Sei freundlich, sei gütig!



(Predigt am 24.06.2018 zu 1. Petrus 3, 8-15a)

 

Ihr Lieben,

Neulich bin ich im Internet über eine Werbung gestolpert, die mich fast dazu gebracht hätte, ein T-Shirt zu kaufen. Mir gefiel nämlich der Aufdruck auf dem T-Shirt supergut. Um ehrlich zu sein, ringe ich immer noch mit mir, ob ich es mir nicht doch gönnen soll.

Der Text, der auf das T-Shirt gedruckt ist, lautet: „In a world where you can be anything, be kind!“ - „In einer Welt, in der du alles sein kannst, sei freundlich/ gütig.“

 

Ich habe hier mit Absicht beide Übersetzungsmöglichkeiten gewählt, weil in dem englischen Wort „kind“ beides mitschwingt. Es nur mit „freundlich“ zu übersetzen, wäre zu wenig, und auch „gütig“ alleine trifft es nicht ganz. Aber beides zusammen gibt genau das wieder, was mit dem Wort „kind“ gemeint ist.

 

Meine Version lautet also: “In einer Welt, in der du alles sein kannst, sei freundlich. Sei gütig!“ 

 

Ja, wir leben in einer Welt, in der zumindest viele von uns grundsätzlich alles sein können. Ich weiß, es gibt immer noch zu viele Menschen, denen zu viel verwehrt ist, was auch immer die Gründe sein mögen: Armut, Krieg, Religion, Kultur, Geschlecht. Auch ich kann im Grunde nicht alles sein. Ich könnte zum Beispiel nicht Ärztin sein, weil ich dafür die Ausbildung gar nicht habe. Ich hätte aber Ärztin werden können, wenn ich mir in der Schule so richtig Mühe gegeben und den Numerus Clausus für Medizin geschafft hätte. Ihr seht also: Es geht für uns schonmal ganz viel.

 

Und was unsere grundsätzliche Haltung angeht, können wir wirklich alles sein: Streng, lustig, flippig, nachtragend, egoistisch, offen, annehmend, liebevoll, böse, ernst, bedacht, spontan, überheblich, zurückhaltend, laut, leise, und noch so einiges mehr. Und wir können freundlich sein. Und gütig.

 

Ich finde, dass es aber manchmal sehr schwer ist, freundlich und gütig zu sein. Das wird immer dann schwer, wenn unterschiedliche Interessen kollidieren. Der eine will das eine, die andere will das andere. Ich bin überzeugt, dass ICH Recht habe, aber der andere denkt dasselbe auch von sich. Und dann gibt es Streit. Dann kommt es dazu, dass ich wütend, misstrauisch, rachsüchtig oder sogar böse bin.

 

Das ist völlig normal zwischen Menschen, die in einer Gemeinschaft zusammen leben. Nicht mehr normal ist es allerdings, wenn über das Anderssein und Andersdenken Krieg ausbricht. Oder es zu Verfolgung, Tyrannei, und Folter kommt.

 

Auch zur Zeit der frühen Christinnen und Christen hat es schon Schwierigkeiten innerhalb dieser Gemeinschaften gegeben. Deshalb finden wir in den sogenannten katholischen Briefen, die sogenannten Haustafeln. Was es damit auf sich hat, will ich euch kurz erklären.

 

Der erste Petrusbrief gehört zu diesen katholischen Briefen, also den „allgemeinen“ Briefen. Eine Online-Enyklopädie erläutert das sehr schön: „Mit den katholischen Briefen des Neuen Testaments sind der erste und der zweite Petrusbrief, der Jakobusbrief, die drei Johannesbriefe und der Judasbrief gemeint. Die Bezeichnung der Briefe als katholisch (griechisch καθολικός katholikós „allgemein“) geht darauf zurück, dass die Angabe der Adressaten „allgemeiner“ ist als bei den an einzelne Gemeinden oder Einzelpersonen gerichteten Briefen des Apostels Paulus.“ (Quelle: Wikipedia)

 

Diese Briefe zeigen das Bemühen der frühen Christ*innen, sich im Alltag einzurichten. Unser Predigttext ist Teil einer sogenannten Haustafel. Martin Luther hat übrigens diesen Begriff geprägt und im Grunde ist es einfach eine Liste mit Hausregeln für Menschen, die in einem Haushalt zusammenleben. Heute finden wir so etwas vielleicht in Form eines Posters am Kühlschrank oder auch schön gerahmt irgendwo in der Wohnuung hängen. Was wir gehört haben, ist ein Teil der Regeln, die das Zusammenleben in der christlichen Gemeinschaft erleichtern sollen.

 

Das schöne ist: Wir können den gesamten Text, den wir vorhin gehört haben, auf einen Satz reduzieren, nämlich auf den, der auf dem T-Shirt steht, das ich so gerne haben möchte: - „In einer Welt, in der du alles sein kannst, sei freundlich. Sei gütig.“

 

Eigentlich ganz simpel. ABER: Irgendwie ist das ja doch gar nicht so einfach. Nicht weil uns gesellschaftliche, religiöse oder politische Dinge, oder ein Numerus Clausus im Weg stehen und davon abhalten, freundlich und gütig zu sein, sondern weil wir uns selbst im Weg stehen.

 

Hier ein zwei Beispiele: 

- Zu mir ist XY ja auch nicht nett gewesen, im Gegenteil! Warum soll ich dann nett zu XY sein?

- Für mich hat man dieses oder jenes auch nicht getan, warum soll ich es dann für andere tun?

Ich frage an dieser Stelle zurück: Warum nicht?

Diese Frage kann ich immer stellen! Denn ganz ehrlich: Was wird mir persönlich denn weggenommen, wenn ich freundlich und gütig anderen Menschen gegenüber bin? Gar nichts!

 

Ich bin doch nicht plötzlich meinen Job los, nur weil wir Flüchtlinge in unserem Land aufnehmen! Und die Obdachlosen wären auch ohne die Flüchtlinge noch obdachlos. Wir sollten doch nicht allen Ernstes glauben, dass plötzlich alle Missstände in diesem Land verschwinden, wenn wir keine Flüchtlinge mehr reinlassen.

 

Außerdem kriegen wir das schon ganz gut hin mit den Flüchtlingen:

Als es zum Beispiel am 17. Juni 1953 den Volksaufstand in der DDR gab, der blutig niedergeschlagen wurde, hatten wir anschließend auch schon eine Flüchtlingskrise. Die hat den Menschen schwer zu schaffen gemacht, denn Deutschland war noch nicht wieder aufgebaut, das Wirtschaftswunder hatte noch nicht eingesetzt.

Und was war mit den Flüchtlingen, die kurz vor dem Mauerfall in den Westen kamen? Da hatten wir die nächste Flüchtlingskrise. Auch das haben wir hinbekommen. Und wie gesagt: Wem wurde denn dadurch etwas weggenommen?

 

Frage: Warum soll ich gütig gegenüber anderen sein? Ich hatte zurückgefragt: Warum nicht?

 

Oft finden wir in unseren Köpfen folgende Antworten auf die Frage „Warum nicht?“: 

- weil sie anders sind als ich,             

 - weil ich sie nicht verstehe, 

- weil ich Angst vor ihnen habe,

 - weil ich nicht will, dass meine kleine heile Welt durcheinander gebracht wird.


Umso wichtiger ist es, dass die Frage „Warum soll ich freundlich und gütig sein?“ die richtige Antwort bekommt! Die lautet: Ich soll freundlich und gütig sein, weil Gott das so für uns vorgesehen hat. Gott hat, als sie die Menschen schuf, sie dazu bestimmt, freundlich und gütig zu sein. Das hat damit zu tun, dass wir nach Gottes Ebenbild geschaffen wurden und Gott ist nunmal vom Wesen her Liebe. Damit ist sie freundlich und gütig. Und wir auch. Punkt.

 

Ich darf in manchen arabischen Ländern auch nicht meinen Glauben als Christin ausüben. Warum soll ich es dann zulassen, dass hier Moscheen gebaut werden? Weil Gott uns dazu bestimmt hat freundlich zu sein, gütig zu sein.

 

Wenn ich in Frankreich im Urlaub bin und in den Gottesdienst gehe, dann wird für mich auch nicht die Predigt auf Deutsch zusammengefasst. Warum sollte das dann hier für nichtdeutschsprachige Gottesdienstdienstbesucher*innen passieren? Weil Gott uns dazu bestimmt hat, freundlich und gütig zu sein.

 

Warum soll ich freundlich sein, wenn mich jemand anpöbelt? Weil Gott mich dazu bestimmt hat. Warum soll ich gütig sein, wenn man mich gerade ausgenutzt hat? Weil Gott mich dazu bestimmt hat. (Was nicht heißt, dass ich mir alles gefallen lassen soll)

 

Sei freundlich, sei gütig. Oder auch: Du sollst ein Segen sein. Denn wenn wir uns freundlich und gütig verhalten, dann werden wir zum Segen für andere. In unserem Predigttext steht: Stattdessen sollt ihr segnen. Denn Gott hat euch dazu berufen, seinen Segen zu erben. Wenn wir also nicht Böses mit Bösem vergelten, sondern gütig sind, dann segnen wir.

 

Und das wiederum hat positive Auswirkungen auf die Menschen. Wir sind ja das Vorbild und sie machen uns die Freundlichkeit und die Güte vielleicht nach. Damit werden auch sie zum Segen für andere, und so starten wir vielleicht eine Kettenreaktion und segnen am Ende die ganze Welt. 

 

Ich erinnere mich, vor kurzem eine Werbung gesehen zu haben, in der ein Rollstuhlfahrer einer Frau half, ihren viel zu schweren Handkarren auf den Bürgersteig zu schieben. Das wurde von jemand anderem beobachtet, der seinerseits dadurch motiviert wurde, einem Menschen zu helfen.

Wie gesagt: Am Ende segnen wir vielleicht sogar die Welt.

 

Am Anfang müssen wir zunächst segnen WOLLEN. Wir müssen freundlich und gütig sein WOLLEN. Ich hatte ganz am Anfang das Beispiel mit mir als möglicher Ärztin erwähnt und gesagt, dass ich nicht Ärztin sein kann, weil mir die Ausbildung fehlt. Wenn ich das aber wirklich gewollt hätte, dann wäre es vielleicht doch möglich gewesen, diesen Beruf zu ergreifen.

Wenn wir wirklich gütig sein WOLLEN, wenn wir wirklich freundlich sein wollen, und dann ist das für uns am Ende auch möglich. Davon bin ich überzeugt.

 

Und damit wir uns immer wieder darauf besinnen können, was wir wirklich wollen, habe ich diese kleine Erinnerungshilfe mit dem Spruch angefertigt, der das zusammenfasst, was da in so vielen Sätzen im ersten Petrusbrief beschrieben ist. Für jede/n eine eigene kleine Haustafel.

 

Und nicht vergessen: Wir sind keine Einzelkämpfer. Dieses ist ja eine Regel für das Leben in einer (christlichen) Gemeinschaft. Das heißt, wir stehen nicht alleine da, wenn es darum geht, Freundlichkeit und Güte walten zu lassen. Wir können uns dabei gegenseitig unterstützen.

 

 


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