Töpfchen, koche!

 


Predigt zu 1. Könige 17, 1-16

 

Ihr Lieben,

es gibt da dieses Märchen von den Brüdern Grimm:

 

Es war einmal ein armes frommes Mädchen, das lebte mit seiner Mutter allein, und sie hatten nichts mehr zu essen. Da ging das Kind hinaus in den Wald. Dort begegnete ihm eine alte Frau, die kannte seinen Jammer schon und schenkte ihm ein Töpfchen, zu dem sollte es sagen “Töpfchen, koche.” so kochte es guten süßen Hirsebrei, und wenn es sagte “Töpfchen, steh.” so hörte es wieder auf zu kochen. Das Mädchen brachte den Topf seiner Mutter heim, und nun waren sie ihrer Armut und ihres Hungers ledig und aßen süßen Brei so oft sie wollten.

 Einmal war das Mädchen ausgegangen, da sprach die Mutter “Töpfchen, koche.” da kochte es, und sie aß sich satt; nun wollte sie, dass das Töpfchen wieder aufhören sollte, aber sie wusste das Wort nicht. Also kochte es weiter und der Brei stieg über den Rand hinaus. Es kochte die Küche und das ganze Haus voll, und das zweite Haus und dann die Straße, als wollte es die ganze Welt satt machen.

 Endlich, wie nur noch ein einziges Haus übrig war, da kam das Kind heim, und sprach nur “Töpfchen, steh.” da hörte es auf zu kochen; und wer wieder in die Stadt wollte, der musste sich durchessen.

 

Dieses Märchen ist mir spontan eingefallen, als ich in der Bibel von der armen Witwe las, die Elia etwas zu essen und zu trinken bringt, obwohl sie selbst eigentlich nicht genug hat, um sich und ihren Sohn versorgen zu können. 

Sie rechnet sogar damit, dass sie am Ende verhungern müssen. Aber Elia sagt daraufhin zu ihr:

 

„Denn so spricht der Herr, der Gott Israels:

Der Mehlkrug wird nicht leer werden,

und die Ölkanne wird nicht versiegen.“

 

Das ist doch fast genauso wie das Töpfchen aus dem Märchen, das nicht aufhört, Brei zu kochen.

 

Die Kernaussage, die hinter der Eliageschichte steht, ist die, dass wir uns im Grunde keine Sorgen machen müssen, weil Gott doch dafür sorgt, dass wir alles haben, was wir zum Leben brauchen. Alles, was wir Menschen tun müssen, ist Vertrauen haben.

 

Und dann lese ich in der Zeitung von den Menschen im Jemen, denen es so schlecht geht, dass sie nur noch auf den Tod warten. Gerade vielen „Kindern droht das Verhungern“, schreibt Die Zeit. (Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-03/jemen-krieg-waffenruhe-armut-hungersnot-hodeidah-huthi-rebellen )

 

Hat Gott vergessen, ihnen zu sagen, wie man das Töpfchen zum Kochen bringt? Gilt Gottes Fürsorge nur seinen Prophetinnen und Propheten? Oder haben die Menschen im Jemen einfach nicht genug Gottvertrauen? Ich finde, das sind Fragen, die man sich durchaus stellen kann.

 

Ich persönlich würde alle diese Fragen mit einem deutlichen Nein! beantworten. 

Nein: Gott hat die hungernden Menschen im Jemen und anderswo nicht vergessen! Nein: Gott sorgt auch nicht nur für seine Prophetinnen und Propheten! Nein: Es liegt garantiert auch nicht am mangelnden Gottvertrauen!

 

Es liegt an uns.

 

Denn wir sind Gottes Werkzeuge. Wir sind Gottes Hände in der Welt. Wir sind diejenigen, die das Töpfchen zum Kochen bringen können. Wir tun es nur nicht. Das Verrückte ist ja, dass es genug zu essen und genug frisches Wasser für die Menschen auf der Erde gibt. Das ist tatsächlich so: Es gibt genug Lebensmittel auf unserer Erde; es muss niemand hungern. Es muss nur alles gerecht verteilt werden. Aber das ist es nicht. 

 

Da gibt es Länder, in denen man nicht mehr weiß, wie man sagt „Töpfchen steh“. Und das Töpfchen kocht und kocht und kocht. Durchessen muss sich da allerdings niemand, um in eine Stadt zu gelangen. Das, was zu viel ist, wird einfach weggeschmissen. In anderen Regionen dieser Erde hat niemand den Menschen beigebracht zu sagen „Töpfchen koche“. Und an viel zu wenigen Orten haben die Menschen gelernt, von dem abzugeben, was zu viel ist.

 

Das mit der großzügigen Verteilung funktioniert nur bei Waffen richtig gut, aber nicht bei Lebensmitteln.

 

Ich habe mich letzte Woche mit einem meiner Kollegen unterhalten, der mir von einem Gespräch mit einer Schulklasse berichtete, in der es genau darum ging: Wir Menschen schaffen es immer irgendwie, uns mit Waffen zu versorgen. Waffen können immer angeschafft werden, egal in welchem Land, egal wie arm dieses Land sonst auch sein mag. 

Aber wir schaffen es nicht, die Menschen mit Lebensmitteln zu versorgen, obwohl doch genug für alle da ist. Da läuft doch etwas total schief in unserer Welt!

 

Darum ist für mich diese Geschichte über Elia nicht nur die Zusage, dass Gott es gut mit mir meint und dass ich Gottes Güte vertrauen darf. Für mich ist diese Geschichte in gleichem Maße Aufruf, selbst aktiv zu werden und es selbst so zu machen wie die Witwe: Erstmal von dem, was ich habe abgeben. Und wenn ich damit nicht alleine bin, wenn das alle machen, dann muss ich mir selbst auch keine Sorgen mehr machen, ob mir irgendwann Öl und Mehl ausgehen. Oder Wasser. Oder Geld. Oder Kleidung. Oder Obdach. Oder Liebe. Oder süßer Brei. 

 

Wir alle haben unser Töpfchen von Gott bekommen. Und gerade wir Christinnen und Christen haben von Gott gesagt bekommen, wie man es zum Kochen bringt. Was wir nur noch lernen müssen, ist, nicht nur für uns selbst zu kochen, sondern andere zum Essen einzuladen, damit auch sie etwas von dem süßen Brei abbekommen. Denn von dem gibt es wirklich genug für alle.

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