Gute Vorsätze



Predigt am 05.01.2020 zu Jesaja 61, 1-3.10-11


Ihr Lieben,
habt ihr gute Vorsätze für das neue Jahr gefasst?

Wenn ja, dann seid ihr damit nicht alleine. Etwa 37% der Deutschen
nehmen sich Dinge vor, die sie im neuen Jahr verwirklichen wollen.
Zu diesen guten Vorsätzen gibt es eine Reihe von Statistiken, aus denen die folgenden Zahlen zusammengetragen wurden:
- 59 % wollen Stress vermeiden und ihn abbauen,
- 58 % wollen mehr Zeit mit der Familie und mit Freunden verbringen,
- 53 % wollen sich mehr bewegen und Sport treiben,
- 47 % wollen mehr Zeit für sich selber haben und sich gesünder ernähren.
Weit weniger Menschen als erwartet (unter 30 %) haben die Vorsätze, abzunehmen, weniger online zu sein oder mit dem Rauchen / dem Alkohol trinken aufzuhören. 

Diese Vorsätze haben eins gemeinsam: Wenn ich sie umsetze, dann tue ich mir selber etwas Gutes.

Jesaja hat auch eine schöne Liste zusammengestellt. Diese enthält Dinge, die sich ebenfalls als gute Vorsätze für das neue Jahr eignen würden:
den Verzweifelten neuen Mut machen, den Gefangenen die Freiheit verkünden, von der Gnade Gottes erzählen, warnen, dass Gott mit den Feinden seines Volkes abrechnen wird, die Weinenden trösten und Freude bringen. 

Dies alles sind Dinge, die sich nicht auf uns selbst beziehen. Hier geht es darum nicht mir selbst etwas Gutes zu tun, sondern anderen.
Dies sollten dann auch unsere wahren Vorsätze für das neue Jahr sein. Nicht nur „sollten“, sondern „müssen“. Das müssen unsere Vorsätze sein. Weil wir gesalbt sind!

Warum /wieso / weshalb wir gesalbt sind, erkläre ich euch gleich. Aber erstmal möchte ich euch einen kleinen Einblick geben, was es mit dem Salben in der Bibel auf sich hat.
Im Alten Testament lesen wir von Königen, Propheten und Priestern, die gesalbt werden. Es wurde aber in der damaligen Zeit auch im Alltag gesalbt. Die Salbung diente dabei nicht nur der Körperpflege, sondern war auch ein Zeichen der Wertschätzung und der Ehre. Deshalb wurden zum Beispiel auch Gäste gesalbt, die man empfing.

Beim Salben von Priestern, Propheten und Königen, ging es gewissermaßen um eine Beauftragung. Mit der Salbung wollte man der Person nämlich
Kraft, Stärke, Macht, Einfluss und Schutz übertragen. Das sind alles Dinge, die man gut gebrauchen kann, wenn man einen bestimmten Auftrag zu erfüllen hat und den Aufgaben gerecht werden will, die solch ein Amt mit sich bringt.

Was uns Christinnen und Christen betrifft, so sehe ich die Beauftragung, in unserer Taufe. Ja, die Taufe ist zu allererst die Annahme durch Gott. Damit haben wir aber, wie ich finde auch eine Verantwortung. Wir haben unter Anderem die Verantwortung, das umzusetzen, was Jesaja da alles auflistet.

Damit können wir uns aber auch ganz schnell überfordert fühlen, denn das ist eine Menge, was da zu tun ist. Und dann noch nicht einmal für uns selbst, sondern für andere.

Natürlich können wir nur dann für andere da sein, wenn wir auch uns selber Gutes tun. Das heißt, die guten Vorsätze, die unsere körperliche, geistige und seelische Gesundheit betreffen dürfen auf keinen Fall fehlen. Die sind genauso wichtig.
Ganz ehrlich: Damit fühle ich mich nur noch mehr überfordert. Das sind viel zu viele Dinge, die ich berücksichtigen und am Ende umsetzen muss.

Ich habe mich in der letzten Zeit, so um den Jahreswechsel herum, schon mehrfach gefragt: Wie soll ich das denn bloß auf die Reihe kriegen.

Und dann ist mir ein Büchlein eingefallen, das ich zu Weihnachten geschenkt bekommen habe.
Es ist die Erzählung „Advent im Hochgebirge“ von Gunnar Gunnarsson.
Darin geht es um einen Knecht, der am ersten Advent loszieht, um in den Bergen Islands verlorengegangene Schafe zu suchen. Beim Schafabtrieb im Herbst passiert es den Bauern schonmal, dass sie nicht alle Schafe zusammen haben. Damit die im Winter nicht in den Bergen erfrieren müssen, macht sich der Knecht Benedikt auf, um sie zu suchen und zurück zu bringen. Auch wenn es gar nicht seine eigenen Schafe sind. 

Leider läuft seine Suche nicht so reibungslos, denn ein Bauer ist spät dran und hat seine Herde noch nicht zurück auf dem Hof. Er weiß genau, dass Benedikt zu dieser Zeit unterwegs ist und verlässt sich darauf, dass dieser ihm helfen wird, seine Schafe zu finden. Das bringt Benedikt am Ende in Schwierigkeiten, denn sein Proviant wird knapp und auch die Kräfte schwinden. Ein weiteres Mal muss er helfen, als ein junger Mann auf der Suche nach seinen Fohlen ist. Das wirft ihn noch weiter in seinem Zeitplan zurück.
Aber Benedikt schimpft nicht und er lehnt es auch nicht ab, zu helfen. Für ihn ist es selbstverständlich, die zusätzliche Schafherde zu suchen und auch die Fohlen. Soll er die etwa erfrieren lassen? Nein, natürlich nicht.

Als ich mit dem Büchlein am zweiten Weihnachtstag fertig war, stand mein Vorsatz für das neue Jahr fest: Ich möchte ein bisschen so sein wie Benedikt. Mir ist klar geworden, dass ich für das neue Jahr nur diesen einen Vorsatz brauche, denn dann ergibt sich alles andere von ganz alleine. Ich möchte versuchen, so ruhig und gelassen zu werden wie Benedikt, dass es für mich selbstverständlich ist, loszuziehen und die verirrten Schafe zu finden. Oder die Weinenden zu trösten und Freude zu bringen. Wenn nämlich die Grundhaltung stimmt, dann sind die Aufgaben auch nicht mehr zu viel. Wer diese Gelassenheit aufbringt, die Benedikt hat, der denkt nicht: Wie soll ich das bloß alles bewältigen. Benedikt hat sich diese Frage nicht gestellt, sondern sich einfach Stück für Stück an seine Aufgaben gemacht. Mit ganz viel innerer Ruhe. Das möchte ich auch. Ich wünsche mir auch diese innere Ruhe, damit ich Stück für Stück durch das neue Jahr gehen kann und einige Menschen trösten, anderen Freude bringen, wieder anderen von Freiheit oder Gerechtigkeit erzählen.

Diese innere Ruhe wird mich aber nicht nur meine Aufgaben bewältigen lassen. Sie wird auch dafür sorgen, dass ich mir nicht mehr zumute als ich leisten kann. Bei Benedikt funktioniert das sehr gut. Er verfällt nicht in blinden Aktionismus, sondern er sorgt zur richtigen Zeit auch für sich selber. Er macht zum Beispiel zwischendurch eine Pause auf einem Hof und gönnt sich Ruhe, weil er weiß, dass er seine Aufgabe nicht bewältigen kann, wenn er über seine Kräfte geht.

Ich glaube bei Benedikt funktioniert das so gut, weil auch er gewissermaßen „gesalbt“ ist, so wie es die Propheten, Priester und Könige im Alten Testament waren. Benedikt weiß, dass er beauftragt ist, sich um die zu kümmern, die seine Hilfe brauchen und hat damit schon die innere Ruhe, die ihn die Aufgaben bewältigen lässt, die sich ihm stellen. Wie gesagt: Diese Grundhaltung möchte ich auch. Und ich glaube, dass mir das Bewusstsein des Gesalbtseins dabei helfen kann, sie in mir wachsen zu lassen. Ich muss mich nur immer wieder daran erinnern, dass ich getauft bin und damit auch gesalbt. Bei einer Taufe ist es übrigens auch üblich, den Täufling vor dem eigentlichen Taufakt zu salben. Der Täufling bekommt mit Salböl ein Kreuzzeichen auf die Stirn mit den Worten: „Nimm hin das Zeichen des Kreuzes, denn du gehörst zu Christus.
Damit sind wir mit der Taufe also von Gott angenommen, beauftragt und gleichzeitig vielen guten Wünschen ausgestattet: Dass wir mit Kraft, Stärke, Macht, und Einfluss ausgestattet sind und dass wir beschützt sein mögen.

Das ist auch der Proviant, den wir auf unsere Wanderung durch das neue Jahr mitnehmen werden und der uns hoffentlich ganz viel innere Ruhe beschert, damit wir die an uns gestellten Aufgaben auch bewältigen können.

Ich wünsche mir also, dass wir Kraft, Stärke, Macht, und Einfluss haben, wenn wir trösten, Mut machen, Freiheit und Gerechtigkeit verkünden und Freude bringen sollen. Ich wünsche mir, dass wir bei all dem beschützt sind. Und ich wünsche mir, dass die Statistik bei diesen Vorsätzen dann bei 100 % liegt.


Quellen: 
·      Werkstatt für Liturgie und Predigt, Ausgabe 11-2019, S. 461

·      Gunnar Gunnarsson: Advent im Hochgebirge

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