What matters




Predigt am 21.06.2020 zu Matthäus 11, 25-30


Ihr Lieben!

Die Ermordung von George Floyd durch einen Polizisten hat weltweit eine Anti-Rassismus Bewegung ausgelöst. Überall, auch hier in Deutschland, hört und sieht man den Satz: Black lives matter! Schwarze Leben zählen!

Was man auch immer wieder zu hören und zu lesen bekommt ist dieser Satz: ALL lives matter! Alle Leben zählen! Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, dass nicht nur Menschen mit schwarzer Hautfarbe unter Rassismus leiden.

Ja, das ist richtig. Aber bei den Schwarzen brennt es zurzeit lichterloh, um es mal so zu formulieren.
Als Antwort auf die Aussage, dass ja eigentlich alle Leben zählen, habe ich oft den Vergleich mit zwei Häusern gesehen. Das eine steht in Flammen. Davor steht eine Person, die sagt: Mein Haus brennt! Ich brauche Hilfe! Dann gibt es da noch ein zweites Haus, das nicht in Flammen steht. Davor steht auch jemand und fragt: „Aber was ist mit meinem Haus?“

Uns allen ist klar, dass erstmal das Haus gelöscht werden muss, das in Flammen steht. Und dann muss man natürlich dafür sorgen, dass nicht auch das andere Haus anfängt zu brennen. Priorität hat aber natürlich das, das schon brennt.

Die schwarzen Leben sind die, die jetzt gerade massiv in Gefahr sind, und um die sich JETZT gekümmert werden muss.

Etwas ähnliches finden wir im Matthäusevangelium, wo es heißt:
Denn du hast das alles vor den Weisen und Klugen verborgen.
Aber den einfachen Leuten hast du es offenbart.

Übertragen auf das, was ich eingangs erzählt habe, bedeutet das: Einfache Leute zählen!  Und dann käme aber jemand und würde dagegenhalten: ALLE Leute zählen!

Ich bin so eine, die sagen würde „ALLE Leute zählen“. Ich finde es nämlich ziemlich ungerecht, wenn nur die einfachen Leute verstehen dürfen, worum es bei der Botschaft, die Jesus vermittelt, überhaupt geht. Sollten das nicht auch die Klugen erkennen dürfen? Sollten das nicht ALLE erkennen dürfen?

Bevor uns damit beschäftigen, müssen wir erstmal klären, was diese Botschaft, dieses „das alles“, überhaupt ist. Zusammengefasst ist Jesu Botschaft diese: Gott liebt euch bedingungslos. 
Natürlich hat er das während seines Lebens und Wirkens noch etwas detaillierter wiedergegeben, aber im Grunde ist das die Botschaft. Ein Detail dieser Botschaft ist diese Aussage von Jesus: Bei mir könnt ihr Ruhe finden, wenn ihr belastet seid. Ich meine es gut mit euch! Das ist Ausdruck der bedingungslosen Liebe Gottes.

Allerdings gibt es Unterschiede, wenn es darum geht, wer das jetzt unbedingt verstehen und sogar erleben darf: Die einfachen Leute sind nämlich dran, nicht die Klugen - also nicht die Pharisäer und Schriftgelehrten. Das sind nämlich die, die Jesus mit den Weisen und Klugen meint. 

Die Weisen und Klugen sind also die mit den Privilegien. Die einfachen Leute hatten zur Zeit Jesu keinen Zugang zu Bildung. Aber gerade sie sind jetzt dran. Weil sie es bitter nötig haben!

Auf unsere Zeit heute übertragen, würde das bedeuten:
Kommt her zu mir, ihr alle, 
die ihr schwarz seid,
die ihr Frauen seid,
die ihr Kinder seid,
die ihr homosexuell seid,
die ihr transgender seid,
die ihr divers seid,
die ihr sensibel seid,
die ihr schwer krank seid,
die ihr anders seid,
die ihr diskriminiert werdet, …

aber auch die ihr im Homeoffice hockt und parallel auch noch eure Kinder betreuen müsst,
die ihr gerade bankrott gegangen seid, weil eure Firma den Lockdown nicht überstanden hat,
die ihr in Brasilien lebt und schon nicht mehr wisst, wo ihr noch Gräber für die nächsten Coronatoten ausheben sollt,
die ihr forscht und forscht und immer noch keinen Impfstoff gefunden habt,
die ihr euch durch eine wochenlange Quarantäne quälen müsst,
die ihr solche Angst habt, dass man euch alle Freiheiten nimmt, …

Kommt her zu mir. Ich meine es gut mit euch!

Für mich persönlich bedeutet das übrigens: Ich bin jetzt erstmal nicht dran. Denn ich zähle mich zu den Privilegierten. Andere haben es viel, viel nötiger, bei Jesus Ruhe zu finden.

Für die ist Jesus zuerst da und will helfen, die schwere Last zu tragen, wie auch immer die aussieht. Was jetzt aber nicht bedeutet, dass sie das, was sie da belastet, einfach hinnehmen sollen, weil es womöglich gottgewollt ist. Oder wenn es schon nicht zu Gottes Plan gehört, dann ist es aber trotzdem unabänderlich.
Ich habe mehrfach den Kommentar gelesen, dass Gott nicht dafür sorgt, dass das, was uns belastet, verschwindet, aber dass Gott da ist und es mit uns aushält und dass das Joch dann leichter zu tragen ist.

Ich sehe das völlig anders! Selbstverständlich sorgt Gott, sorgt Christus dafür, dass gewisse Dinge verschwinden, dass das Joch verschwindet! Und zwar durch uns! Wir sind die Werkzeuge, die Gott dazu benutzt, um das verschwinden zu lassen, was Menschen müde macht und sie belastet.

Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe ist weder gottgewollt noch unabänderlich!!! Das Leid, das eine Krankheit verursacht, ist nicht gottgewollt und in vielen Fällen auch nicht unabänderlich! Das sind Dinge, die wir ändern können und müssen. Jedenfalls müssen wir alles daransetzen, es zu versuchen! Wir können und müssen dabei helfen, den Menschen das Joch abzunehmen, wenn es ein absolut sinnloses Joch ist, das nur Leid verursacht und ansonsten für nichts gut ist!

Ja, Christus sagt: Kommt zu mir, ihr alle, die ihr müde und belastet seid. Aber zwischen den Zeilen sagt er auch: Und ihr, die ihr gerade nicht so müde und belastet seid, räumt auf in der Welt! Sorgt dafür, dass das verschwindet, was so müde macht und belastet!

Ich bin fest davon überzeugt, dass ich als eine der „Klugen“, eine der Privilegierten, diese Aufgabe zu erfüllen habe. Irgendwie muss es ja vonstatten gehen, dass die Seelen derjenigen, die so belastet sind, Ruhe finden können. Dabei kann ich helfen, denn für mich ist das Leben leichter. Deshalb kann ich ausführen, was Christus da verspricht. Jesus ist zwar nicht mehr körperlich anwesend, aber er wirkt trotzdem noch in unserer Welt. Durch mich kann er einen Menschen in den Arm nehmen, der gerade einen Vater / eine Schwester / einen Cousin / eine Tochter durch Gewalt verloren hat. Durch mich kann er einer Frau Mut machen, für ihre Rechte einzutreten. Durch mich kann er einem Kind sagen: Ich sehe dich, ich höre dich, ich nehme dich ernst. Durch mich kann er einem Menschen mit schwarzer Hautfarbe sagen: Du bist genauso viel wert, wie ein Mensch mit weißer Haut. 

Und das ist nicht nur Zukunftsmusik. Das passiert schon. So bin ich neulich tatsächlich selbst „Opfer“ geworden, dadurch dass ich im Internet folgenden Text gelesen habe: „An diejenigen, die das jetzt hören müssen ... Halte durch, hellere Tage werden kommen, du bist nicht allein.“
Ja, ich musste das mal hören und es tat unglaublich gut. Nachdem ich das gelesen hatte, war meine Seele tatsächlich ruhiger. Da ist ein Mensch zu Christi Werkzeug geworden.

Wir sehen also, dass wir alle hier die göttlichen Werkzeuge sind. Durch uns alle kann Jesus die Menschen wissen lassen „Bei mir kannst du Ruhe finden.“ Und: „Ich sehe auf niemanden herab.“ 

Das ist die Botschaft, die wir als Christinnen und Christen leben müssen. Gerade wenn wir zu denen gehören, die privilegiert sind.


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