, mit Alten, mit Jungen, mit Schwarzen, mit Weißen, mit Gelben, mit Roten,  mit Gesunden, mit Kranken, und mit allem, was dazwischen ist. Deshalb glaube ich, dass Gott alles ist, was auch uns Menschen ausmacht. 

Mir fällt dazu der Schöpfungsbericht in der Bibel ein, in dem es heißt, dass wir Menschen nach Gottes Bebenbild geschaffen sind. Für mich bedeutet das: All das, was wir Menschen sind, vereinigt Gott in sich.

Aber darüber hinaus ist Gott natürlich noch viel mehr. Gott ist nicht nur Mensch, sondern Gott ist auch göttlicher Natur.

Wie gesagt: Ich bin fest davon überzeugt, dass wir es bei Gott nicht nur mit einer Dreieinigkeit sondern mit einer Vieleinigkeit zu tun haben.

Deshalb habe ich irgendwann übrigens auch angefangen, den Aaronitischen Segen etwas abzuwandeln, um genau das deutlich zu machen. Es ist zumindest im Kleinen ein Versuch zu zeigen, dass Gott mehr ist als ein Herr. Deshalb hört ihr den Segen von mir oft in dieser Form: Gott segne dich und behüte dich, Gott lasse leuchten IHR Angesicht über dir und sei dir gnädig. Gott erhebe SEIN Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.

Was ich damit sagen will: Gott wird ganz viel Liebe, Fürsorge und Frieden in deinem Leben wirken – als Vater, als Mutter, als innere Stimme, als Freundin, als Retter, als Wegbegleiterin, als Kraft, als Naturschauspiel, als Engel in Menschengestalt, als Wort, als Gedanke, als Lied, als Gefühl …

Und was ich auch sagen will: In welcher Form auch immer Gott euch begegnet, seid offen dafür, damit das Segenswort besser wirken kann.



[i] Elberfelder Bibel – mit Erklärungen und zahlreichen farbigen Fotos zur Welt der Bibel, SCM R. Brockhaus, Witten, 2004/2008, S.190

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