Man nehme ...


(Predigt vom 22.07.2018 zu Markus 2, 1-12)

 

Ihr Lieben,

es gibt ja viele kluge Rezepte zum Glücklichsein. Eines davon habe ich mal in Form einer Geburtstagskarte bekommen, als kleine Anregung für das neue Lebensjahr:

 

Man nehme 12 Monate,

putze sie sauber von Neid, Bitterkeit, Geiz, Pedanterie

und zerlege sie in 30 oder 31 Teile, so dass der Vorrat für ein Jahr reicht. 

Jeder Tag wird einzeln angerichtet 

als 1 Teil Arbeit und 2 Teilen Frohsinn und Humor.

Man füge 3 gehäufte Esslöffel Optimismus hinzu, 1 Teelöffel Toleranz,

1 Krönchen Ironie und 1 Prise Takt.

Dann wird die Masse

mit sehr viel Liebe übergossen.

Das fertige Gericht schmückt man

mit Sträußchen kleiner Aufmerksamkeiten und serviere es täglich mit Heiterkeit.

(Katharina Elisabeth Goethe, Mutter von Johann Wolfgang von Goethe)

 

Nett, oder?

Allerdings war ich eigentlich auf der Suche nach Zutaten, die man für Heilung braucht, aber was die Internet-Suchmaschine mir da ausspuckte waren nur Rezepte für grüne Smoothies, glutenfreies Brot oder „Darmschmeichler Müsli“.

 

Also müssen wir jetzt selbst mal überlegen, welche Zutaten wir für die Heilung, bzw. das Heilsein, brauchen.

 Bevor wir uns aber ans Zutatensammeln machen, müssen wir uns erstmal darüber klar sein, was Heilung eigentlich ist.

 

Das, was den meisten vermutlich als erstes dazu einfällt ist Gesundheit.

 

Und die Gesundheit wird von der WHO so definiert (Stand 8. Mai 2014):

„Die Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“ (Quelle: https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19460131/201405080000/0.810.1.pdf)

 

Gesundheit ist also mehr als nur das Fehlen von Krankheit. Damit ist Heilung auch mehr als nur das „Wegmachen“ von Krankheit.

Allerdings ist Heilung nicht dasselbe wie das Gesundwerden. Gesundwerden ist Teil des Heilungsprozesses, aber Heilung ist mehr.

 

Heilung hat mit heil sein zu tun, und zwar nicht nur körperlich, geistig und sozial, sondern ganz besonders was unsere Beziehung mit Gott angeht.

Im Heil sind unter anderem folgende zusätzliche Zutaten enthalten: Gnade, Ganzheit und Erlösung. Diese Zutaten bekommen wir nur von Gott bzw. durch Jesus Christus. Diese Zutaten brauchen wir unbedingt für die Heilung. Wenn die fehlen, dann ist es keine Heilung mehr, sondern nur noch Gesundwerden. Und heil sein ist besser als „nur“ gesund sein.

Die Gesundheit ist dann sozusagen das Grundrezept, aber es müssen ein paar entscheidende Zutaten noch mit untergerührt werden.

 

Ohne Gott also keine Heilungssuppe.

 

Die Zutaten, die Katharina Elisabeth Goethe da auflistet sind übrigens auch nicht zu verachten, denn diese Dinge brauchen wir, damit unsere Seele gesund bleibt, oder gesund wird. Wenn wir glücklich sind, ist das gut für unser Seelenleben.

 

Zusätzlich können wir der Seele aber auch noch mit anderen Dingen Gutes tun: Musik, Literatur und Auszeiten, in denen die Seele zur Ruhe kommen kann zum Beispiel.  Jetzt fehlen noch der Körper und der Geist. Auch die gehören dazu, wenn es ums Gesundwerden bzw. um Heilung geht. Wenn wir von Heilung sprechen, dann sprechen wir von Heilung an Körper, Seele und Geist.

 

Der Körper profitiert davon, wenn es der Seele gutgeht. Viele körperliche Symptome sind psychosomatisch und verschwinden, wenn unsere Seele gesund wird. Ansonsten können wir, was den Körper angeht, noch eine Tasse Bewegung, diverse Esslöffel an gesunder Ernährung und regelmäßige Arztbesuche hinzufügen – Zur Kontrolle oder zur Vorsorge.

 

Für den Geist kommen nun auch noch ein paar Zutaten dazu: Und da sind wir bei dem, was Heilung ausmacht. Das ist der Teil, der über das reine Gesundwerden hinausgeht. Das ist der Teil, der mit Gott zu tun hat. Spiritualität gehört unbedingt dazu.

 

An dieser Stelle muss ich eine kleine Erklärung einfügen: Die WHO spricht zwar von GEISTIGEM Wohlergehen. Damit ist aber eigentlich die Seele gemeint. Wenn wir Christinnen und Christen aber von Geist sprechen, dann beschreibt das unsere Lebensenergie. Wenn es um Lebensenergie geht, kommt Gott ins Spiel. Der liefert ja die Lebensenergie.

 

Die Frage ist jetzt also: Was brauchen wir, um an Körper Seele und Geist heil zu werden? Ein paar Dinge haben wir ja schon zusammengesammelt.

 

Der Predigttext liefert uns aber noch weitere Zutaten. Deshalb lasst uns nochmal schauen, was da in dieser Geschichte von der Heilung des Gelähmten passiert:

 

Jesus ist in Kapernaum - oder Kafar-Naum. Dieser Ortsname heißt übersetzt: Ort des Trostes. Dann erfahren wir, dass Jesus von Gott erzählt. 

 

Eine Gruppe von Leuten trägt einen Gelähmten. Einer alleine schafft das kaum. Dazu muss man schon mehrere haben. Als Feuerwehrfrau, die ab und zu mit dabei ist, wenn der Rettungsdienst Unterstützung anfordert und wir Tragehilfe leisten, weiß ich wie schwer ein bewegungsloser menschlicher Körper ist! Sehr schwer!

 

Normalerweise müssen wir allerdings nicht auch noch ein Dach kaputtmachen, wie die Männer in unserer Geschichte. Wie auch immer, es ist in jedem Fall leichter, wenn man sich sowas nicht alleine trauen muss. 

 

Dann erkennt Jesus, wie groß der Glaube dieser Truppe ist, die den Gelähmten zu ihm bringt. Aber: Anstatt den Gelähmten nun endlich zu heilen, vergibt er ihm seine Schuld.

 

Als Machtdemonstration sorgt Jesus am Ende noch dafür, dass der gelähmte Mann wieder laufen kann. Eigentlich tut er das nicht, um dem Gelähmten zu helfen, sondern um den Pharisäern zu demonstrieren, dass er wirklich Gottes Sohn ist und die Befugnis hat, zu vergeben,

 

 

Das Rezept für Heilsein könnte also so aussehen:

Man nehme

- Einen Ort, wo wir Trost finden, 

- Gottes Gegenwart, 

- gute Worte im Allgemeinen, 

- Gottes Wort im Besonderen, 

- eine Gemeinschaft, die trägt , 

- einen starken Willen, gewürzt mit etwas Mut, 

   um sich Zugang zur Quelle der Kraft zu verschaffen, 

- Glaube, 

- Vergebung, 

- inneren Friede (erlangt durch Vergebung)

 

So, fertig. Das perfekte Heilungsgericht kann gekocht werden und dafür sorgen, dass das, was uns lähmt verschwindet. Ja, auch wir sind oft gelähmt. Manche Menschen im wörtlichen Sinne, wir alle aber im übertragenen.

Angst zum Beispiel, Überforderung, Depressionen, Trauer, Wut, Gier, das Setzen von falschen Prioritäten können dazu führen, dass wir bewegungsunfähig werden. Es gibt ja nicht umsonst den Ausdruck „wie gelähmt sein vor Angst“. Gegen diese Lähmungen wirkt das Rezept aus dem Markusevangelium ganz wunderbar.

 

Es gibt allerdings einen Haken an der Sache: 

100%iges Heilsein ist für uns im Grunde gar nicht möglich, zumindest jetzt und hier in unserem irdischen Dasein nicht. Es wird immer etwas an uns geben, das ein bisschen kaputt ist. Wir haben einen Sprung in der Schüssel und der geht nicht vollständig weg.

 

Ich stelle mir das tatsächlich wie eine schöne alte Schale aus Großmutters Zeiten vor. So eine Schale bekommt irgendwann Risse und Sprünge. Vielleicht zerbricht sie auch und wird wieder zusammengeklebt. Jedenfalls wird sie nie wieder ganz heil sein. Trotzdem ist sie in der Lage ganz viel aufzufangen. 

Wir sind wie so eine Schale. Auch wir haben Sprünge und Risse, unsere Beziehung zu Gott hat Sprünge und Risse, die Beziehung zu unseren Mitmenschen hat Sprünge und Risse. Trotzdem sind wir in der Lage, ganz viel aufzufangen. Liebe zum Beispiel! 

 

Und in Bezug auf die Liebe ist es sogar gut, dass wir einen Sprung in der Schüssel haben. Wenn durch die Risse und Sprünge nämlich mal etwas von der Liebe nach draußen sickert, haben andere auch etwas davon. Die Liebe ist ja gar nicht dafür gedacht, dass wir sie für uns selbst behalten.

Was mir ebenfalls zu dem „Nie-ganz-heil-sein“ einfällt, ist eine Liedzeile von Leonard CohenThere’s a crack in everything, this is how the light gets in. Übersetzung: In allen Dingen gibt es einen Riss - so kommt das Licht herein.

 

Gottes heilendes Licht kann also nur zu uns vordringen, weil wir nicht ganz und gar heil sind. Gottes heilendes Licht kann nur in uns eindringen, weil wir alle diesen Sprung in der Schüssel haben. Und ich denke, dass es sich, so betrachtet, mit einem Sprung in der Schüssel sehr gut lebt – solange, bis Gott uns am Ende doch wieder ganz heil macht.

 

Amen

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Verwendetes Material:

- Satzung der Weltgesundheitsorganisation, Stand 8. Mai 2014

- Katharina Elisabeth Goethe: Rezept für das neue Jahr

Leonard Cohen, „Anthem“

 


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