Der Wahrheit ins Auge sehen

 


Predigt zu Jeremia 29, 1.4-14


Ihr Lieben,

 

ich bin gerade erst seit ein paar Tagen aus dem Urlaub zurück. Wir sind mit dem Wohnmobil kreuz und quer durch Deutschland gefahren. Wir waren an der Nordsee in Ostfriesland. Wir waren in Speyer. In Bayern wollten wir ein bisschen wandern gehen, was wir allerdings wegen des schlechten Wetters gelassen haben. Wir haben den Harz unsicher gemacht und auch ein bisschen die Holsteinische Schweiz. Familie besuchen konnten wir auch, da wir dieses Mal in unserem Urlaub in Deutschland geblieben sind.

Und ich kann euch sagen: Es war ein richtig schöner Urlaub – trotz des oft schlechten Wetters!

 

Geplant gewesen war aber eigentlich etwas ganz anderes. Wir hatten ja schon Anfang des Jahres zwei Wochen Island gebucht. Und dann kam Corona. Lange Zeit haben wir noch gesagt: Ach, lass uns erstmal abwarten. Vielleicht wird alles gar nicht so schlimm. Vielleicht können wir doch nach Island fliegen.

 

Zwischenzeitlich sah es ja auch wirklich gut aus. Von Deutschland aus hätte man auch ohne Quarantäne einreisen können. Lediglich ein Corona Test bei Einreise war nötig. Natürlich hätten wir doch in Quarantäne gemusst, wenn der Test positiv ausgefallen wäre. Dieses Risiko waren wir bereit einzugehen. Aber dann änderte sich die Lage. Die Ansteckungszahlen stiegen wieder und Island bestand wieder auf einer 14 tägigen Quarantäne. Oder ersatzweise auf einem Test bei Einreise plus 6 Tage Quarantäne plus einen weiteren Test. Bei nur 14 Tagen Urlaub ist das einfach zu viel Quarantäne. 

 

Jetzt hätten wir natürlich immer noch abwarten können und uns sagen: Vielleicht bleibt alles gar nicht so schlimm. Vielleicht können wir doch auf Island Urlaub machen. 

Wie ihr seht, haben wir aber der Realität ins Auge gesehen und das Beste aus der Situation gemacht. Wir haben umdisponiert, ein Wohnmobil gemietet und sind durch Deutschland getourt.

 

Das war gut so, denn kurz bevor es losgehen sollte, gab es zu allem Überfluss auch noch eine Reisewarnung für Island, weil auch dort die Infektionszahlen wieder gestiegen waren. Und wir waren heilfroh, dass wir schon recht früh der Realität ins Auge gesehen haben. Und wir sind ebenfalls heilfroh, dass ein Urlaub überhaupt möglich war, denn ab morgen gehen wir ja wieder in einen Lockdown. Auch diese Möglichkeit haben wir immer in Betracht gezogen. Wie gesagt: Wir haben der Realität ins Auge gesehen.

 

Wozu Jeremia da in unserem Bibeltext aufruft, ist im Grunde nichts anderes. Auch er will, dass die Menschen der Realität ins Auge sehen.

 

Die Situation zu seiner Zeit ist natürlich eine völlig andere. Gottes Volk ist nicht im Urlaub, sondern wurde ins Exil verschleppt. Viele hatten da bestimmt noch die Hoffnung, dass Gott es Feuer und Schwefel auf die Babylonier regnen lässt und die die Deportierten gehen lassen.

Da haben sich die ins Exil Verschleppten möglicherweise auch gesagt: Vielleicht bleibt alles gar nicht so schlimm. Vielleicht können wir doch bald wieder nach Hause zurück.

 

Jeremia zieht ihnen diesen Zahn. Beziehungsweise zieht Gott ihnen diesen Zahn. Er benutzt den Propheten Jeremia da lediglich als Sprachrohr.

Gott lässt sein Volk wissen: Das dauert noch, bis ihr wieder nach Hause könnt. Seht also der Realität ins Auge, akzeptiert die Situation und macht das Beste daraus.

 

Im Grunde haben mein Mann und ich genau diesen Ratschlag beherzigt.

Wir haben uns in der Pandemie Situation eingerichtet. Wir haben die Gegebenheiten akzeptiert: Risikogebiete, Beherbergungsverbot, Einreisebeschränkungen, Maskenpflicht, Abstandsgebot, Hygieneregeln. Das ist wichtig, um nicht in einer Scheinwelt zu leben, die nur aus Träumereien besteht. Auch Jeremia warnt ja vor denen, die falsche Hoffnungen wecken und so zu Träumereien verleiten, die verhindern, dass die Menschen ihr Leben wirklich leben. Damals war es wichtig, sich mit seinem Leben in der Situation einzurichten und heute ist es das auch.

 

ABER: ich möchte betonen, dass wir nicht aufgegeben haben! 

Der Realität ins Auge zu sehen und sie zu akzeptieren ist etwas ganz anderes als aufzugeben.

Wir für unseren Teil sind nicht an dem Punkt, an dem wir denken: „Ach, es wird ja eh nie wieder normal. Fügen wir uns also in unser Schicksal. Lassen wir uns von den Strömungen in dieser Welt doch einfach mitreißen.“ So ist es ganz und gar nicht.

Wir sind nämlich durchaus davon überzeugt, dass Gottes Versprechen nicht nur seinem deportierten Volk damals galt, sondern auch uns heute gilt: „Ich werde alles wieder zum Guten wenden.“(Jeremia 29, 14)

 

Dass wir nicht aufgegeben haben, sieht man daran, dass wir das Wohnmobil nur gemietet haben. Hätten wir aufgegeben, dann hätten wir es wohl gekauft, weil wir davon ausgehen, dass wir für den Rest unseres Lebens nur in Deutschland und mit viel sozialer Distanz werden Urlaub machen können. 

Haben wir aber nicht. Und wisst ihr, was wir stattdessen getan haben? Wir haben unseren Island Urlaub umgebucht. Richtig: Nicht storniert, sondern nur auf nächstes Jahr verschoben – in der Hoffnung, dass er dann möglich sein wird. Denn wie gesagt: Der Realität ins Auge sehen ist eine Sache. Hoffnung haben eine andere. Und weil wir Gott an unserer Seite haben, haben wir Grund zu Hoffnung.

 

Ich glaube zwar nicht, dass Gott auf wundersame Weise dafür sorgt, dass das Corona Virus ganz von selbst von unserer Erde verschwindet. Aber ich weiß, dass Gott uns mit einer ganzen Menge grauer Zellen ausgestattet hat, also mit Gehirnzellen, in denen unser Verstand und unser Wissen zu Hause sind. Und damit lässt sich bestimmt früher oder später ein wirksamer Impfstoff finden. Oder vielleicht sogar ein Medikament, ein Heilmittel. Gott hat uns auch als empfindsame Wesen geschaffen, die zu Mitgefühl fähig sind. Und damit lässt sich viel Impfstoff und viel Heilmittel an viele Menschen verteilen. Aber nicht nur das. Damit lässt sich auch ein erneuter Lockdown überstehen und aushalten.

 

Wenn wir den Propheten Jeremia auch heute in unserer Situation ernstnehmen, dann müssen wir uns der Realität stellen, dass nicht schnell wieder alles gut wird. Dann richten wir uns ein in Pandemie, in Klimawandel, und ja: Auch in Machtmissbrauch, Krieg und Terror. 

 

Aber wir nehmen diese Dinge nicht einfach hin. So wie damals schon das Volk Israel leben wir unser Leben in einer feindlichen Umgebung, geben aber unsere Identität nicht auf. Wir geben das nicht auf, was uns ausmacht. Und wenn wir es schaffen, unsere Identität nicht aufzugeben, dann haben wir dem feindlichen Umfeld auch einiges entgegenzusetzen. 

 

Das bedeutet unter anderem, dass wir die liebevollen, friedfertigen und offenherzigen Menschen bleiben, die wir sind, egal, was uns da entgegengeschleudert wird. Wenn wir es schaffen, unsere christliche Identität zu wahren, deren Grundlage ja die Liebe ist, dann rennen Hass und Gewalt und auch so ein blödes Virus mit seinen Folgen gegen Mauern. Dann kriegt uns das alles nicht klein.

 

Es ist also wichtig, dass wir unsere Identität nicht aufgeben.

Es ist genauso wichtig, dass wir unsere Hoffnung und unseren Glauben nicht aufgeben.

 

Wir dürfen unser Vertrauen nicht aufgeben, dass Gott alles wieder zum Guten wenden wird – durch uns.

Ich darf die Augen nicht zumachen vor dem, was mich bedroht. Aber ich darf auch Vertrauen darauf haben, dass es wieder gut wird. Gott wird dafür sorgen. vielleicht nicht jetzt. Vielleicht auch noch nicht nächstes Jahr. Aber irgendwann schon.

 



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