Mitten ins Herz

 


Predigt am 07.02.2021 zu Lukas 8, 4-8

 



Ihr Lieben,

 

letzte Woche habe ich in einer Diskussionsrunde zum ersten Mal vom Schrotflintenprinzip gehört.

Das Schrotflintenprinzip wurde als Methode genannt, wie die Kirche möglichst viele Menschen erreichen kann. Was Sinn macht, denn wenn man mit einer Schrotflinte schießt, dann fliegt nicht nur eine Kugel, sondern es fliegen gleich ganz viele Kugeln. 

 

Wenn Christinnen und Christen sich also fragen, wie sie das Evangelium unter die Leute kriegen, lautet die Antwort: Mit dem Schrotflintenprinzip.

Das Wort Evangelium kommt übrigens aus dem Griechischen und heißt „gute Nachricht“. Gemeint ist die gute Nachricht, dass Gott uns Menschen vorbehaltlos liebt.

 

Die Hoffnung ist nun also, mit einer Ladung Schrot, beziehungsweise mit einer Ladung „Evangelium“ ganz viele Menschen zu erwischen. Natürlich gibt es auch sehr viele Schrotkugeln bzw. Evangeliumskugeln, die nicht treffen und einfach vorbeifliegen. Das wurde uns jedenfalls von einem Teilnehmer der Diskussionsrunde gesagt: „Die Kirche glaubt immer, dass sie ganz viele Menschen erreicht, aber das stimmt gar nicht.“

 

Das Schrotflintenprinzip ist eine etwas abgewandelte Form dessen, was uns in dem Gleichnis berichtet wird, das Jesus über das Ausbringen von Saat erzählt. 

Die Saat landet ganz oft nicht auf fruchtbarem Boden, sondern da, wo sie nicht aufgehen kann: auf steinigem Boden oder unter Disteln zum Beispiel. 

Die Saat in diesem Gleichnis steht für das Wort Gottes, beziehungsweise für die eben erwähnte Gute Nachricht von Gottes Liebe.

Das heißt: Das Evangelium landet ganz oft nicht da, wo es aufgehen und viel Gutes bewirken kann. Also entweder landet es bei Menschen, die dafür nicht empfänglich sind, oder, wenn es ganz schlecht läuft, landet sie da, wo gerade keine Menschen sind. Wie beim Schrotflintenprinzip.

 

Ich habe oft erlebt, dass das Gleichnis vom Ausbringen der Saat immer wieder als Trostpflaster hervorgeholt wurde, wenn die Kirche oder sogar ich selbst es nicht schaffte, die Menschen mit Gottes Botschaft zu erreichen. Das hilft natürlich dabei, dass ich als Christin mich nicht überfordere, sondern einfach das tue, was ich kann und den Rest dem Heiligen Geist überlasse. Der wird schon dafür sorgen, dass meine Saat an der einen oder andere Stelle aufgeht. Oder dass die eine oder andere Schrotkugel ins Herz trifft.

 

Aber wenn ich ehrlich bin, ist mir das zu einfach. Ich kann und will mich damit nicht zufriedengeben, denn ich kann mehr tun, als blindlings drauflos zu schießen:

 

Ich kann gezielter schießen. Ich kann die Saat gezielter ausbringen. Ich kann mir vorher den Boden ansehen, auf dem ich aussäen will. Ich kann mich vorher an einen Ort begeben, an dem ganz viele Menschen sind, bevor ich losschieße. Dann ist die Wahrscheinlichkeit auch größer, dass von der Ladung etwas trifft.

 

Ich kann mich in eine Kirche stellen und mit meiner Evangeliumsschrotflinte losballern. Aber wenn sich da niemand aufhält, habe ich auch keine Chance irgendjemanden zu treffen. Da kann dann am Ende auch der Heilige Geist nichts mehr ausrichten. Wenn ich niemanden erreiche, kann auch der Heilige Geist nicht dafür sorgen, dass die Menschen sich Gottes Wort zu Herzen nehmen.

Ich muss dem Heiligen Geist schon eine Chance geben. Also muss ich dahin, wo die Menschen sind.

 

Dazu muss ich mir vorher Gedanken darüber machen, wo die Menschen zu finden sind, die ich erreichen möchte:

 

Die sind nämlich nicht nur sonntagsmorgens in der Kirche oder beim Gemeindefest, bei der Geburtstagsfeier eines 80jährigen, im Kindergarten, oder in der Jugendgruppe. Sie sind auch bei Facebook, Twitter, Instagram, Snapchat, Youtube und, jetzt ganz neu: Clubhouse

 

Wir haben die Frage diskutiert, ob das neue soziale Netzwerk „Clubhouse“ die Kirche braucht beziehungsweise, ob die Kirche Clubhouse braucht. Meine Antwort darauf: Ja und ja.

 

Wenn ich mit dem Evangelium, mit Gottes Liebe, so viele Menschen wie möglich erreichen will, dann macht es Sinn, dass ich mich auch ins Clubhouse begebe. Dann macht es aber mindestens genauso viel Sinn, dass die Kirche es hinbekommt, Gottesdienste in Gebärdensprache anzubieten (egal ob analog oder digital), um auch gehörlose Menschen mit dem Evangeliumsschrot zu erwischen. Was sie übrigens schon macht: Bei den „liveline“ Gottesdiensten aus Lübeck gibt es Gebärdensprache. Und das ist total klasse, denn das sind Kugeln, die treffen - mitten ins Herz.

 

Manchmal ist es natürlich auch so, dass wir irgendwo fruchtbaren Boden vermuten, der sich dann aber als total ungeeignet herausstellt. Manchmal ist es so, dass wir an einem bestimmten Ort Menschen vermuten, die aber dann gar nicht da sind.

 

Achtsamkeit ist hier gefragt: Wo könnten die Menschen sein? Was sind ihre Bedürfnisse? Wie ist ihre Lebenswirklichkeit?

 

Wenn wir es hinbekommen, diese Art von Achtsamkeit zu leben, dann sind wir richtig gute Nachfolgerinnen und Nachfolger von Jesus:

 

Er ist dahin gegangen, wo die Menschen waren. Natürlich sind auch welche von alleine zu ihm gekommen, aber meistens war er auf Wanderschaft, war unterwegs und hat darauf geachtet, was die Menschen gerade ganz dringend brauchten: Heilung, Vergebung, Annahme oder Wegweisung.

 

So hat er dafür gesorgt, dass seine Wort-Gottes-Flinte in einem ganz großen Radius streut und hat ganz viele Menschen mitten ins Herz getroffen. Wir müssen das nur nachmachen und der Heilige Geist kann dann dafür sorgen, dass da in den Herzen der Menschen auch etwas aufblüht.

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