Lied der Hoffnung

 


Predigt am 28.02.2021 zu Jesaja 5, 1-7

 


Ihr Lieben,

Helgoland hat eine Hymne. Sie trägt den Titel „Die Kinder von Helgoland“ und ist Rahmen eines Schulprojektes hier auf der Insel entstanden.

 

Das ist der Text in Auszügen:

 

Hier auf hoher See, da sind wir zu Hause

Wo der Leuchtturm steht und der Westwind weht

Nah am Klippenrand, da sind wir zu Hause

Mehr als Fels und Strand für die Kinder von Helgoland.

 

Im Oberland, ganz nah an der Kant‘, kannst Du spüren mit Herz und Verstand

Diese Schule mit Weitblick und Seele ist die Zukunft von Helgoland.

Ein kurzer Weg für uns in den Tag, gute Freunde, die ich alle mag

Ja, wir halten alle zusammen in der Schule von Helgoland.


Hier auf hoher See, da sind wir zu Hause

Wo der Leuchtturm steht und der Westwind weht

Nah am Klippenrand, da sind wir zu Hause

Mehr als Fels und Strand für die Kinder von Helgoland.


In jeder Sprache gibt es ein Wort - Deät Lun ist unser Heimatort.

Menschen aus so vielen Ländern sind die Seele von Helgoland.


Hier auf hoher See, da sind wir zu Hause

Wo der Leuchtturm steht und der Westwind weht

Nah am Klippenrand, da sind wir zu Hause

Mehr als Fels und Strand für die Kinder von Helgoland.

 

Die Kinder von Helgoland haben den Krieg nicht miterlebt. Sie sind nicht vertrieben worden. Sie haben auch Helgoland nach dem Krieg nicht wieder aufbauen müssen. Und ich hoffe sehr, dass ihnen so etwas in ihrem Leben erspart bleibt. Aber sie sie sind unsere Zukunft und sie sind unsere Hoffnung. Unsere Kinder bedeuten Zukunft und Hoffnung, so wie die Wiederfreigabe Helgolands damals Zukunft und Hoffnung bedeuteten.

 

Das Lied „Die Kinder von Helgoland“ habe ich gerade deshalb ausgewählt, weil es das Lied, das der Prophet Jesaja singt, weiterführt: Das Lied der Kinder von Helgoland singt von Herz, Verstand, Weitblick, Zusammenhalt und Vielfalt. Es singt sozusagen von vielen guten Trauben, die Helgoland hervorbringt, wenn Helgoland denn ein Weinberg wäre.

 

Das Lied von Jesaja klingt dagegen ja ganz anders. Es ist ein sehr trauriges, ein hoffnungsloses, ein trostloses Lied. Es handelt, wie wir schon gehört haben, von einem Weinberg, der nur schlechte Weintrauben hervorbringt. Deshalb will der Besitzer seinen Weinberg vernichten, indem er sich einfach nicht mehr um ihn kümmert. Er will ihn verwildern lassen. Er wird zulassen, dass die Pflanzen zertrampelt werden.

 

Gottes Weinberg war damals, als der Text entstand, das Volk Israel. Gottes Weinberg ist heute die Menschheit. Helgoland ist ein Teil dieses Weinbergs.

 

Jetzt könnten wir auch heute unsere Welt so erklären, wie das damals zu Jesajas Zeiten passierte: Die Menschen haben darin versagt, so zu sein, wie Gott es für sie vorgesehen hat: Friedfertig und voller Liebe und Annahme. Stattdessen waren sie machtgierig, egoistisch und nur auf sich und ihren Vorteil bedacht. Manchmal sogar voller Hass.

 

Das sind sie auch noch heute. Und so etwas führt am Ende unweigerlich zu Auseinandersetzungen und zu Krieg. Wenn wir uns die Welt so erklären, wie die Menschen damals zu Jesajas Zeiten, dann könnten wir sagen: Auch nach dem zweiten Weltkrieg blieb nur eine zerstörte Welt übrig. Blieb nur ein zerstörtes Helgoland übrig. War das ein vernichteter Weinberg, der ohnehin keine guten Trauben hervorgebracht hat? War das Gottes Strafe für das Versagen der Menschen?

 

Vernichteter Weinberg? Vielleicht. Aber ganz bestimmt nicht von Gott vernichtet. Ich bin davon überzeugt, dass sich die Menschen das schon selbst zuzuschreiben haben. 

 

Aber zum Glück wurde das zerstörte Fleckchen Erde nicht so gelassen, wie es war. Dieses Fleckchen Erde, dieser kleine Teil von Gottes Weinberg wurde wieder aufgebaut und aus der verbrannten Erde wuchs neues Leben. Diejenigen, die wieder aufgebaut haben, waren übrigens auch mal Kinder. Waren Kinder von Helgoland. Waren eine neue Generation. Brachten Hoffnung und schufen eine Zukunft.

 

Es kommt auch heute immer wieder vor, dass wir Menschen das zerstören, was die Welt schön macht. Dass wir Leben zerstören. Machthaber mit weltweitem Einfluss und ganze Völker tun das, aber auch wir tun das in unserer eigenen kleinen Welt.

 

Das Lied, das Jesaja singt, erinnert uns daran, dass wir alles daran setzen müssen, um Zerstörung im Hier und Jetzt zu verhindern. Und das Lied, das die Kinder von Helgoland singen, erinnert uns daran, dass es auch für die Zukunft Hoffnung gibt.

 

Diese Kinder, und nicht nur die auf Helgoland, werden es hoffentlich einmal besser machen als wir. Sie werden hoffentlich wieder aufbauen können, was unsere Generation kaputt gemacht hat. So wie wir aufbauen, was die Generation unserer Eltern kaputtgemacht hat. So wie unsere Eltern wieder aufgebaut haben, was unsere Großeltern kaputtgemacht haben. 

 

Unsere Kinder werden hoffentlich das wieder zum Leben erwecken können, was durch unsere Schuld abgestorben ist.

 

Sie werden hoffentlich diejenigen sein, die dafür sorgen, dass der Weinberg gute Trauben hervorbringt. Im Grunde tun sie es ja schon, indem sie uns zum Beispiel dazu ermahnen, achtsamer mit der Umwelt umzugehen. 

Sie tun es, indem sie uns ermahnen, offener und annehmender miteinander umzugehen. Sie tun es, indem sie sich unglaublich stark politisch und sozial engagieren - wo sie können, und wo man sie lässt.

 

Und wir? Wir haben Hausaufgaben zu erledigen: Wir müssen auf die Stimmen unserer Kinder hören. Damit nicht Jesaja mit seiner Androhung von Vernichtung das letzte Wort hat. Die Hoffnung muss das letzte Wort haben: 

Die Hoffnung auf eine Zukunft voller Leben, 

und die Hoffnung auf eine Zukunft mit Gott, 

der am Ende weder seinen Weinberg noch seine Kinder einfach aufgegeben hat.

Gott ist da und Gott bleibt da. Egal, was wir anstellen.


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