Bewahren! Nicht zerstören!

 


Predigt am 20.09.2020 zu 1. Mose 2, 4b-25


 

Ihr Lieben,

wisst ihr, was der Earth Overshoot Day ist? Er wird auch Erdüberlastungstag genannt. Das ist der Tag eines jeden Jahres, ab dem unsere Nachfrage und unser Bedarf das Angebot und die Reproduktion der nachwachsenden Ressourcen auf der Erde übersteigt. 

 

Um es an einem einfachen Beispiel deutlich zu machen: Ein Apfelbaum produziert in einem Jahr hundert Äpfel. Die Menschheit isst zunächst bis zum 31. Dezember dieses Jahres weniger als hundert Äpfel. Aber in einem der folgenden Jahre ist das anders. Die Menschen haben die hundert Äpfel schon weit vor dem 31. Dezember aufgegessen. Bis zum Ende des Jahres würden sie sogar 200 Äpfel essen, aber der Apfelbaum können aber nach wie vor nur 100 Äpfel produzieren. Dieser Tag, an dem die 100 Äpfel aufgegessen sind, ist der Earth Overshoot Day, der Erdüberlastungstag. Und je weiter der Erdüberlastungstag nach vorne rückt, desto dramatischer ist die Situation.

 

Das Umweltbundesamt meldete am 21. August diesen Jahres:

„Das Ressourcen-Budget für das Jahr 2020 ist aufgebraucht: Bis zum 22. August hat die Menschheit so viel verbraucht, wie die Erde im ganzen Jahr erneuern kann. Im vergangenen Jahr stand der Earth Overshoot Day noch am 29. Juli im Kalender. Dass der Aktionstag in diesem Jahr einige Wochen später stattfindet, ist eine Folge der Corona-Pandemie.“

 

(Quelle: https://www.umweltbundesamt.de/themen/earth-overshoot-day-2020-ressourcenbudget )

 

So, das sind die Nachrichten für das aktuelle Jahr.

Es gibt aber Nachrichten aus dem Jahr, sagen wir, 950 vor Christus und die haben auch etwas mit dem Erdüberlastungstag zu tun, auch wenn es den damals noch gar nicht gab. Die Nachrichten aus dem Jahr 950 vor Christus lauten:

„Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.“ (1. Mose 2, 15)

Ich komme auf das Jahr 950 vor Christus, weil das etwa die Zeit ist, in der dieser Text verfasst wurde, der übrigens einer von zwei Schöpfungserzählungen in der Bibel ist. Diese hier steht in der Bibel zwar hinter der anderen Schöpfungsgeschichte, ist allerdings der ältere von den beiden. 

 

„Bewahren“ ist jetzt DAS Stichwort in der Schöpfungserzählung! Wir sollen also die Erde zwar bebauen, aber nicht überlasten, sondern bewahren.

 

Man könnte jetzt argumentieren, dass es damals ja um das Paradies ging, das bebaut und bewahrt werden sollte. Das war der Garten Eden und nicht die ganze Welt. Wo der Garten Eden gewesen sein soll, wird uns in diesem Schöpfungsbericht auch gesagt, nämlich im sogenannten Zweistromland, in dem Gebiet zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris. Dieses Gebiet ist ziemlich fruchtbar und liegt etwa da, wo die Länder Irak, Iran, Syrien und die Türkei aneinandergrenzen.

 

Naja, und aus dem Garten Eden sind die Menschen ja rausgeflogen, weil sie verbotenerweise von Baum der Erkenntnis gegessen haben. Ich bin trotzdem der Meinung, dass mit „bewahren“ die durchaus ganze Erde gemeint ist und nicht nur der Garten Eden, denn ich verstehe die Vertreibung aus dem Paradies etwas anders, als sie in der Bibel dargestellt ist. Für mich ist diese Vertreibung nicht geographisch, nicht äußerlich. Für mich ist sie etwas, das im Inneren der Menschen stattgefunden hat und immer noch stattfindet.

Das Paradies war ein Zustand der Unschuld und des Nichtwissens von Gut und Böse. Die Vertreibung aus dem Paradies ist für mich die Vertreibung aus der Ahnungslosigkeit, die aus der Erkenntnis von Gut und Böse resultiert. 

 

Gott hat uns also in die Welt gesetzt und diese Welt ist das Paradies. Solange wir unschuldig und ahnungslos sind, sehen wir die Welt auch so, aber das ändert sich mit der Erkenntnis von Gut und Böse.

 

Mit dieser Erde hat Gott uns also das Paradies geschenkt und uns den Auftrag gegeben, das Paradies zu bebauen und dessen Ressourcen zu bewahren. Dieser Verantwortung sind wir nicht gerecht geworden, wie uns der Weltüberlastungstag jedes Jahr wieder vor Augen führt.

 

„Bewahren“ betrifft aber meines Erachtens nicht nur Ressourcen wie Äpfel oder andere Nahrungsmittel. Es sind auch nicht nur Ressourcen, die uns Wärme und ein Dach über dem Kopf liefern. Zu bewahrende Ressourcen schließt auch andere Menschen mit ein. Ja, auch wir Menschen sind eine Ressource: Die Ressource für das Leben nämlich. Und auch da sind wir unserer Verantwortung nicht gerecht geworden, auch da haben wir kläglich versagt, wie wir zum Beispiel an Moria sehen, dem abgebrannten Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos. Bewahrt worden ist da gar nichts. Im Gegenteil: Moria ist ein Ort der ultimativen Zerstörung. Da wurden nicht nur Wellblechhütten und Zelte zerstört, da wurden Leben zerstört, da wurde die Zukunft von Menschen zerstört, da wurden Hoffnungen zerstört, da wurde Menschenwürde zerstört. Und das ist nur eins von leider vielen Bespielen unserer Zerstörungswut. Und von Bewahrung kann ich da gerade nichts erkennen, wenn ich mir ansehe, welche Länder nicht bereit sind, diese Flüchtlinge aufzunehmen.

Wir zerstören die Zukunft von Menschen, wir zerstören leben, wir zerstören unseren Planeten. Dabei müssten wir es eigentlich besser wissen, denn wir haben doch von „dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen“ gegessen. Wir wissen, was richtig und was falsch ist. Wir wissen, was richtig ist! Warum handeln wir dann, verdammt nochmal nicht danach?!

 

Was ich so verstörend finde, ist die Ignoranz, mit der viele Menschen auf dieses Thema reagieren. Wir haben durch den coronabedingten Lockdown genau sehen können, was unserem Planeten gut tut, was ihm hilft. Und trotzdem machen wir einfach so weiter wie vorher. Es sich nichts verändert. 

Die Kanäle in Venedig sind wieder dreckig, der Co2 Ausstoß ist wieder da, wo er vorher war, die Menge an Müll, die wir produzieren ist auch wieder die alte. Ach ja: Die Pflegekräfte werden auch nicht mehr beklatscht. Geschweige denn, dass sich ihre Arbeitsbedingungen verbessert hätten oder sie besser bezahlt würden.

 

Und wir wissen auch ganz genau, wie wertschätzender, annehmender, friedlicher und würdevoller Umgang miteinander aussieht. Wir WISSEN, was gut ist! Und wir wissen, was böse ist. Wir wissen, was anderen Menschen und auch uns selbst schadet. Und trotzdem ignorieren wir die menschenunwürdigen Zustände in Flüchtlingslagern, trotzdem ignorieren wir Hass und Gewalt.

 

Ja, dieser Bibeltext, ist eigentlich dazu gedacht, uns deutlich zu machen, wie fürsorglich Gott ist. Und wie sehr Gott will, dass wir uns keine Sorgen machen müssen. Aber das ist nicht alles. Klar meint Gott es gut mit uns. Klar sorgt Gott für uns. Aber wir haben trotzdem noch unseren Auftrag. 

 

Und genau deshalb kann das hier keine weichgespülte Wohlfühlpredigt werden. Wenn es ums Bewahren geht, dann haben wir auf ganzer Linie versagt. Und genau deshalb muss uns das „Bewahren“ um die Ohren gehauen werden. Wir alle haben diesbezüglich unsere Hausaufgaben nicht gemacht und deshalb sollten wir uns alle jeden Tag an der Schultafel wiederfinden auf die wir hundertmal schreiben: Ich soll nicht plündern! Oder: Ich soll nicht ausbeuten! Oder: Ich soll nicht Zerstören! Und: Ich soll bebauen und bewahren!

 

Es ist sowas von an der Zeit, dass der Erdüberlastungstag verschwindet. Es ist sowas von an der Zeit, dass Flüchtlingslager verschwinden. Es ist sowas von an der Zeit, dass der Earth Overshoot Day von einem Erdüberflusstag abgelöst wird, der uns sagt, dass wir Ressourcen in Überfluss haben - besonders die Ressource der Menschlichkeit.

 

Das wird nicht leicht zu bewerkstelligen, das weiß ich. Das werden wir nicht alleine hinbekommen. Aber dafür haben wir einen Jesus Christus an unserer Seite, der uns zeigt wie’s geht. Wir haben einen Heiligen Geist, der uns die nötige Kraft gibt und uns zeigt, wo’s langgeht. Und wir haben Gott an unserer Seite, die für uns sorgt, indem sie immer wieder Ressourcen entstehen lässt wie Liebe und Leben. 


Und wir dürfen sie nutzen. Und bewahren.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Team Welt

Whistleblower

Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen