Gnade vor Hausarrest


Predigt am 28.06.2020 zu Micha 7, 18-20



Ihr Lieben,

 

irgendwann während des Lockdowns wurde ich mal gefragt, ob Corona eine Strafe Gottes sein könnte, denn schließlich hätten wir Menschen ja schon eine ganze Menge schlimmer Sachen angestellt: die ganzen Kriege, der ganze Terror, die Ausbeutung unseres Planeten.

Mir ist dazu rausgerutscht: Ja, man könnte wirklich meinen, dass Gott uns Hausarrest verpasst hat, nachdem wir uns nun schon so lange so dermaßen danebenbenommen haben.

 

Grundsätzlich: Ich glaube nicht, dass Corona eine Strafe Gottes ist! Im besten Fall ist die Pandemie einfach passiert. Im schlimmsten Fall war es ein Unfall, verursacht durch Unachtsamkeit und / oder mangelnde Sicherheitsmaßnahmen in einem Labor.

 

Würden wir die Zeit zurückdrehen auf etwa 750 - 700 vor Christus, dann hätten die Menschen sich Corona allerdings genau so erklärt: als Strafe Gottes für ihr Fehlverhalten. Sie haben sich ja auch die Zerstörung ihres Reiches damit erklärt, dass Gott das Volk bestraft, weil die Reichen und Mächtigen alle anderen ausgebeutet haben, und weil die Menschen Gottes Gebote nicht eingehalten haben. So ist es unter anderem im Buch des Propheten Micha dargestellt.

 

Wir können das Ganze natürlich auch umdrehen, und uns vorstellen, der Prophet Micha würde heute leben. Dann würde er vielleicht diese Dinge hier anprangern:

 

-       Immer mehr Regenwald wird abgeholzt, damit noch mehr Rinder gezüchtet werden und unseren Rindfleischkonsum bedienen können.

-       Immer mehr Palmplantagen rauben den Orang-Utans den Lebensraum. Wenn das so weitergeht, dann wird es diese Affen, diese „Waldmenschen“ wie ihr Name übersetzt heißt, bald nicht mehr geben.

-       Zeitarbeitsfirmen beuten Arbeiter und Arbeiterinnen aus, damit Firmen hier billige Arbeitskräfte beschäftigen können.

-       Junge Männer aus der Eventszene schlagen alles kurz und klein, verletzen Menschen und werden von jungen Frauen auch noch angefeuert. 

 

Dazu könnte man mit den Worten des Propheten sagen: Verschwunden sind die Gütigen aus dem Land und Rechtschaffene gibt es nicht unter den Menschen. Sie alle lauern auf Bluttaten... (Micha 7, 2) Wenn wir uns in der Welt umgucken, dann würde das durchaus passen.

 

Würde der Prophet Micha heute leben, dann würde er vielleicht auch sagen: Gott ist deswegen richtig sauer auf euch und deshalb lässt er euch alle krank werden. 

 

Das ist das, was Propheten tun: Sie machen den Menschen deutlich, dass ihr Handeln Konsequenzen hat. Sie sagen: Wenn ihr nicht das tut, was richtig ist, wenn ihr nicht die Güte liebt, wenn ihr nicht besonnen mit Gott mitgeht, dann steht euch schlimmes bevor. So heißt es im Michabuch.

 

Aber im Buch des Propheten Micha stehen nicht nur Anklagen und Warnungen vor den Konsequenzen. Ganz am Ende steht der Satz: Gott wird sich wieder über uns erbarmen, wird unsere Schandtaten niedertreten. (Micha 7, 19) Gott wird das Übel vernichten, das wir in die Welt getragen haben und er wird uns auch noch vergeben.

 

Und deshalb bin ich auch nicht der Meinung, dass Corona eine Strafe Gottes für unser Fehlverhalten ist. Was nicht heißt, dass unser Fehlverhalten keine Konsequenzen haben wird. Einige der Konsequenzen bekommen wir schon zu spüren: den Klimawandel zum Beispiel, oder die massenhafte Ansteckung von Arbeitern, die auf engstem Raum in ihren Unterkünften zusammengepfercht werden und ein erneuter Lockdown für ganze Landkreise.

 

Das sind Konsequenzen, die wir uns selbst zuzuschreiben haben, weil wir diejenigen sind, die das verursacht haben, weil wir unbedingt billiges Fleisch wollen. Und das sind Konsequenzen, durch die wir durch müssen. Das wird mit viel Leid und viel Schmerz verbunden sein. In Teilen spüren wir diesen Schmerz ja auch schon. Wenn wir zum Beispiel nicht in der Lage sind, verantwortlich zu handeln, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn uns der Staat zu verantwortlichem Handeln zwingt, indem er uns Freiheiten nimmt. Nachdem weiße Polizisten, Menschen mit schwarzer Hautfarbe diskriminiert, misshandelt oder sogar getötet haben, müssen alle die schmerzhafte Erfahrung machen, dass es weltweite Demonstrationen gibt, die leider nicht immer friedlich verlaufen, dass Statuen zerstört und Polizeireviere umstrukturiert werden. Das sind harte Zeiten, aber da müssen wir durch.

 

Um Xavier Naidoo zu zitieren: „Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und schwer.“ Ich bin mir sicher, dass da noch einiges auf uns zukommt. Vielleicht noch mehr Krawalle, vielleicht noch mehr Krankheit, vielleicht noch mehr Naturkatastrophen, vielleicht noch mehr Missernten, vielleicht noch mehr Waldbrände und Buschfeuer, vielleicht noch mehr ausgestorbene Tierarten, vielleicht noch mehr Einschränkungen, vielleicht noch mehr vernichtete Existenzen. Und so bitter wie das klingt, aber: Da müssen wir durch!

Da kommt kein Harry Potter, schwingt seinen Zauberstab, ruft „Reparo!“ und repariert, was wir kaputtgemacht haben. 

 

Aber damit endet unsere Geschichte zum Glück nicht. Unsere Geschichte endet nicht mit einem Weg, der steinig und schwer ist und auf dem wir am Ende einfach zusammenbrechen. Die letzten Worte des Propheten Micha an sein Volk drohen uns nicht Verderben und ewige Verdammnis an. Dieses Prophetenbuch endet nicht mit dem Satz: „Und Gottes Zorn kam über das Volk und vernichtete es.“

 

Die Geschichte der Menschen damals endete mit Gnade und Vergebung und mit der Zusage, dass Gott ihnen Treue und Güte erweisen wird! Auch unsere Geschichte endet mit Gnade und Vergebung und mit derselben Zusage von Treue und Güte. Wir werden die schlimmen Zeiten überstehen, genauso wie Gottes Volk schon damals schlimme Zeiten überstanden hat. 

Am Ende unserer Geschichte mit Gott stehen nicht Strafe und Verdammnis. Am Ende unserer Geschichte mit Gott steht das Heil. 

Ja, wir werden noch viele Verletzungen erfahren. Wir werden noch einiges an Schmerzen überstehen müssen. Aber am Ende werden wir heil werden, weil Gottes liebe größer und stärker ist als alles, was wir an Bösem anrichten können.

 

Hier könnte die Geschichte jetzt zuende sein. Aber das ist sie immer noch nicht, denn da fehlt noch etwas. 

Die Frage ist nämlich, was wir aus dem Wissen machen, dass Gott uns keinen Hausarrest verpasst, sondern uns vergibt. Was machen wir aus dem Wissen, dass das Heil auf uns wartet und nicht die Verdammnis?

 

Wir könnten uns entspannt zurücklehnen und sagen: Dann ist ja alles gut. Es kann alles bleiben wie es ist. Das wäre dann allerdings verschleuderte Gnade. 

Wenn das Heil wirklich kommen soll, wenn das Heil wirklich bleiben soll, dann müssen wir unseren Teil dazu beitragen.

Ich denke, dass Gott uns durch den Propheten Micha mitteilt: Ja, ich zertrete eure Schandtaten. Ja, ich vergebe euch. Aber macht was draus! Macht es besser! Ja, ich schwinge meinen Zauberstab und repariere, was ihr kaputtgemacht habt.

 

Zusammengefasst bedeutet das folgendes für uns:

 

Gott lässt uns wissen: Was ihr da tut ist absolut nicht in Ordnung und eure Verfehlungen werden Konsequenzen haben.

Gott lässt uns auch wissen: Ich werde das, was ihr angerichtet habt, wieder gradebiegen und ich werde euch vergeben.

Und dann teilt Gott uns zwischen den Zeilen noch mit: Aber dann seid ihr dran. Macht was aus meiner Gnade!

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