Gastfreundlich


Predigt am 26.07.2020 zu Hebräer 13, 1-3


 

 

Ihr Lieben,

die Tagesschau meldete letzte Woche:

„ ‚Ballermann‘-Lokale dicht. Gastwirte auf Mallorca unter Schock.

Gastwirte haben die Quittung nach der Massensause der Partytouristen auf Mallorca bekommen. Sie dürfen ihre Lokale in Zeiten von Covid-19 nicht mehr öffnen - so ein Beschluss der Regierung. Sie stehen unter Schock.

Die Playa de Palma ist von jetzt auf gleich eine Geisterstadt geworden. Alle Bars und Restaurants an der sogenannten Bier- und an der Schinkenstraße haben ihre Rollläden heruntergelassen.“

(Stand: 16.07.2020 09:55, Quelle: https://www.tagesschau.de/ausland/ballermann-reaktionen-101.html)

 

Das, was da auf Mallorca passiert ist, zeigt uns, dass es im Moment echt schwer sein kann mit der Gastfreundschaft. Dabei sind doch jetzt Sommerferien. Viele Menschen haben gerade nach dem Lockdown im Frühjahr das Bedürfnis, in den Urlaub zu fahren und die eigenen vier Wände mal eine Zeit lang nicht sehen zu müssen. Dazu sagt uns der Verfasser des Hebräerbriefes: „Vergesst aber auch die Gastfreundschaft nicht.

Denn auf diese Weise haben schon manche, ohne es zu wissen, Engel als Gäste aufgenommen.“

 

Natürlich wollen wir gastfreundlich sein. Viele Menschen leben sogar davon, dass sie gastfreundlich sind - auf Mallorca, auf Helgoland und anderswo.

Auch unsere Kirche hat sich die Gastfreundschaft auf ihre Fahne geschrieben. Mit der Urlauberseelsorge unseres Kirchenkreises zum Beispiel. Nicht umsonst findet sich der Vers aus dem Hebräerbrief in der Präambel zur Konzeption der Urlauberseelsorge in unserem Kirchenkreis. Dieser Vers ist sozusagen der biblische Leitvers für die Arbeit, die hier gemacht wird.

 

Auch die Kirchen auf Helgoland und in Büsum wollen gastfreundlich sein und gerade auf die Bedürfnisse der Urlauberinnen und Urlauber eingehen. Und damit versuchen wir, auch dem nachzukommen, was da weiter im Hebräerbrief steht: „Denkt an die Gefangenen, als ob ihr mit ihnen im Gefängnis wärt.“ Natürlich nicht im wörtlichen Sinn, zumindest nicht, wenn es um die Urlauberinnen und Urlauber geht. Aber wir versuchen schon, uns in unsere Gäste hineinzuversetzen und herauszufinden, was sie im Urlaub von der Kirche brauchen könnten. Und das versuchen wir umzusetzen. 

Zum Beispiel nehmen wir Statistiken sehr ernst, die uns mitteilen: Die Menschen suchen im Urlaub Ruhe, besonders in einer Kirche. Also tun wir unser Möglichstes, dass unsere Kirche auf sein kann, damit Menschen sich ein paar Minuten in die Kirche setzen können, vielleicht eine Kerze anzünden, vielleicht beten, vielleicht einfach nur da sein können. Und das ist in diesen Zeiten schon mit etwas mehr Aufwand verbunden als sonst. Es reicht nicht mehr, einfach die Türen aufzumachen, und gut. Da muss erstmal ein Schutzkonzept her und das muss dann natürlich auch Anwendung finden. Aber wir machen das gerne, weil wir uns in unsere Gäste einfühlen können und verstehen, dass sie einen Rückzugsort, einen Ort der Ruhe und der Stille brauchen.

 

In den Versen aus dem Hebräerbrief steckt aber, wie wir gehört haben, auch der Hinweis drin, dass wir, die Kirche, sogar Engel beherbergen könnten, wenn wir Gäste aufnehmen. Das ist schon spannend. Nicht wir, die kirchlichen Mitarbeitenden, egal ob haupt- oder ehrenamtliche, sind die Engel. Sondern diejenigen, die bei uns zu Gast sind, sind es. Vielleicht.

Ganz ehrlich: Es fällt mir schon schwer, in den Partytouristen vom Ballermann, die sich in einem fremden Land so dermaßen danebenbenommen haben, Engel zu sehen. 

Es fällt mir genauso schwer, in den Feriengästen hier auf der Insel oder in Büsum, oder an der Ostsee, oder in den Alpen, oder an der Donau, Engel zu sehen, wenn sie sich rücksichtslos verhalten. Was sie manchmal einfach tun.

 

Mit der Gastfreundschaft ist das im Moment echt schwer. Unsere Gastfreundlichkeit wird in diesen Zeiten auf eine harte Probe gestellt. Mit dem Gastsein ist das im Moment aber genauso schwer und auch das Gastsein, das Engelsein, wird ebenfalls auf eine harte Probe gestellt.

 

Da kann ich nur appellieren, dass wir gegenseitig versuchen, uns in die jeweils anderen hineinzuversetzen: Die Gastgebenden in die Gäste, die dringend Erholung und eine Auszeit von all den Regeln und Beschränkungen brauchen. Die Gäste in die Gastgebenden, die in diesen Zeiten viel mehr Arbeit damit haben, gute Gastgeber und Gastgeberinnen zu sein.

 

Aber bleiben wir mal bei den Gastgeberinnen und Gastgebern. Denn in der Bibel wird ja daran appelliert, gute Gastgebende zu sein und nicht gute Gäste.

Wir tun uns schwer gute Gastgeberinnen und Gastgeber zu sein, wenn die Gäste schwierig sind. Und als schwierig empfinden wir sie dann, wenn sie uns fremd sind, wenn wir sie nicht verstehen, wenn sie anders sind als wir selber, oder wenn sie sich anders benehmen als wir selber. Wir tun uns schwer in ihnen möglicherweise etwas Gutes zu erkennen.  Wir tun uns schwer in ihnen Boten Gottes zu sehen. Und doch könnten sie es sein. Sie könnten Boten Gottes sein, die uns von Gott in irgendeiner Form etwas mitzuteilen haben:

 

Die Fremden in der Flüchtlingsunterkunft könnten Engel sein.

Die Urlauber an auf Flughäfen und Bahnhöfen, an Stränden und im Gebirge, auf Campingplätzen und in Hotels oder Ferienwohnungen könnten Engel sein.

Die Obdachlosen in der Obdachlosenunterkunft könnten Engel sein.

Die Seeleute in der Seemannsmission könnten Engel sein.

Und ja: auch die „Ballermann“ Touristen könnten Engel sein.

Weshalb man ihnen, auch bei ganz viel Einfühlungsvermögen, nicht durchgehen lassen muss, wenn sie total über die Stränge schlagen. 

 

Die Muslime und Juden in einem christlichen Tagungszentrum könnten ebenfalls Engel sein.

Es gibt tatsächlich eine solche jährliche interreligiöse Veranstaltung in unserer Landeskirche, die ganz treffend „Zu Gast in Abrahams Zelt“ heißt. Das geht zurück auf die Geschichte im Alten Testament, in der Abraham drei fremde Männer aufnimmt. Wobei ich finde, dass es eigentlich „Zu Gast in Saras Zelt“ heißen müsste, denn die war die wahre Gastgeberin: hat für die drei fremden Besucher gekocht, hat das Essen aufgetischt, etwas zu trinken gebracht, die Gäste bewirtet. Und Abraham und Sara haben am Ende festgestellt, dass sie Boten Gottes bewirtet haben. Engel. Die auch eine göttliche Botschaft für die beiden hatten: Sara sollte trotz ihres hohen Alters noch ein Kind bekommen.

Abraham und Sara hätten allen Grund gehabt, die drei Männer wegzuschicken, denn die hätten ja auch Böses im Sinn haben können wie Raub und Mord. Aber Abraham und Sarah hatten den Mut, gastfreundlich zu sein und sind am Ende mit Nachwuchs gesegnet worden.

 

Auch wir sollen uns trauen, gastfreundlich zu sein, sagt die Bibel. Denn auch wir könnten, wenn wir gute Gastgeber und Gastgeberinnen sind, Engel beherbergen. 

Und die Engel, die wir aufnehmen? Was haben sie uns wohl zu sagen? Was haben sie uns zu geben?

Neue Perspektiven vielleicht. Oder Freundschaft. Mitgefühl. Wissen. Gute Ideen. Verständnis.  All das würde uns entgehen, wenn wir sie nicht aufnehmen.

 

Wenn wir anderen Menschen die Gastfreundschaft verweigern, dann bringen wir uns womöglich um die Gelegenheit, einen Boten oder eine Botin Gottes zu treffen. Dann bringen wir uns womöglich um die Gelegenheit, einen Segen zu empfangen.

 

Ja, gerade heute, in der Welt, wie sie jetzt ist, brauchen wir besonders viel Mut dazu. Aber das ist es wert. Deshalb heißt man auf den Balearen ja auch weiterhin Gäste willkommen. Deshalb ist man auf Mallorca auch weiterhin gastfreundlich, wenn auch mit strengeren Regeln und mehr Beschränkungen. Aber das ist im Grunde nur ein Zeichen von sehr guter Gastfreundschaft, denn so wird dafür gesorgt, dass die Gäste geschützt sind. Und ich wünsche den Menschen dort, dass ihnen ganz viel Segen durch die Gäste beschert wird, in welcher Form der auch immer kommen mag.

 

Ich wünsche uns allen, dass wir mit ganz viel Segen beschenkt werden, wenn wir uns trauen, gastfreundlich zu sein. Und wenn ich „uns“ sage, meine ich nicht nur die Insel Helgoland. Ich meine auch nicht nur die Urlauberseelsorge. Ich meine uns alle. 

 

Lasst uns alle versuchen, gastfreundlich zu sein, denn es könnte gut sein, dass wir damit, ohne es zu wissen, Engel als Gäste aufnehmen. 


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