Gesegnete Lebensreise

 

Predigt am 13.09.2020 zu Psalm 107, 23-32


 

Ihr Lieben,

diesen Sommer haben wir im Rahmen der Urlauberseelsorge viele Segensschiffchen verteilt. In den Segenstüten befanden sich immer zwei: Ein fertiges zum Behalten und eins zum Selberbasteln und weiterverschenken. Und ihr ahnt es vielleicht schon: Die Umschläge, die ihr bekommen habt, beinhalten Segensschiffchen. Allerdings müssen die noch gefaltet werden, weshalb ihr auch eine Bastelanleitung in dem Umschlag vorfindet.

 

Folgender Segensspruch ziert euer Schiffchen:

 

Mögest du auf die hohe See hinausfahren und den Wind im Rücken spüren; möge die Sonne dein Gesicht wärmen und dein Herz,

in der Zuversicht und Gewissheit, dass Gott dich begleitet

und bei deiner Rückkehr am Ufer steht.

 

Ich bin vor ein paar Wochen gefragt worden, was dieser Segen denn eigentlich theologisch bedeutet, bzw. wie ich denn diesen Text deuten würde. Es gibt immerhin verschiedenen Möglichkeiten, wie man ihn verstehen kann. Einerseits kann es ein einfacher Reisesegen sein für jemanden, der oder die in den Urlaub fährt. Es kann auch ein Segen sein für jemanden, der oder die einen neuen Lebensabschnitt beginnt.

Ich selbst habe mit diesem Segensschiffchen Bekanntschaft gemacht, als ich eine Reise nach Sansibar zu unseren Partnerinnen und Partnern in der dortigen Kirche antreten wollte. Da war er natürlich als Reisesegen gedacht – den ich natürlich erst falten musste.

 

Für mich geht dieser Text allerdings über einen einfachen Reisesegen hinaus. Er umfasst mehr als nur die Fahrt in den Urlaub oder das Zubewegen auf einen neuen Lebensabschnitt.

 

Genauso wie in Psalm 107 mehr beschrieben wird als nur eine einfache Fahrt über das Meer, so schwingt auch in dem Segen eine andere Dimension mit.

Für mich geht es sowohl in den Worten des Psalms als auch in den Wünschen des Segens um unsere Lebensreise. 

 

Ich finde, dass sich unser Leben sehr gut mit einer Schiffsreise über das Meer vergleichen lässt.

Wenn wir mit einem Schiff lossegeln wissen wir nicht, was uns erwartet, oder nur zu einem Teil. Genauso ist das, wenn unser ganzes Leben noch vor uns liegt. Wir können gar nicht wissen, was da alles auf uns zukommen wird und welche Herausforderungen wir zu bewältigen haben. Aber wir machen Stück für Stück unsere Erfahrungen. Manchmal ist es sonnig, und wir segeln ganz friedlich über das Meer unseres Lebens. Und dann zieht plötzlich schlechtes Wetter auf. „Das Unwetter ließ ihre Seelen verzagen“, heißt es in Psalm 107. Sicherlich haben auch all diejenigen, an die wir heute denken, solche Zeiten erlebt. Von meinem Vater weiß ich, dass er es hat. Auch er verstarb in diesem Jahr und ist hier vor Helgoland seebestattet worden. Zum ersten Mal steht also auch ein von mir sehr geliebter Mensch auf der Namensliste, die wir ins diesem Gottesdienst verlesen werden. (Ab heute bin ich eine von euch.)

 

Von meinem Vater weiß ich aber auch, dass er genau wusste, an wen er sich wenden konnte, wenn in seinem Leben ein Unwetter aufzog: Er wusste, dass er bei Gott gut aufgehoben ist und dass der den Sturmwind zum Schweigen bringen kann. Selbst ganz zum Schluss konnte er noch voller Gottvertrauen sagen: Warum sollte ich Angst vor dem Tod haben?!

 

Auch eure Verstorbenen haben viel erlebt: Eine glatte See (also einen Ententeich, wie wir hier sagen) gab es in ihrem Leben genauso wie Sturm und hohe Wellen.

Viele der Verstorbenen, an die wir heute denken, haben den Krieg noch miterlebt. Sie haben vielleicht in den Nachkriegsjahren noch Hunger gelitten. Sie haben schwer arbeiten müssen, um alles, was zerstört worden war, wieder aufzubauen. Viele haben aber auch ganz wunderbare Erfahrungen von gegenseitiger Hilfe, Freundschaft und Unterstützung gemacht. Viele haben unglaublich schöne Zeiten mit ihren Familien verbracht und mit den Menschen, die ihnen nahestanden.

Manchmal haben sie erleben müssen, dass Flaute war und es einfach nicht voranging. Und dann wieder hat ein sanfter Wind sie vorwärts getrieben in Richtung neuer Abenteuer.

 

Und Gott ist in allem immer bei ihnen gewesen, hat alle diese Menschen auf ihrer Lebensreise begleitet. 

 

Gott ist auch für uns da und begleitet uns, durch Trauer, Schmerz und Abschied aber auch, in Freude und Glück. Auch dann, wenn Erinnerungen an die geliebten Menschen uns schmunzeln oder sogar lauthals lachen lassen, ist Gott an Bord. 

 

Gott sorgt zwar nicht dafür, dass die Stürme ausbleiben. Gott verhindert die hohen Wellen nicht. Aber Gott hilft uns dabei, die Stürme des Lebens heil zu überstehen. Gott hat unseren geliebten Angehörigen kein 100%ig gutes, leichtes und schönes Leben beschert. Oft haben sie viel durchstehen und aushalten müssen. Aber Gott hat sie begleitet und dafür gesorgt, dass viele der Wellen, die über ihnen zusammengeschlagen sind, sie nicht in die Tiefe gerissen haben.

Gott macht auch den Tod nicht ungeschehen. Gott verhindert nicht, dass wir von lieben Menschen Abschied nehmen müssen. Aber Gott ist an Bord und hilft uns durch die schwere See.

 

Das ist genau das, was der Segen uns sagt: Wir sind nicht alleine unterwegs auf unserer Lebensreise. Wir sind begleitet und wir sind behütet. Und obwohl Gott uns noch begleitet, schafft er es trotzdem, schon am Ufer zu stehen und auf uns zu warten, wenn wir zu unserem Heimathafen zurückkehren.

 

Unsere geliebten Verstorbenen sind schon in ihren Heimathafen zurückgekehrt und Gott stand am Ufer und hat sie mit offenen Armen empfangen. Und genauso wird es auch für uns sein, wenn wir unsere Lebensreise beenden und nach Hause zurückkehren. Gott wird da sein und auch wir werden willkommen sein. So sagt es der Segen.

 

Ein Segen ist so viel mehr als nur ein guter Wunsch. Bei einem Wunsch ist immer noch ein „vielleicht“ enthalten: Ich wünsche dir, dass du begleitet und behütet bist - und vielleicht bist es auch. Aber vielleicht auch nicht. Bei einem Segen ist das anders. Ein Segen beinhaltet Gottes Kraft und sagt uns zu, dass es so sein wird.

 

Mögen wir also auf die hohe See hinausfahren und den Wind im Rücken spüren; möge die Sonne unser Gesicht wärmen und unser Herz,

in der Zuversicht und Gewissheit, dass Gott uns begleitet

und bei unserer Rückkehr am Ufer steht.

So wird es sein!

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