Ja-Sager



Predigt am 22.12.2019  zu 2. Korinther 1, 18-22


Ihr Lieben,
meine Freundin hat mich mal gefragt: „Wieso sagst du immer erstmal nein, wenn man dich um einen Gefallen bittet?“ 
Wir beide waren da gerade im Vikariat auf Föhr und steckten mitten in der sogenannten „Schulphase“, in der wir lernen sollten, Religion zu unterrichten. Ich war von einem Lehrer gefragt worden, ob ich ihn in seiner Klasse vertreten könnte. Ich hatte erstmal nein gesagt, weil ich nicht wusste, ob ich das schaffen würde. Zum einen war mein eigener Stundeplan schon sehr voll und dann kam ja auch noch die Vorbereitung für den Unterricht dazu. Also erstmal nein sagen. Wenn ich merkte, dass ich es doch schaffte, könnte ich ja immer noch zusagen.

Das ist bis heute meine Devise geblieben. Ich sage lieber erstmal nein, wenn ich mir nicht sicher bin, als zuzusagen und am Ende jemanden enttäuschen zu müssen, weil es doch nicht klappt. Es ist schon doof, wenn sich da jemand auf mich verlässt und ich am Ende sagen muss: Tut mir leid, ich krieg’s nich hin. Manchmal kann ich mich immerhin schon auf ein „Vielleicht“ ei lassen.

Das hatten wir ja erst letzten Sonntag. Ich war zur Adventfeier in der katholischen Kirche eingeladen gewesen und gefragt worden, ob ich auch eine Weihnachtsgeschichte vorlesen könnte. Interessanterweise hatte ich erstmal nur so halb zugesagt. Ich hatte geantwortet, dass ich versuchen wollte da zu sein, mit einer Geschichte im Gepäck. Ein paar Tage später, war ich dann nicht mehr so zurückhaltend und am Sonntagmorgen habe ich noch zu einigen Leuten gesagt: „Wir sehen uns dann nachher drüben in St. Michael“. Und natürlich kam etwas dazwischen: Zwei Feuerwehreinsätze nämlich.

Mir ist es so wichtig, den Menschen keine falschen Hoffnungen zu machen, weil ich aus eigener Erfahrung weiß, wie schmerzhaft es sein kann, wenn dann am Ende doch ein nein kommt.

In dem Erlebnis, von dem ich euch jetzt berichten möchte, war da zuerst ein  Ja: Ich war eines schönen Frühjahrs etwas planlos, was meinen anstehenden Urlaub im Sommer anging. Eine Bekannte erzählte mir dann, dass sie mit ein paar Freunden und Freundinnen zum Wandern nach Schottland fahren würde und ob ich nicht Lust hätte mitzukommen. Klar hatte ich Lust. Ihre Freunde waren offensichtlich einverstanden, denn sie sagten ja, zu dem Plan mich mitzunehmen.

Ich begab mich also auf Shoppingtour und besorgte Wanderschuhe, einen Trekkingrucksack, ein Zelt, eine Trinkflasche, Campinggeschirr und was man eben sonst noch so für einen Wander- und Campingurlaub in Schottland braucht. Drei Wochen, bevor es losgehen sollte, bekam ich dann einen Anruf und ein Nein zu hören. Begründung: Ich würde irgendwie nicht so richtig in die Gruppe passen. (Das waren alles Medizinstudierende und ich war die einzige Theologin.) Ergebnis: Nein, wir nehmen dich nicht mit.

Wir sehen, es haben wir unterschiedliche Typen von Menschen: Es gibt die Nein-Sager so wie mich und dann gibt es Ja-Sager, die es sich dann aber anders überlegen und am Ende doch zu Neinsagern werden.

Es gibt noch eine weitere Kategorie: Das sind die Ja-Sager, die ihr Ja an Bedingungen knüpfen. Das wären dann Ja-Aber-Sager. Manche Menschen machen ihr Ja davon abhängig, ob sie auch etwas zurückbekommen: Ja, ich helfe dir, aber dafür musst du mir auch einen Gefallen tun zum Beispiel.
Ich kann mir übrigens gut vorstellen, dass das in der Gruppe, die in Schottland wandern gehen wollte, unter Umständen auch eine Rolle gespielt hat. Vielleicht haben sie sich unbewusst gefragt, was sie davon haben, wenn sie mich mitnehmen. Hätten sie das Gefühl gehabt, dass ich etwas in die Gruppe einbringen kann, hätten sie vielleicht ja gesagt und mich mitgenommen. Offensichtlich waren sie aber der Meinung, dass sie von mir keine Gegenleistung bekämen (in welcher Form auch immer). Darum am Ende möglicherweise das Nein.

Das sind aber nicht nicht alle Kategorien. Was noch fehlt neben den Nein-Sagern, Ja-Nein-Sagern, und Ja-Aber-Sagern sind die Ja-Sager. Also die bedingungslosen Ja-Sager. Von denen gibt es, glaube ich, nicht viele.

Einen (oder eine) kenne ich allerdings. Das ist Gott. Darüber haben wir gerade aus dem Bibeltext etwas gehört.

Gott sagt ja ohne Vorbehalte. Gott sagt nicht: Nein, du passt nicht zu mir. Gott sagt nicht: Nein, ich nehme dich nicht mit. Gott sagt auch nicht: Ja, ich nehme dich mit, aber nur, wenn du auch in die Gruppe passt. Gott sagt nicht: Ich muss erstmal sehen, ob du alle Voraussetzungen erfüllst. Gott geht mit mir wandern, immer und überall. Egal ob in Schottland oder sonstwo. Gott ist weder ein Nein-Sager, noch ein Ja-Nein-Sager, und ein Ja-Aber-Sager ist sie (oder er) auch nicht. Und das ist total klasse! Ich bin so angenommen, wie ich bin. Und nicht nur ich. Ihr natürlich auch.

Das ist schon ziemlich revolutionär, wie ich finde. Schließlich leben wir in einer Welt, die geprägt ist von Bedingungen. Es ist ja nicht so, dass wir nicht auch ja sagen würden. Unsere Jas sind aber eben oft an Bedingungen geknüpft. Die Gruppe damals wäre garantiert mit mir in Schottland wandern gegangen, aber eben nur, wenn ich die Voraussetzungen erfüllt hätte. Wenn ich in die Gruppe gepasst hätte. Was ich dafür hätte tun müssen, weiß ich bis heute nicht. Ist mir auch ziemlich egal.

Leider hat sich seit damals nicht viel zum Positiven geändert. Wir stellen immer noch gerne Bedingungen, bevor wir ja sagen. Bevor wir jemanden annehmen. Zu Flüchtlingen würden wir alle ja sagen, aber nur, wenn sie ohne Handies bei uns auftauchen, weil ein Flüchtling nunmal kein Handy haben darf. Das passt nämlich nicht in unser Bild von einem Menschen auf der Flucht. Ein Mensch auf der Flucht muss alles zurückgelassen haben, auch das Handy. So!
Wir würden ebenfalls ja zu Flüchtlingen sagen, wenn sie uns keine Arbeitsplätze wegnehmen. Und wenn sie uns keinen Ärger machen. Und ganz wichtig: wenn sie uns kein Geld kosten! 
Die Flüchtlinge sind natürlich nur ein Beispiel. Es gibt noch viel mehr Situationen, in denen wir zu Ja-Aber-Sagern oder sogar zu Nein-Sagern werden. Nein-Sager und Ja-Aber-Sager gibt es aber nicht nur in der Gesellschaft. Leider gibt es sie auch in der Kirche.

Wir Christinnen und Christen sagen oft nur dann ja zu anderen Menschen, wenn sie bestimmte Bedingen erfüllen: Sie müssen getauft sein, sie müssen nach unseren Vorstellungen gekleidet sein, sie müssen zahlungskräftige Kirchenmitglieder sein, sie müssen öfter als nur an Weihnachten in den Gottesdienst gehen und vieles mehr. Leider sagen auch wir Christinnen und Christen zu oft: Ja, du bist uns willkommen, ABER ...!
Ja, Frauen dürfen Pastorinnen sein, aber nur wenn ihr Rock nicht zu kurz ist. (Die Kleiderfrage kann sich übrigens genauso gut auf Männer beziehen.) Ja, Männer dürfen sich ehrenamtlich in der Kirche engagieren, aber nur, wenn sie ein Führungszeugnis vorweisen können. (Auch hier sind umgekehrt auch die Frauen betroffen.)
Und dann kommt Gott daher und sagt erstmal ganz grundsätzlich ja! Bedingungslos. Gott braucht kein Führungszeugnis von uns. Gott braucht keine angemessene Kleindung. Gott nimmt uns sogar auch ganz ohne Kleidung.

Gott ist für mich da, egal ob ich gut oder schlecht in der Schule bin. Gott ist für mich da, egal ob ich beliebt bin oder viele mich nicht leiden können. Gott ist für mich da, egal ob ich ein Mann, eine Frau oder divers bin. Gott ist für mich da, egal, welche Farbe meine Haut hat. Gott ist für mich da, egal ob ich Flüchtlingen helfe oder nicht. Gott ist für mich da, egal ob ich jemanden mitnehme auf Wandertour oder nicht. Ja, ich bin auch dann noch Gottes Kind, wenn ich nein sage.

Gott ist an Weihnachten selber Mensch geworden, weil er uns durch Jesus klarmachen wollte, dass er zu uns allen „ja!“ sagt. Nicht, „nein!“. Nicht „ja - ach nee doch nicht“. Nicht „ja, aber“. Einfach nur ja. Wir haben von Gott in Jesus Christus ein bedingungsloses Ja.

Und das ist so klasse, dass ich das auch versuchen möchte. Einfach einmal öfter ja sagen. Bedingungslos.

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