Optimismus tötet, aber die Hoffnung hilft leben

 


Predigt am 21.03.2021 zu Hiob 19, 19-27

 

 

Ihr Lieben,

wusstet ihr, dass gerade die Optimistinnen und Optimisten nicht überleben?

 

Das klingt erstmal sehr unglaubwürdig. Aber wenn wir nach dem Stockdale Paradox gehen, dann ist das tatsächlich so.

 

Jim Stockdale, nach dem dieses Paradox benannt ist, war ein Offizier der US-Marine. Er hat während des Vietnam Krieges über sieben Jahre in Gefangenschaft verbracht und ist während dieser Zeit zusammen mit seinen Kameraden durch die Hölle gegangen.

 

Später wurde er von James C. Collins zu seinen Erlebnissen in Vietnam befragt, der gerade für sein Buch „Good to Great“ recherchierte. Collins stellte fest, dass einige von Stockdales Kameraden die Gefangenschaft nicht überlebt hätten und wollte wissen, was sie gemeinsam hätten. Darauf antwortete Stockdale: Sie waren Optimisten.

 

Die Optimisten hatten sich eingeredet, dass sie an Weihnachten wieder zu Hause wären. Aber nach Weihnachten waren sie immer noch in Gefangenschaft. Dann hatten sie sich gesagt: An Ostern sind wir aber bestimmt wieder zu Hause. Aber auch das war nicht der Fall. Am Ende sind sie an gebrochenem Herzen gestorben, so Stockdale.

 

Er selbst habe nie den Glauben verloren. Aber er habe auch die Realität akzeptiert und sich in ihr eingerichtet, um diese besser ertragen zu können, um diese überleben zu können. So hat er sich ein Klopfsystem ausgedacht, damit er und die anderen Gefangenen miteinander kommunizieren konnten. Er hatte mentale Techniken entwickelt, um die Folter besser ertragen zu können und einen Code erstellt, mit dessen Hilfe er seiner Frau in unverfänglich scheinenden Briefen wichtige Informationen übermitteln konnte.

 

Stockdales Motto war: Hoffe auf das Beste aber bereite dich auf das Schlimmste vor. Es braucht zwar den Glauben daran, dass du am Ende bestehen wirst, aber du darfst deshalb nicht vor den brutalsten Tatsachen deiner derzeitigen Realität weglaufen.

(Quellen: https://www.guidoaugustin.com/optimist/

und: https://www.theguardian.com/world/2020/may/05/coronavirus-uncertainty-how-to-prepare )

 

 

Eigentlich hat aber nicht Jim Stockdale das Stockdale Paradox erfunden. Das gab es schon viel früher. Zumindest glaube ich, es auch bei Hiob zu finden. 

Auch Hiob ist durch die Hölle gegangen, wie die Soldaten in vietnameischer Kriegsgefangenschaft. Er wurde zwar nicht körperlich gefoltert, aber dafür seelisch umso mehr. Das Leben hat ihm richtig übel mitgespielt. Das heißt: Eigentlich haben Gott und der Teufel dem armen Hiob richtig übel mitgespielt, denn die zwei haben eine Wette am Laufen. Der Teufel hat nämlich gewettet, dass Hiob seinen Glauben an Gott, seine Treue zu Gott aufgeben würde, wenn es ihm nur schlecht genug geht. Gott hat dagegen gehalten.

 

Wenn ihr jetzt zum ersten Mal mit dem Hiobbuch zu tun habt, dann solltet ihr noch wissen, dass dieses Buch geschrieben wurde, um mit einem verbreiteten Irrglauben aufzuräumen: Dass guten Menschen Gutes im Leben passiert und schlechten Menschen Schlechtes. Man hatte die Erfahrung gemacht, dass auch guten Menschen schlimme Dinge passieren und genau das ist mit dem Hiobbuch dargestellt.

 

Also: Hiob ist unglaublichem Leid ausgesetzt und seine Klage macht deutlich, wie sehr er leidet: Seine Haut klebt nur noch an seinen Knochen und ihm ist nichts geblieben außer dem nackten Leben. Ich kann mir nicht helfen, aber diese Beschreibung, lässt mich an einen Zombie denken. Hiob ist mehr tot als lebendig und schleppt sich scheinbar seelenlos durch die Welt.

 

Aber ganz so seelenlos ist er nicht. Ja, er ist verzweifelt. Aber ist nicht am Ende, denn er hat den festen Glauben, dass er da rauskommt:

 

„Ich weiß ja doch, dass mein Erlöser lebt. Als mein Anwalt wird er auf der Erde auftreten und zum Schluss meine Unschuld beweisen.“  Hiob ist fest davon überzeugt, dass das, was er als Strafe erleben muss, irgendwann aufhören wird, weil er ja ein guter Mensch ist, der gar nichts Schlechtes getan hat. Hiob ist überzeugt, dass er erlöst wird.

 

Ohne dass er dabei den Blick vor seiner derzeitigen Situation verschließt.  Er ist eben nicht der Optimist, der denkt, er ist in ein paar Wochen alle Probleme los, um dann in ein paar Wochen festzustellen, dass sich nichts geändert hat oder dass er sogar den nächsten Schicksalsschlag hat einstecken müssen.

 

Hiob ist, wie Jim Stockdale, der Realist, der irgendwie Wege findet, die furchtbare Realität auszuhalten, aber dabei seinen festen Glauben an Erlösung nicht aufgibt. Hiob gibt sein Vertrauen in Gott nicht auf. Denn das wäre Resignation und Resignation würde genauso im Tod enden wie falscher Optimismus. Das Vertrauen, das Hiob in Gott setzt, ist übrigens gerechtfertigt, denn Gott befreit Hiob am Ende von allen Qualen. Er gibt ihm zwar nicht zurück, was ihm genommen wurde, aber er schenkt ihm ein neues, ein gutes Leben.

 

Jim Stockdale wie auch Hiob geben uns ein schönes Beispiel dafür, wie wir in einer schlimmen Situation durchhalten können, wie wir das, was uns an schlimmen Dingen passiert, aushalten können:

Indem wir die Augen nicht vor der Realität zumachen, indem wir uns nichts vormachen, aber auch durch den festen Glauben an Erlösung. 

 

Ich weiß nicht, wie es den Menschen geht, die sich im letzten Frühjahr mit der Vorstellung getröstet haben: Ab Sommer ist alles besser und Corona setzt uns nicht mehr so zu. Der Sommer kam, es wurde kurzzeitig etwas besser und dann wieder schlechter. Jetzt sind wir auf dem Weg in die dritte Ansteckungswelle.

 

Ich weiß nicht, wie es den Menschen geht, die gedacht haben: Wenn wir erstmal einen Impfstoff haben, ist alles gut. Wir haben Impfstoff, aber wir sind weit entfernt von „alles ist gut“.

 

Ich weiß aber, wie es mit geht: Auch ich habe mich zwischendurch zu falschem Optimismus verleiten lassen und es geht mir nicht gut, weil sich mein Wunschdenken nicht bewahrheitet hat. Ich bin unglaublich müde und habe das Gefühl, diese Pandemie und all die menschlichen Abgründe, die sie zutage fördert, nicht mehr aushalten zu können.

 

Aber ich werde sie aushalten. Und ich werde Strategien entwickeln, wie das leichter geht. Habe ich im Grunde schon, dadurch dass ich über das rede, was mir zusetzt. Dadurch, dass ich die Zweisamkeit mit meinem Mann genieße. Dadurch, dass ich einen Spieleabend mit Freundinnen plane, der per Videokonferenz stattfinden wird.

 

Ich weiß nicht, wann ich von all dem hier erlöst sein werde. Aber wie Hiob weiß ich, dass mein Erlöser lebt. Wie Stockdale, habe ich den festen Glauben, dass ich hier irgendwann rauskomme. Keine Ahnung, wann die Pandemie vorbei sein wird. Keine Ahnung, ob sie überhaupt irgendwann vorbei sein wird. Keine Ahnung, ob schon an Ostern alles wieder gut ist, oder spätestens zum nächsten Weihnachten. Das ist im Moment auch nicht wichtig.

 

Wichtig ist, dass ich die Realität aushalten kann und dass ich meinen Glauben nicht verliere. Und der ist zum Glück noch da:

 

Ich habe nämlich das ganz feste Vertrauen, dass mein Erlöser, dass Gott, mir hier durchhilft. Und ich habe das ganz feste Vertrauen, dass mir da am Ende ein neues, ein gutes Leben geschenkt wird.

 

Genau dieses Vertrauen wünsche ich euch auch und vielleicht helfen euch die Hiobgeschichte und das Stockdale Paradox ein bisschen dabei, dieses Vertrauen aufzubauen.

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