Wir kommen wieder




Predigt am 17.11.2019  zu Hiob 14, 1-17

Ihr Lieben,

Geranien kommen wieder!
Das habe ich gelernt, als ich im Sommer einen Geburtstagsbesuch machte und wir uns draußen auf dem Balkon über Blumen unterhielten. Geranien kann man zurückschneiden und auf dem Dachboden überwintern lassen. Pflanzt man sie im Frühjahr wieder draußen ein, treiben sie neu aus.
Ich hatte bis dahin meinen Geranien nie eine Chance gegeben. Bei mir fliegen sie spätestens im November auf den Komposthaufen. Die Blumenkübel werden dann mit Tannen- oder Kiefernzweigen bestückt, damit sie im Dezember schön adventlich aussehen.

Allerdings gibt es im Helgoländer Pastoratsgarten durchaus Blumen, die wiederkommen. Im November hat man davon noch keine Vorstellung, bei all den kahlen Zweigen und dem toten Laub auf dem Boden. Aber im Frühling machen Schneeglöckchen, Krokusse, Osterglocken und Tulpen den Pastoratsgarten richtig bunt. Das Leben kehrt zurück. Jedes Jahr.

Dass Pflanzen wiederkommen, hat auch Hiob schon festgestellt. Bei den Blumen ist ihm das noch nicht aufgefallen. Aber dafür stellt er fest, dass ein Baumstumpf durchaus wieder neu austreibt, nachdem der Baum gefällt wurde. Solch einen Baum gibt es übrigens auch im Pastoratsgarten. Oder besser: VOR dem Pastoratsgarten. Er war gefällt worden, weil seine Zweige zu weit in die Straße ragten und weil er uns im Pastorat zu viel Licht nahm. Irgendwie ist dann niemand dazu gekommen, den Stumpf auszugraben. Jemand meinte noch: Ist ja nicht weiter schlimm. Der Baumstumpf stört doch niemanden. Der Baum hat inzwischen wieder so einige Zweige und es wird nicht mehr lange dauern, bis er uns wieder das Licht nimmt oder Rettungsfahrzeuge im Einsatz behindert.

Hiob machen die wiederkommenden Pflanzen traurig. Denn sie machen die Vergänglichkeit des Menschen umso deutlicher. Für Hiob ist klar: Die Menschen sterben und sie kommen nicht wieder. Sie sind tot und bleiben tot. Sie sind dann einfach weg. Das lässt Hiob so sehr verzweifeln, dass er von Gott einfach nur noch in Ruhe gelassen werden will. Hiob sieht in Gott nicht den liebenden Vater, der es gut meint mit seinen Kindern, sondern eine Macht, die am Ende alles menschliche Leben auslöscht.

In Teilen hat Hiob damit Recht. Wir Menschen kommen nicht wieder wie die Frühlingsblumen im Helgoländer Pastoratsgarten oder wie ein gefällter Baum, der neu austreibt. Jedenfalls hier nicht. Aber wir bleiben auch nicht tot, denn Gott ist sehr wohl der liebende Vater oder die fürsorgliche Mutter, der oder die es gut meint mit uns. Gott hat uns schließlich versprochen, dass wir sehr wohl wiederkommen. Nur nicht hier. Dafür aber in dem Garten, den wir Himmel nennen. Wir dürfen wiederkommen und bis in alle Ewigkeit in diesem Garten blühen. 

Ich finde, das macht es ein bisschen leichter, das Sterben, den Abschied und den Tod zu ertragen. Das macht auch das Ertragen von Kriegen ein kleines bisschen leichter. Und versteht mich jetzt nicht falsch: Ich will damit keinesfalls den Krieg rechtfertigen. Krieg ist immer falsch, schafft immer unendlich viel Leid und muss unbedingt und in jedem Fall verhindert werden. Leider klappt nicht immer.

Die Auferstehungshoffnung macht das Sterben in den Kriegen der Welt nicht besser! Darf es nicht besser machen! Aber die Auferstehungshoffnung lässt uns die Verluste vielleicht ein kleines bisschen besser aushalten. Sie hilft uns dabei, dass wir, die Lebenden, unseren Weg weitergehen können. Sie hilft uns, dass wir nicht innerlich soweit absterben, dass auch wir nicht mehr leben wollen. Ich glaube, wenn ich den Glauben daran nicht hätte, dass wir Menschen wiederkommen, dann würde ich hinschmeißen. Dann würde ich mein Leben hinschmeißen, bei allem, was auf unserem Planeten so los ist.  Ich kann es aber aushalten und weitermachen, weil ich glaube, dass der Mensch zwar wie eine Blume blüht und verwelkt, aber dann wieder neu aufblüht. Dieses Vertrauen hätte ich Hiob gewünscht.

Allerdings hat Hiob auch nicht hingeschmissen. Er hat so viel Leid erfahren und trotzdem hat er am Ende an Gott festgehalten. Er hat sich nicht unterkriegen lassen, weder durch die Schicksalsschläge noch durch seine Glaubenszweifel. Ja, Hiob möchte, dass Gott vom Menschen wegblickt und ihm so ein bisschen Lebensfreude gönnt. Das hängt damit zusammen, dass Hiob davon überzeugt ist, dass Gott der Verursacher des Leids ist. In der Hiob Geschichte ist er das auch. Aber diese Geschichte ist konstruiert, um deutlich zu machen, dass auch guten Menschen Schlimmes passieren kann. Die Menschen damals waren davon überzeugt, dass denen, die Gutes tun und fest im Glauben an Gott stehen, auch nur Gutes passiert. Wer vom Schicksal ordentlich gebeutelt wird, muss demnach etwas schlimmes getan haben. Die Hiob Geschichte wurde geschrieben, um genau diesen Zusammenhang zu widerlegen.

Ich selber glaube nicht daran, dass Gott für all das Leid verantwortlich ist, das es auf dieser Erde gibt. Gott hat das nicht gemacht. Oft sind wir Menschen es, die Leid verursachen, wie wir an den vielen Kriegen in der Menschheitsgeschichte sehen können. Nicht Gott hat die Kriege und den Terror angezettelt, sondern wir Menschen. Es gibt natürlich auch Leid, das nicht von Menschen verursacht wurde. Aber auch das ist nicht gottgemacht. Es gibt Dinge, die einfach passieren, wie ein Tsunami, der in manchen Landstrichen alles Leben ausradiert.

Auch wenn das Leid nicht gottgemacht ist, kann ich nachvollziehen, dass man irgendwann an einen Punkt kommt, an dem man daran zweifelt, dass Gott es gut mit uns meint. Ich weiß das aus eigener Erfahrung. Wenn Gott das Leid schon nicht verursacht, dann könnte er (oder sie) doch wenigstens dafür sorgen, dass es aufhört.

Da kann Hiob ein gutes Vorbild für uns sein: Hiob, der nicht hingeschmissen hat. Hiob, der an Gott festgehalten hat. Obwohl Gott (zumindest anfangs) nicht dafür gesorgt hat, dass das Leid aufhört.

Wenn wir dann Hiobs Durchhaltevermögen vor Augen haben, hält uns das hoffentlich auch davon ab, unser Leben hinzuschmeißen. Hiobs Beispiel bringt uns hoffentlich dazu, weiter zu machen und unser Lebenspflänzchen zu pflegen, auch wenn es ziemlich geknickt ist und am Ende ja auch wirklich vergehen wird.

Ich wünsche uns also, dass wir zwar mit Trauer im Herzen der Kriegsgefallenen gedenken, uns aber gleichzeitig bewusst machen, dass sie bei Gott gut aufgehoben sind. Sie sind nicht einfach weg, sondern ihnen ist ein neues Leben vergönnt. Und ich wünsche uns, dass uns das ein bisschen die Angst vor dem Tod nimmt und dass der Tod uns nicht verzweifeln lässt, weil auch wir darauf vertrauen können, dass ein neuer Frühling in Gottes Garten wartet – mit ganz vielen bunten Blumen.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Team Welt

Whistleblower

Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen