Unbeliebt



(Predigt vom 02.09.2018 zu  1. Thess. 2, 1-10)*



Ihr Lieben, 


ich habe mich schon des Öfteren unbeliebt gemacht - sowohl als Privatperson als auch in meinem Amt als Pastorin:

 

Zum Beispiel habe ich mich unbeliebt gemacht, als ich einem Mädchen im Teenageralter sagte, sie solle doch bitte nicht mit ihren schmutzigen Schuhen auf die Bank steigen, weil sich sonst diejenigen ihre Hosen schmutzig machen würden, die sich anschließend draufsetzten. Das Mädchen hatte mich daraufhin gar nicht mehr lieb. Die Mutter des Mädchens übrigens auch nicht. Sie meinte nur: „Ach, das wäscht der Regen schon ab.“ Ansonsten war sie etwas angefasst, weil ich ihre Tochter zurchtgewiesen hatte.

 

Und dann habe ich mich unbeliebt gemacht, als ich einem Vater sagte, er solle seine kleine Tochter vom Möwenfüttern abhalten, weil das nicht nur teuer werden könnte (das Füttern von Möwen ist auf Helgoland verboten und wird mit einer saftigen Geldstrafe geahndet!) sondern die Möwen auch dazu animiert, die Menschen zu attackieren und ihnen Fischbrötchen und Eis aus der Hand zu reißen. Der Papa hatte mich daraufhin gar nicht mehr lieb, weil er doch so gerne seine kleine Tochter fotografieren wollte, wie diese eine Möwe fütterte, die fast so groß war wie sie selber.

 

Ich habe mich ebenfalls sehr unbeliebt gemacht, als ich  mit der Feuerwehr das Südhafengelände absperrte und Leute davon abhielt, dieses Gelände zu betreten. Es sollte eine Bombe entschärft werden und da ist es nicht gut, wenn sich im näheren Umkreis Menschen aufhalten. Es könnte ja was schiefgehen. Die Leute, die trotzdem durch die Absperrung wollten, weil sie dort unbedingt noch etwas zu erledigen müssen glaubten, hatten mich gar nicht mehr lieb, als ich mich weigerte, sie durchzulassen.

 

Außerdem mache ich mich jedes Mal wieder unbeliebt, wenn ich eine Taufe ablehne, weil weder Eltern noch Pat*innen in der Kirche sind.

Ich kann dieses Kind natürlich taufen, um der Familie zu gefallen. Um die geht es aber gar nicht. Es geht um das, was Gott gefällt, nicht den Menschen. So sagt es Paulus jedenfalls: Es geht uns also nicht darum, den Menschen zu gefallen, sondern Gott.

 

Und nein: Ich meine damit NICHT, dass es Gott nur dann gefällt, wenn alle Menschen in der Kirche sind und Kirchensteuer bezahlen. Zu Paulus‘ Zeiten gab es ja noch keine Kirchenmitgliedschaft samt Kirchensteuer. Allerdings haben die frühen Christinnen und Christen sich schon gegenseitig unterstützt: Mit Naturalien, finanziell oder einfach nur, indem sie füreinander da waren. Das ist etwas, das Gott auf alle Fälle gefällt!

 

Worum es bei der Taufe eines kleinen Kindes aber im Wesentlichen geht, ist, dass Eltern und Pat*innen nach Möglichkeit dem Kind Gottes Liebe und den christlichen Glauben nahebringen. Da bin ich fest von überzeugt, dass es Gott gefällt! Wenn aber weder Eltern noch Pat*innen in der Kirche sind, dann heißt das für mich, dass die Wahrscheinlichkeit einer christlichen Erziehung eher gering ist.

 

Ja, ich weiß, dass Familien sich Gottes Segen für ihr neugeborenes Kind und seinen Lebensweg wünschen. Dem steht ja auch nichts im Wege.

Wir könnten es ja handhaben wie die Baptisten: Nach der Geburt wird das Kind gesegnet, aber noch nicht getauft. Getauft werden die Menschen erst, wenn sie alt genug sind, sich selbst zu entscheiden, ob sie zu Gott gehören wollen oder nicht.

 

Ihr seht: Ich mache mich also immer dann unbeliebt, wenn ich eine unpopuläre Meinung vertrete. Besonders unbeliebt mache ich mich, wenn die Leute etwas wollen und ich nein sage. „Nein“ ist ein ganz böses Wort und lässt mich auf der Beliebtheitsskala ganz weit nach unten abstürzen.

 

Pastorinnen und Pastoren machen sich also oft unbeliebt, weil sie Gott gefallen wollen und nicht den Menschen (so wie Paulus). Wusstet ihr, dass daraus übrigens der Beamtenstatus vieler Pastor*innen resultiert? Sie sollen die Freiheit haben, das zu sagen, was gut und richtig ist, auch wenn es der Gemeinde u.U. nicht gefällt. In anderen Ländern, in denen Pastor*innen ihre Bezahlung aus den Kollektengeldern erhalten, können sie in eine ungesunde Anhängigkeit geraten. Die Predigthörer*innen könnten sagen:  Mir gefällt nicht, was ich da in der Predigt gehört habe, also gebe ich heute nichts in die Kollekte. Die Folge: Der Pastor die Pastorin wird so u.U. gezwungen, nur das zu predigen, was die Gemeinde hören will.

 

Zum Glück gibt es immer wieder Menschen, die sich vom äußeren Druck nicht beeinflussen lassen und zu dem stehen, was sie für wahr und richtig halten:

 

Martin Luther zum Beispiel. Der hat sich auch unbeliebt gemacht. Sehr sogar! Er hat sich mit seinen 95 Thesen bei der Kirche unbeliebt gemacht und hat sich noch unbeliebter gemacht als er sich vor dem Reichstag in Worms weigerte, die Thesen zu widerrufen. Luther war es wichtiger, Gott zu gefallen als den Menschen.

 

Nun sind es aber nicht nur die „Profischafe“ (also diejenigen, die das Leben ihres christlichen Glaubens zum Beruf gemacht haben), die sich immer wieder unbeliebt machen, so wie die Apostel zur Zeit des Paulus oder Pastorinnen und Pastoren heute (das schließt natürlich auch Bischöf*innen mit ein und den Papst, wenn wir schon dabei sind).

 

Auch Christinnen und Christen im Allgemeinen machen sich oft unbeliebt, weil sie Gott gefallen wollen und nicht den Menschen. Jedenfalls hoffe ich sehr, dass sie das tun!

 

Was passiert, wenn keiner den Mund aufmacht, können wir uns immer wieder durch die ganze Geschichte der Menschheit hinweg ansehen. Jede Diktatur hat ihren Ursprung darin, dass es zu viele Menschen gibt, die Angst haben, sich unbeliebt zu machen. Ja ich weiß: Es geht weit über unbeliebt sein hinaus, wenn das eigene Leben in Gefahr ist. Trotzdem ist es notwendig, dass wir uns unbeliebt machen, wenn wir aus dieser Welt einen guten Ort machen wollen.

 

Auf der anderen Seite gibt es dann auch Beispiele von wunderbaren Veränderungen, WEIL Menschen sich unbeliebt gemacht haben.

Die Demokratie ist entstanden, weil Menschen sich unbeliebt gemacht und gegen totalitäre Systeme angegangen sind. Menschenwürde, Gleichberechtigung, das Wohl des Kindes, die Ehe für alle rechne ich ebenfalls dazu.

 

Paulus hat sich unbeliebt gemacht (besonders in Philippi), weil er die gute Nachricht Gottes verkündet hat. Diese gute Nachricht lautet: 

Gott liebt diese Welt ohne jeden Vorbehalt! Ich für meinen Teil kann gar nicht verstehen, wie man sich mit einer solchen Botschaft unbeliebt machen kann, aber Paulus hat es offenbar geschafft, damit anzuecken.

Jedenfalls ist das die Botschaft, zu der wir heute stehen müssen und die sich in Worten und / oder Taten ausdrücken kann. Wenn Gott die Welt vorbehaltlos liebt, dann kann ich diese Wahrheit am besten dadurch kundtun, dass ich selbst ohne Vorbehalt meine Liebe zum Ausdruck bringe - allen Menschen gegenüber und ohne die einen vorzuziehen und andere zurückzustellen. Ich kann diese gute Nachricht am besten dadurch leben, dass ich sie alle vorbehaltlos liebe: Männer und Frauen, Kinder und Erwachsene, Homos und Heteros, Fremde und Freunde, Gleichgesinnte und Andersdenkende, Weiße und Schwarze, Dicke und Dünne, Introvertiere und Extrovertierte, Schüchterne und Vorlaute, Lebensfrohe und Verzweifelte, Starke und Hilflose, Faule und Fleißige, ...

 

Wenn wir Christinnen und Christen das so leben, dann werden wir unweigerlich irgendwo anecken. Und das nicht nur einmal sondern immer wieder. So wie Paulus angeeckt ist - immer wieder. Paulus hat sich allerdings nicht von seiner Mission abbringen lassen, die christliche Botschaft unter die Leute zu bringen. Er rechtfertigt sich zwar dafür, dass er Dinge sagt und lebt, die für manche unbequem sind, aber er rückt nicht davon ab, weil er weiß, dass sie gut und richtig und wahr sind.

 

Das darf uns Mut machen, ebenfalls Rückgrat zu haben, wenn es darum geht, für christliche Werte einzutreten wie Liebe, Freiheit und Frieden. Das darf uns Mut machen, Gott zu gefallen, auch wenn wir uns damit möglicherweise bei den Menschen unbeliebt zu machen.


——

* Anmerkung: Ich bin einem Zahlendreher in der Predigthilfe zum Opfer gefallen (1. Thessalonicher 2, 1-10 statt des vorgesehenen Textes 1. Thes. 1, 2-10). Ich habe mich aber ganz bewusst für diesen „falschen“ Text entschieden, weil ich dessen Botschaft einfach wichtiger finde. Außerdem lasse ich mich lieber vom Heiligen Geist leiten als von der Perikopenordnung. Ich habe mich für diesen Text entschieden, weil er gut und richtig und dran ist!

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