Wir sind der Esel!



Predigt am 29.11.2020 zu Sacharja 9, 9-10


 

Ihr Lieben:

Wir sind der Esel.

 

Nein, nicht: „Mann, sind wir Esel!“ Auch nicht: “Ihr seid ja alle Esel!“ Sondern: Wir sind der Esel.

 

Was ich damit meine, werde ich euch noch erklären. Aber lasst uns erstmal sehen, was für ein Tier der Esel überhaupt ist[1] :

 

Der Esel gehört zur Familie der Pferde. Aber ein Esel ist ganz anders als das Tier, das wir gemeinhin als Pferd bezeichnen.

 

In Stresssituationen zum Beispiel neigen Pferde zur Flucht. Esel bleiben wie angewurzelt stehen. Zusätzlicher Stress, zum Beispiel durch Schläge oder Schreie, verstärkt diese Starre eher, weshalb der Esel den Ruf hat, besonders stur oder dumm zu sein. Das ist aber falsch. „Esel leben ursprünglich in schroffem Ödland und felsigem Gebirge. Esel sind sehr aufmerksam. Sie prüfen genau, wohin sie treten. Anders als beim Pferd – einem Bewohner offener Steppen – würde eine kopflose Flucht der Tiere im steilen oder steinigen Gelände zum sicheren Tod führen. (…)

 

„Ursprünglich wurden Esel auch als Reittiere und zum Ziehen von Wagen verwendet. Später wurden sie in der Regel von Pferden abgelöst, die schneller und kräftiger waren. (…) Dass man den Esel vor allem als Packtier weiter verwendete, liegt an seiner Zähigkeit. Viel länger als ein Pferd kann ein Esel ohne Wasser und Nahrung auskommen. (...) Da Esel anders als Pferde schwindelfrei sind, waren und sind sie in steilen Bergen ein bevorzugtes Reit- und Lasttier (Lastesel).“ 

 

Der Esel ist also ein sehr zuverlässiges, zähes und intelligentes Tier. Wenn ich euch jetzt also sage: Wir sind der Esel, dann solltet ihr das nicht als Beleidigung, sondern als Kompliment auffassen.

 

Vom Propheten Sacharja haben wir gehört, dass ein König kommen und Frieden gebieten wird. Oder verkünden. Das hebräische Wort an dieser Stelle kann nämlich beides bedeuten. Dieser König kommt aber nicht, wie man erwarten würde, auf einem Schlachtross, oder in einem Streitwagen, sondern auf dem Fohlen einer Eselin. Er kommt in Demut. 

 

Wenn ich versuche, mir Königin Elisabeth von England auf einem Esel vorzustellen, dann kann ich sie, glaube ich, nicht mehr ernstnehmen. Vor allem, weil ich immer noch die Bilder ihrer Geburtstagsparade im Kopf habe, an der sie in jüngeren Jahren auf einer stolzen schwarzen Stute teilnahm.

 

Trotzdem macht es schon Sinn, wenn der Friedenskönig auf einem Esel reitet und nicht auf einem Schlachtross. Schließlich geht es um den Frieden!

Wenn ich mit einem Panzer in ein Kriegsgebiet fahre, um da für Frieden zu sorgen, dann gibt das ja irgendwie auch ein schiefes Bild, um das mal in die heutige Zeit zu übertragen. Und ja: Ich weiß, dass die UN Friedenstruppen durchaus in Panzern unterwegs sind, denn einfach nur sagen: „Haltet Frieden!“, funktioniert ja eben nicht.

 

Und genau haben wir das Dilemma.

Wenn der Friedenskönig auf einem kleinen Esel daherkommt, dann klingt das nicht so, als könnte er mit dem Frieden Erfolg haben. Und die Geschichte der Menschheit gibt mir Recht: Seit Sacharja diese Prophezeiung geäußert hat, ist es nicht wirklich friedlich auf unserem Planeten zugegangen.

 

Ein Teil der Prophezeiung hat sich immerhin bewahrheitet: Der König ist gekommen. Aber nicht als weltlicher König, nicht als politischer Machthaber, sondern arm und klein und schwach ist er in einem Stall auf die Welt gekommen. Aber ein politischer Machthaber war ja auch nie von Gott vorgesehen, um der Menschheit den Frieden zu bringen. Das war nie der Plan.

 

Jahrzehnte später als erwachsener Mann ist Jesus auf dem Fohlen einer Eselin nach Jerusalem geritten, um dann verhaftet, angeklagt und hingerichtet zu werden.

 

Soweit so gut. Aber hat der König da nicht etwas vergessen? Wo war der Teil, in dem er den Frieden gebietet?

 

Das mit dem Frieden hat Jesus nicht vergessen. Allerdings hat er, wie ich finde, den Frieden mehr verkündigt als geboten. Er hat zum Beispiel gesagt: „Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ (Matthäus 5,9) Oder: „Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.“ (Johannes 14, 27)

 

Wirklich friedlicher ist unsere Welt aber irgendwie nicht geworden.

Wir kriegen es offensichtlich nicht hin, unser Leben entsprechend auszurichten, damit endlich überall Frieden herrscht.

 

Am Montagabend zum Beispiel fragte die Tagesschau auf ihrer Internetseite: „Wie gewaltbereit sind die Linken? Und kommt zu dem Ergebnis: Die Gewaltbereitschaft wächst. Die wächst übrigens auch bei den rRechten und bei denen in der Mitte. Und das ist nur eines von leider viel zu vielen Beispielen von Unfrieden. 

 

Was ist jetzt also mit dem Frieden?

 

Es wäre definitiv das Falsche, Jesus einfach machen zu lassen. Damit würden wir uns vor unserer Verantwortung drücken. Einfach zu sagen: „Los König, jetzt mach mal“, funktioniert nicht.

 

Und jetzt bin ich an der Stelle, an der wir uns klarmachen müssen, wer wir sind, und was unsere Aufgabe ist in dieser Geschichte:

 

Wir sind der Esel. 

Das heißt: 

·      Wir bleiben stehen, wenn Gefahr droht. 

·      Wir bleiben stehen, wenn man uns verleiten will, andere Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechtes, ihrer Religion, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Herkunft abzulehnen. 

·      Wir bleiben stehen und lassen uns nicht dazu verleiten, zurückzuschlagen wenn man uns verletzt hat, egal ob körperlich oder mit Worten. 

·      Wir bleiben stehen und unterstützen nicht die Waffenindustrie. 

·      Wir bleiben stehen und tolerieren keine falschen Machtansprüche. 

·      Wir bleiben stehen, rammen unsere Füße in den Boden und leisten Widerstand gegen Krieg, Gewalt und Terror, indem wir da einfach nicht mitmachen.

·      Wir bleiben stehen und besinnen uns darauf, dass wir als Christinnen und Christen zu Annahme, Offenheit und Liebe aufgerufen sind.

 

Man wird uns das alles nicht leichtmachen. Es werden immer wieder Menschen kommen, die auf unterschiedlich Weise versuchen werden, uns auf dem Weg des Unfriedens voranzutreiben. Aber wir können das aushalten, denn wir sind zäh. Wir sind der Esel. 

 

Aber wir sind nicht nur zäh. Wir sind nicht nur intelligent und wissen, wann wir stehenbleiben müssen, um dem sicheren Tod zu entgehen.

Wir tragen auch einen König. Wir tragen Gott in Menschengestalt.

Damit tragen wir viele Regeln und Gebote, die manchmal ziemlich schwer sein können. Aber wir tragen auch das Licht der Welt und wir tragen die Liebe. Wir tragen das Wort Gottes in die Welt, das verkündet: „Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.“

 

Das ist manchmal ein Scheißjob, besonders wenn wir gegen so viel Ignoranz, gegen so viel Egoismus und gegen so viele Widerstände gegen an kämpfen müssen. Und ja: Wir sind noch sehr weit weg vom Frieden in der ganzen Welt. Der Weg ist noch sehr weit.

Aber wir schaffen das. Wir sind der Esel!

 


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